Wo Hitler Familienanschluss hatte
Das Bayreuther Wagner-Museum rund um die Villa Wahnfried öffnet nach Renovierung und Umbau neu. Opernfreunde kommen auf ihre Kosten. Es wird aber auch nicht verschwiegen, wie tief der Grüne Hügel im Sumpf der NS-Diktatur steckte.
Der erste Eindruck im geräumigen Foyer des behindertengerechten Neubaus ist freundlich. Überlebensgroße, an die Wand projizierte Schwarzweißfotos lockern den Eingangsbereich auf: Festspielimpressionen aus den 1950er und -60er Jahren. Den langgestreckten Pavillon hat der Berliner Architekt Volker Staab in einer modernen, minimalistischen Formensprache errichtet und mit einer durchgehenden Glasfassade versehen.
Im Erdgeschoss sind die Kasse, der Museumsshop, das Café und ein Saal für Wechselausstellungen untergebracht. Im Souterrain, eine Treppe tiefer, sorgt der Ausblick auf kleine japanische Gärten für Auflockerung und erinnert beiläufig an Richard Wagners Faible für den Buddhismus. Vor allem aber werden in großen Vitrinen des Schauraumes Kostüme aus diversen Bayreuther Inszenierungen präsentiert und auf kleinen Monitoren näher vorgestellt. Sven Friedrich, Leiter des Wagner-Museums.
"Ich glaube, das wird für viele Besucher wirklich so ein Aha-Erlebnis: ,Ach, guck mal, da ist ja das Kostüm von der Gwyneth Jones als Venus oder Hanna Schwarz als Fricka 1976.' Die haben wir alle ausgestellt. Die waren bisher nie öffentlich zu sehen."
Die dunkle Seite des Wagner-Clans
Neben all dem schönen Schein und Dekors fragt man sich aber, wie es mit der dunklen Seite des Wagner-Clans aussieht, mit seinen Kontakten zu den NS-Machthabern? Kommt dieses heikle, lange verdrängte Thema im neuen Museumsareal, das aus Erweiterungsbau, der Villa Wahnfried und Räumen des Siegfried-Wagner-Hauses besteht, ebenfalls zur Sprache?
Friedrich: "Das ist ja einer der ganz wesentlichen Impulse gewesen für die Neugestaltung der Dauerausstellung. Wir wurden ja immer gefragt: Wo sind denn eigentlich die Bilder vom Hitler? Hitler ist ist hier mit freundlichstem Familienanschluss als enger Freund Winifred Wagners ein und ausgegangen. Er war ein großer Wagnerianer. Und dazu muss man sich genauso verhalten wie zu den etwas theoretischeren und etwas abstrakteren Zusammenhängen zwischen Wagners totaler Kunstideologie, auch seinem Antisemitismus und der Transmission dann in die völkische Bewegung nach seinem Tod bis hin dann auch zur Inanspruchnahme Wagners im Dritten Reich und auch den Folgen."
Etwas düster, braun getäfelt im Stil der 1930er-Jahre wirken die Räume im ehemaligen Haus des Wagner-Sohns Siegfried. Erstmals kann es jetzt öffentlich besichtigt werden; auch das im Originalzustand erhaltene Speisezimmer der Hitler-Freundin Winifred Wagner. Vitrinen mit Ausstellungsobjekten oder gar Schriften zur Ideologiegeschichte sucht man hier allerdings vergeblich. In Analogie zu jüdischen "Stolpersteinen" sind stattdessen in die Böden Blockmonitore eingelassen. Zu sehen sind Filme, Fotos und Texte. Sie dokumentieren, wie tief der Grüne Hügel im braunen Sumpf steckte.
Villa Wahnfried als Hauptattraktion
Hauptattraktion auf dem Museumsgelände ist natürlich die Villa Wahnfried. Hier stehen Leben und Werk des Komponisten im Mittelpunkt. Das Gebäude war 1945 durch eine Bombe zum Teil zerstört worden, erzählt Museumsdirektor Sven Friedrich:
"Deswegen haben wir eben auch Cosimas lila Salon und das Speisezimmer in ihrer originalen Erscheinung rekonstruiert und auch das Haupttreppenhaus. Den Besucher erwartet eigentlich eher ein historischer Eindruck, aber kein historistischer ..."
... also kein Wagner-Disneyland. Verschwundene Möbel und Objekte wurden durch Dummies ersetzt und mit weißen Textilüberzügen versehen: Der Mut zur Lücke überzeugt.
In einer Audiothek kann man sich durch zahllose Wagner-Einspielungen durchzappen. Das Sterbesofa des Komponisten aus Venedig wird in einem anderen Raum gezeigt. Absoluter Höhepunkt der drei durch Gänge und Aufzüge miteinander verbundenen Gebäude ist aber die Tristan-Originalpartitur. Sie wird in einem sakral wirkenden Andachtsraum der Villa Wahnfried präsentiert. Kritisch beäugt vom Maestro, der in einer goldausgeschlagenen Rotunde als Bronzefigur thront. Zweifellos das Allerheiligste im rundum gelungenen neuen Wagner-Museum.