Wagner-Essay

Kapitalismus schafft den Menschen ab

Rebecca Teem (als Brünnhilde) spielt am 05.03.2014 in der Staatsoper im Schiller Theater in Berlin in der Fotoprobe des Stücks «Rein Gold» in der Regie von Nicolas Stemann. Das Stück hatte am 9.März Premiere.
Szene aus "Rein Gold": Rebecca Teem als Brünnhilde in der Staatsoper im Schiller Theater in Berlin © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Jürgen Liebing |
Einen unnötigen Nachklapp zum Wagnerjahr hat Nicolas Stemann an der Berliner Staatsoper inszeniert. Aus dem wütenden Essay "Rein Gold" von Elfriede Jelinek versucht er, einen vergnüglichen Abend herbeizuzaubern.
Geld regiert die Welt, und das Geld schafft den Menschen ab, um am Ende von allem übrig zu bleiben. Auf diese etwas schwindsüchtige Erkenntnis lässt sich der Inhalt des auf über zweihundert Seiten aufgeblasenen Bühnenessays "Rein Gold" von Elfriede Jelinek reduzieren. Viel heiße Luft getarnt durch Litaneien, Suaden und Kalauern. Papst Franziskus brauchte dafür nur einen Satz: "Der Kapitalismus tötet".
Der Regisseur Nikolaus Stemann, erfahren in der Zurichtung von Jelinek-Texten für das Theater, versucht aus diesem wutschnaubenden Furor der Dichterin einen vergnüglichen Abend zu machen. Bei Jelinek sind es lange, sich abwechselnde Monologe von Gottvater Wotan und seiner Lieblingstochter Brünnhilde. Ausgangspunkt ist das Zusammentreffen im dritten Aufzug der "Walküre" von Richard Wagner.
"Niegelungenen" statt Niebelungen
Stemann löst dieses duale Prinzip auf und verteilt den Text auf drei Schauspieler (zwei Männer und eine Frau). Als übten sie noch, halten sie die Textbücher als Stütze in den Händen, verheddern sich mal, fallen sich ins Wort oder sprechen dieselbe Passage. Es wird gekalauert bis zum Schenkelklopfen und Kopfschütteln des Publikums. Aus den Nibelungen werden die "Niegelungenen", und die Erkenntnis, dass ein Geldschein nur Schein ist, soll einen raffinierten doppelten Boden haben.
Dazu wird auch von Brünnhilde und Wotan gesungen, assistiert von den drei Rheintöchtern, originaler Wagner – eine Art Potpourri der "Highlights" aus dem "Ring". Rebecca Teem und Jürgen Linn singen, begleitet von der Berliner Staatskapelle unter der Leitung von Markus Poschner. Das Orchester sitzt auf einem Podium auf der fast leeren Bühne, die ein wenig an die Baustelle der Staatsoper Unter den Linden erinnert, ab und an mal nach vorn gefahren wird, warum, bleibt unerfindlich.
Zweimal verlassen die Musiker die Bühne, vielleicht um am lauen Frühlingsabend eine zu rauchen. Dann schlägt die Stunde der beiden Elektroniker Thomas Kürstner und Sebastian Vogel, die die Texte der Schauspieler Katharina Lorenz, Philipp Hauß und Sebastian Rudolph, so dezent untermalen, dass man sich unwillkürlich fragt, wozu der ganze Aufwand?
Was haben Zschäpe und NSU mit dem "Ring" zu tun?
Kurz vor Ende kommt auch noch der NSU ins Spiel. Ein altes Wohnmobil fährt auf die Bühne, in dem sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschießen, wie die allgegenwärtige Video-Kamera zeigt. Was Jelinek zu der Verbindung von Brünnhilde und Beate Zschäpe gebracht hat, wird ihr Geheimnis bleiben.
Am Schluss gehen die Schauspieler mit Pappschildern über die Bühne, nachdem aus dem Bühnenhimmel Geldscheine herabgeregnet waren. Auf einem Schild steht: "Wir sagen nichts mehr" – und das war dann auch gut so. Denn der Abend ist ein unnötiger Nachklapp zum inzwischen längst vergangenen Wagnerjahr.
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