Das Ende des Terrors
Jahrzehntelang wollte die Irisch-Republikanische Armee die Unabhängigkeit Nordirlands mit Waffengewalt durchsetzen. Mehr als 3000 Menschen mussten sterben. Erst am 28. Juli 2005 verkündete die IRA das Ende ihres bewaffneten Kampfes. Fortan wollte sie ihre Ziele auf politischem Wege erreichen.
"Alle IRA-Einheiten wurden angewiesen, ihre Waffen abzugeben. Alle IRA-Aktivisten wurden instruiert, die Entwicklung von rein politischen und demokratischen Initiativen durch ausschließlich friedliche Mittel zu unterstützen."
Mit diesen Sätzen ordnete die Führung der Irisch-Republikanischen Armee am 28. Juli 2005 das Ende des bewaffneten Kampfes an. Alle Waffen im Besitz der IRA sollten unbrauchbar gemacht werden. Damit schien – wieder einmal – eine friedliche Lösung des jahrzehntelangen blutigen Nordirland-Konflikts in Sicht.
Zahllose Attentate und blutige Straßenschlachten
Seit 1919 hatte die IRA für die Loslösung Nordirlands von Großbritannien und die Vereinigung mit der Republik Irland gekämpft. Als militärischer Arm der Sinn-Fein-Bewegung setzte sich die IRA gegen die Diskriminierung und Unterdrückung der katholischen Minderheit durch die protestantische Mehrheit zur Wehr. Es folgten zahllose Attentate und blutige Straßenschlachten. Die britische Armee schickte Truppen nach Nordirland, die IRA reagierte mit Terroranschlägen, bis Großbritannien, Irland, die protestantische Ulster Unionist Party und Sinn Fein im April 1998 das sogenannte Karfreitags-Friedensabkommen schlossen. Es sicherte Nordirland einen halbautonomen Status zu und sah die Bildung einer Allparteienregierung sowie die Entwaffnung der paramilitärischen Verbände vor. Es war ein fragiler Frieden.
Nur vier Monate später zündete eine Splittergruppe der IRA in Omagh westlich von Belfast eine Autobombe. 29 Menschen starben, 350 wurden bei dem schwersten Anschlag in der Geschichte des Nordirlandkonflikts verletzt. Die Regierung in Belfast zerbrach im Herbst 2002, weil nicht alle Gruppen konsequent abrüsteten.
Der irische Justizminister Michael McDowell sah die Friedensbemühungen gefährdet, sollte sich die Sinn Fein Partei nicht entschieden für das Ende des bewaffneten Kampfes einsetzen.
"Das Vertrauen, das es zwischen den Verhandlungsführern der Sinn Fein und der Regierung in Dublin gegeben hat, ist völlig erschüttert worden."
Mit ihren Bombenanschlägen, spektakulären Überfällen und Terror gegen Kritiker in den eigenen Reihen isolierte sich die IRA in Nordirland zunehmend. Zudem verlor sie auch im Ausland an Rückhalt, vor allem unter den irischen Emigranten in den USA. Wer wollte noch eine Organisation unterstützen, die sich wie die Mafia mit Bankraub, Schutzgeldern und Schmuggel finanzierte und Selbstjustiz übte?
Kein Wort des Bedauerns
Vor diesem Hintergrund verkündete die IRA das Ende des bewaffneten Kampfes.
"Wir glauben, dass es nun einen alternativen Weg gibt, die britische Herrschaft in unserem Land zu beenden. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass der bewaffnete Kampf legitim war. Wir sind uns bewusst, dass viele Menschen in diesem Konflikt Leid erdulden mussten."
Worte des Bedauerns oder der Entschuldigung zu den vielen Opfern finden sich in dem Dokument ebenso wenig wie eine Ankündigung, die Organisation aufzulösen. Gleichwohl habe die Erklärung eine neue Qualität, meint der Nordirlandexperte Martin Alioth.
"Es ist eine Sprache, die wir so noch nie gehört haben, auch in ihrer ganzen Klarheit. Es ist quasi eine Voraussetzung dafür, dass man wieder Politik machen kann in Nordirland, dass die IRA von der Bildfläche verschwindet, jedenfalls als aktive paramilitärische Organisation."
Zwei Monate später waren tatsächlich alle Waffen der IRA beseitigt. Eine internationale Kommission unter Leitung des kanadischen Generals John de Chastelain hatte den Vorgang überwacht.
"Wir haben der britischen und der irischen Regierung heute mitgeteilt, dass wir eine große Menge von Waffen zerstört haben. Wir gehen davon aus, dass alle Waffen vernichtet wurden, die sich im Besitz der IRA befanden."
Der blutige Konflikt mit mehr als 3.500 Toten war damit beendet, das Land erhielt einen weitgehend autonomen Status. 2012 kam es in Belfast zu einem historischen Handschlag zwischen Königin Elizabeth II. und Martin McGuinness, Minister Nordirlands und einstiger Kommandant der IRA. Doch in vielen Bereichen ist Nordirland immer noch eine zwischen Katholiken und Protestanten gespaltene Gesellschaft.