Wagner als Suchender, als Rebell
Dass Richard Wagner in Leipzig geboren wurde, wissen die wenigsten. Dort spielt Wagner im Gegensatz zu Bayreuth nur eine untergeordnete Rolle. Das soll sich aber ändern, wenn 2013 Wagners 200. Geburtstag gefeiert wird. Bis dahin soll der berühmte Sohn auch in seiner Heimat angemessen geehrt werden.
Will man in Leipzig Wagners Spuren finden, muss man lange suchen. Das Geburtshaus wurde noch zu Wagners Lebzeiten wegen Baufälligkeit abgerissen. Nun steht dort ein Kaufhaus - erbaut zu DDR-Zeiten. Lediglich eine versteckte Gedenktafel daran weist auf Wagners Geburtsstätte hin. Eine offensichtlichere und angemessenere Ehrung wünschen sich nun einige Leipziger Bürger, die das Heft selbst in die Hand nehmen und sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben.
Sie hätten gerne in unmittelbarer Nähe zum Geburtshaus ein Denkmal für Wagner. Dabei hat die Stadt bereits ein Wagner-Denkmal errichtet, seit seinem 100. Todestag 1983 steht eine kleine Büste in einem winzigen Park hinter der Oper versteckt. Peter Gischke vom Richard-Wagner-Denkmal Leipzig Verein findet es allerdings nicht angemessen:
" Wenn Sie es sehen, dieses kleine Wagner-Denkmal, hinter der Oper statt vor der Oper, an einem kleinen nicht sonderlich gepflegten Teich, mehr ins Gebüsch gestellt als auf ein Plateau. Man merkt schon an der Art des Aufstellens, da hat jemand ein Problem mit Wagner. Er möchte ihn nicht ehren, er will ihn nur nicht ganz totschweigen. "
In der Tat hatte Leipzig Probleme mit ihm, denn im 3. Reich legte Adolf Hitler persönlich den Grundstein zu einem monumentalen "Richard-Wagner- Nationaldenkmal". Durch den 2. Weltkrieg wurde der Aufbau verhindert, und danach hatte sich Leipzig verständlicherweise von dem Projekt distanziert. Auch mit Wagner selbst wollte man in der DDR wegen seiner Vereinnahmung durch die Nazis nichts mehr zu tun haben.
Schon vorher wollten Leipziger Bürger zu Wagners 100. Geburtstag ein Denkmal für ihn stiften. Nach anfänglichen Verzögerungen vereitelte schließlich der 1. Weltkrieg das Vorhaben.
Nun will Peter Gischke mit seinen Mitstreitern in einem vierten Versuch, endlich eine angemessene Gedenkstätte für Wagner hinbekommen, mit Sponsorengeldern wollen sie das Projekt finanzieren. Zu Wagners 200. Geburtstag in sieben Jahren soll das Denkmal fertig sein. Es soll modern, zeitgemäß und unkonventionell werden.
Gischke: " Es soll den jungen Wagner präsentieren. Nämlich er war hier in seiner Jugend, er war hier rebellisch, er war hier aufständisch, er war kein Mitläufer, sondern er war ein Rebell. Als junger Mann war er nicht der große Wagner, sondern als junger Mann hat er hier in Leipzig seine musikalische Ausbildung erfahren. Und wir wollen ihn so zeigen, wie er damals hier in Leipzig gelebt hat, und wollen darauf hinweisen, dass Wagner einer von uns ist, nämlich ein Leipziger."
Als Komponist gehört Wagner aber nicht nur auf den Denkmalsockel, sondern vor allem auf die Bühne. Auch in musikalischer Hinsicht hat Leipzig da Nachholbedarf. Schon zu Lebzeiten wurde er kaum gespielt, zu groß waren die künstlerischen Differenzen zwischen Wagner und Gewandhausleiter Mendelssohn Bartholdy. In der nächsten Spielzeit steht Wagners "Lohengrin" in der Leipziger Oper viermal auf dem Plan.
Leipzigs Wagnerianern ist das zu wenig. Ob die Oper 2013 nach 40 Jahren wieder einmal den kompletten Ring stemmen wird, ist fraglich. Ein Kreis junger und engagierter Musikfreunde in Leipzig will Wagner zu mehr Bühnenpräsenz in seiner Geburtsstadt verhelfen und gründete vor vier Jahren die Richard Wagner Gesellschaft Leipzig 2013. Im Wagnerjahr wollen sie das komplette Bühnenwerk aufführen.
Universitätsmusikdirektor David Timm gehört zu den Gründern. Zu Wagners Geburtstag im Mai führte er in einer alten Montagehalle Ouvertüren mit Tanz, Schauspiel und Gesang auf.
Timm: " Ein wichtiger Gedanke ist, die Wagnerschen Werke auch an anderen, unkonventionellen Spielstätten aufzuführen. Das können leer stehende Fabrikhallen sein oder ähnliches, wo sich dann von vornherein eine zeitgemäße Darstellung anbietet."
Im vergangenen Jahr organisierte er zwei konzertante Aufführungen des "Fliegenden Holländers", ebenfalls an einem ungewöhnlichen Aufführungsort, dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Ein anderes Mal veranstaltete die Wagner Gesellschaft einen nächtlichen Rundgang in zwei leer stehenden Villen mit Lesungen, Wagner Musik und Improvisationen. Und der "Ring" aus juristischer Sicht mit Verkündung der dort vollzogenen Straftaten.
Indem Timm Leben und Werk Wagners aus einer anderen Perspektive beleuchtet, erschließt er auch ein neues Publikum. Auch die Richard Wagner Gesellschaft beschafft sich das Geld, das sie für die Inszenierungen braucht selbst.
Timm: " Je nach Möglichkeiten arbeiten wir mit Sponsoren, mit Einzelspenden und auch mit 'nem Gutteil Selbstausbeutung der Mitwirkenden. Es gab auch von der Stadt einen gewissen Förderbetrag und so kann man aus einem Patchwork am Schluss was Ganzes machen. "
Anders geht es bei der angespannten Haushaltslage in Leipzig momentan auch gar nicht, der Kulturetat schrumpft. Selbst die Kosten für Oper, Gewandhaus und Schauspiel müssen gesenkt werden. Da hat Kulturbürgermeister Georg Giradet kein zusätzliches Geld für die Wagnerpflege in der Tasche. Außerdem hat Eigeninitiative in der Bürgerstadt Leipzig Tradition.
Giradet: " Kultur ist nicht eine städtische Angelegenheit, sondern ist eine Angelegenheit der Bürger. Und die Stadt unterstützt, schafft Rahmenbedingungen, das werden wir auch in diesem Falle gerne tun. Aber ich finde es herrlich, wenn die Initiative aus der Bürgerschaft kommt. Das ist ein Charakteristikum unserer Stadt. Alle Kultur hier ist aus der Bürgerschaft heraus gewachsen, angefangen beim Gewandhausorchester und die Museen sind alle bürgerschaftlich entstanden. "
Auffallend ist, dass sowohl die Mitstreiter von David Timm als auch die Leipziger, die sich für das Wagnerdenkmal stark machen, relativ jung sind, das Gros ist zwischen 30 und 40. Ein Grund könnte sein, dass sie Wagner neu entdecken, weil sie unbelasteter im Umgang mit ihm sind und nicht sofort eine Nähe zum 3. Reich assoziieren.
Während in Bayreuth der etablierte Wagner geehrt wird, will man in Leipzig andere Facetten zeigen. Wagner als Suchender, als Rebell. Eine Phase, die Wolfgang Wagner als Charakterlosigkeit seines Großvaters bezeichnet. Dennoch bleibt der Umgang mit Wagner für den Leipziger Stadthistoriker, Volker Rodekamp, schwierig:
" Wagner ist eine schillernde Persönlichkeit. Man kann ihn in der Tat aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Er ist sicherlich ein genialer Komponist. Er hat eine ganz spannende Biografie. Er ist schillernd unter anderem auch durch sein Verhältnis zum Judentum und seine antijüdischen Äußerungen. Er ist nicht einfach und wir werden ihn sicherlich nicht in kleinen Dimensionen wohlfeil auf einen Sockel heben wollen."
Sie hätten gerne in unmittelbarer Nähe zum Geburtshaus ein Denkmal für Wagner. Dabei hat die Stadt bereits ein Wagner-Denkmal errichtet, seit seinem 100. Todestag 1983 steht eine kleine Büste in einem winzigen Park hinter der Oper versteckt. Peter Gischke vom Richard-Wagner-Denkmal Leipzig Verein findet es allerdings nicht angemessen:
" Wenn Sie es sehen, dieses kleine Wagner-Denkmal, hinter der Oper statt vor der Oper, an einem kleinen nicht sonderlich gepflegten Teich, mehr ins Gebüsch gestellt als auf ein Plateau. Man merkt schon an der Art des Aufstellens, da hat jemand ein Problem mit Wagner. Er möchte ihn nicht ehren, er will ihn nur nicht ganz totschweigen. "
In der Tat hatte Leipzig Probleme mit ihm, denn im 3. Reich legte Adolf Hitler persönlich den Grundstein zu einem monumentalen "Richard-Wagner- Nationaldenkmal". Durch den 2. Weltkrieg wurde der Aufbau verhindert, und danach hatte sich Leipzig verständlicherweise von dem Projekt distanziert. Auch mit Wagner selbst wollte man in der DDR wegen seiner Vereinnahmung durch die Nazis nichts mehr zu tun haben.
Schon vorher wollten Leipziger Bürger zu Wagners 100. Geburtstag ein Denkmal für ihn stiften. Nach anfänglichen Verzögerungen vereitelte schließlich der 1. Weltkrieg das Vorhaben.
Nun will Peter Gischke mit seinen Mitstreitern in einem vierten Versuch, endlich eine angemessene Gedenkstätte für Wagner hinbekommen, mit Sponsorengeldern wollen sie das Projekt finanzieren. Zu Wagners 200. Geburtstag in sieben Jahren soll das Denkmal fertig sein. Es soll modern, zeitgemäß und unkonventionell werden.
Gischke: " Es soll den jungen Wagner präsentieren. Nämlich er war hier in seiner Jugend, er war hier rebellisch, er war hier aufständisch, er war kein Mitläufer, sondern er war ein Rebell. Als junger Mann war er nicht der große Wagner, sondern als junger Mann hat er hier in Leipzig seine musikalische Ausbildung erfahren. Und wir wollen ihn so zeigen, wie er damals hier in Leipzig gelebt hat, und wollen darauf hinweisen, dass Wagner einer von uns ist, nämlich ein Leipziger."
Als Komponist gehört Wagner aber nicht nur auf den Denkmalsockel, sondern vor allem auf die Bühne. Auch in musikalischer Hinsicht hat Leipzig da Nachholbedarf. Schon zu Lebzeiten wurde er kaum gespielt, zu groß waren die künstlerischen Differenzen zwischen Wagner und Gewandhausleiter Mendelssohn Bartholdy. In der nächsten Spielzeit steht Wagners "Lohengrin" in der Leipziger Oper viermal auf dem Plan.
Leipzigs Wagnerianern ist das zu wenig. Ob die Oper 2013 nach 40 Jahren wieder einmal den kompletten Ring stemmen wird, ist fraglich. Ein Kreis junger und engagierter Musikfreunde in Leipzig will Wagner zu mehr Bühnenpräsenz in seiner Geburtsstadt verhelfen und gründete vor vier Jahren die Richard Wagner Gesellschaft Leipzig 2013. Im Wagnerjahr wollen sie das komplette Bühnenwerk aufführen.
Universitätsmusikdirektor David Timm gehört zu den Gründern. Zu Wagners Geburtstag im Mai führte er in einer alten Montagehalle Ouvertüren mit Tanz, Schauspiel und Gesang auf.
Timm: " Ein wichtiger Gedanke ist, die Wagnerschen Werke auch an anderen, unkonventionellen Spielstätten aufzuführen. Das können leer stehende Fabrikhallen sein oder ähnliches, wo sich dann von vornherein eine zeitgemäße Darstellung anbietet."
Im vergangenen Jahr organisierte er zwei konzertante Aufführungen des "Fliegenden Holländers", ebenfalls an einem ungewöhnlichen Aufführungsort, dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Ein anderes Mal veranstaltete die Wagner Gesellschaft einen nächtlichen Rundgang in zwei leer stehenden Villen mit Lesungen, Wagner Musik und Improvisationen. Und der "Ring" aus juristischer Sicht mit Verkündung der dort vollzogenen Straftaten.
Indem Timm Leben und Werk Wagners aus einer anderen Perspektive beleuchtet, erschließt er auch ein neues Publikum. Auch die Richard Wagner Gesellschaft beschafft sich das Geld, das sie für die Inszenierungen braucht selbst.
Timm: " Je nach Möglichkeiten arbeiten wir mit Sponsoren, mit Einzelspenden und auch mit 'nem Gutteil Selbstausbeutung der Mitwirkenden. Es gab auch von der Stadt einen gewissen Förderbetrag und so kann man aus einem Patchwork am Schluss was Ganzes machen. "
Anders geht es bei der angespannten Haushaltslage in Leipzig momentan auch gar nicht, der Kulturetat schrumpft. Selbst die Kosten für Oper, Gewandhaus und Schauspiel müssen gesenkt werden. Da hat Kulturbürgermeister Georg Giradet kein zusätzliches Geld für die Wagnerpflege in der Tasche. Außerdem hat Eigeninitiative in der Bürgerstadt Leipzig Tradition.
Giradet: " Kultur ist nicht eine städtische Angelegenheit, sondern ist eine Angelegenheit der Bürger. Und die Stadt unterstützt, schafft Rahmenbedingungen, das werden wir auch in diesem Falle gerne tun. Aber ich finde es herrlich, wenn die Initiative aus der Bürgerschaft kommt. Das ist ein Charakteristikum unserer Stadt. Alle Kultur hier ist aus der Bürgerschaft heraus gewachsen, angefangen beim Gewandhausorchester und die Museen sind alle bürgerschaftlich entstanden. "
Auffallend ist, dass sowohl die Mitstreiter von David Timm als auch die Leipziger, die sich für das Wagnerdenkmal stark machen, relativ jung sind, das Gros ist zwischen 30 und 40. Ein Grund könnte sein, dass sie Wagner neu entdecken, weil sie unbelasteter im Umgang mit ihm sind und nicht sofort eine Nähe zum 3. Reich assoziieren.
Während in Bayreuth der etablierte Wagner geehrt wird, will man in Leipzig andere Facetten zeigen. Wagner als Suchender, als Rebell. Eine Phase, die Wolfgang Wagner als Charakterlosigkeit seines Großvaters bezeichnet. Dennoch bleibt der Umgang mit Wagner für den Leipziger Stadthistoriker, Volker Rodekamp, schwierig:
" Wagner ist eine schillernde Persönlichkeit. Man kann ihn in der Tat aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Er ist sicherlich ein genialer Komponist. Er hat eine ganz spannende Biografie. Er ist schillernd unter anderem auch durch sein Verhältnis zum Judentum und seine antijüdischen Äußerungen. Er ist nicht einfach und wir werden ihn sicherlich nicht in kleinen Dimensionen wohlfeil auf einen Sockel heben wollen."