Wagner und die falschen Fans
2013 wird die Musik von Richard Wagner gefeiert. Doch sollte man dabei auch über ein paar politische Zusammenhänge nachdenken, meint der Publizist Matthias Küntzel. Denn während Wagner mit betörenden Noten die Liebe beschwor, entzündete er mit abscheulichen Worten den Hass.
"Wir, die wir zu ihm standen, hießen Wagnerianer. Die anderen hatten keinen Namen." Diese Sätze stammen aus dem Januar 1942. Gesagt hat sie Adolf Hitler.
"Wagnerianer" heißen die Anhänger auch heute und sind gefragt wie noch nie: Am 22. Mai wird das "Richard-Wagner-Jahr 2013" mit dem Geburtstag des großen Komponisten einen Höhepunkt erreichen. Der Wagner-Hype reicht von der Sonderbriefmarke bis zur Denkmalenthüllung, von der Gedenkmünze bis zur Mammutkonferenz. Wir werden aufgefordert, uns von der Musik des "Meisters" überwältigen zu lassen und freundlich ermuntert, uns der "Droge Wagner" hinzugeben; ja ihr völlig zu "verfallen".
Nun betrachtete Richard Wagner seine Klanggemälde tatsächlich als Rauschmittel, das sein Publikum überwältigen und süchtig machen sollte. Seine Musik, schrieb er 1859, schwemme "alles hinweg, was zum Wahn der Persönlichkeit" gehöre und lasse "nur den wunderbar erhabenen Seufzer des Ohnmachtsbekenntnisses übrig."
Müssen sich aber deshalb auch unsere Feuilletonisten und Kulturpolitiker um den Verstand bringen lassen? Während sie mit "erhabenen Seufzern" von den Klangorgien seiner Bühnenwerke schwärmen, schauen sie beinahe unisono über die Schriften Richard Wagners hinweg ‒ so als könne man das Theatergenie vom Ideologen trennen. In Wirklichkeit gehört beides zusammen: Während Wagner mit betörenden Noten die Liebe beschwor, entzündete er mit abscheulichen Worten den Hass.
"Wagnerianer" heißen die Anhänger auch heute und sind gefragt wie noch nie: Am 22. Mai wird das "Richard-Wagner-Jahr 2013" mit dem Geburtstag des großen Komponisten einen Höhepunkt erreichen. Der Wagner-Hype reicht von der Sonderbriefmarke bis zur Denkmalenthüllung, von der Gedenkmünze bis zur Mammutkonferenz. Wir werden aufgefordert, uns von der Musik des "Meisters" überwältigen zu lassen und freundlich ermuntert, uns der "Droge Wagner" hinzugeben; ja ihr völlig zu "verfallen".
Nun betrachtete Richard Wagner seine Klanggemälde tatsächlich als Rauschmittel, das sein Publikum überwältigen und süchtig machen sollte. Seine Musik, schrieb er 1859, schwemme "alles hinweg, was zum Wahn der Persönlichkeit" gehöre und lasse "nur den wunderbar erhabenen Seufzer des Ohnmachtsbekenntnisses übrig."
Müssen sich aber deshalb auch unsere Feuilletonisten und Kulturpolitiker um den Verstand bringen lassen? Während sie mit "erhabenen Seufzern" von den Klangorgien seiner Bühnenwerke schwärmen, schauen sie beinahe unisono über die Schriften Richard Wagners hinweg ‒ so als könne man das Theatergenie vom Ideologen trennen. In Wirklichkeit gehört beides zusammen: Während Wagner mit betörenden Noten die Liebe beschwor, entzündete er mit abscheulichen Worten den Hass.
Er erfand die Giftvokabel von der "Verjudung"
Stolz bekannte er, einer der Geburtshelfer der Antisemitenbewegung von 1879 gewesen zu sein. Und tatsächlich hatte Wagner ‒ auf eine damals ganz unzeitgemäße Art ‒ die "jüdische Rasse" zum Feind der gesamten Menschheit, besonders aber der Deutschen erklärt und damit die Worte "deutsch" und "jüdisch" als Gegensatz etabliert. Er erfand die Giftvokabel von der "Verjudung", die es im deutschen Sprachgebrauch vorher nicht gab. Und er nutzte seine Prominenz und einige der Opern, um seinen ordinären Judenhass bei den gebildeten Schichten salonfähig zu machen.
Zum Beispiel in den "Meistersängern von Nürnberg", wo Wagner dem "urdeutschen" Schuhmacher Sachs die Figur des kreischenden und hinkenden Beckmesser gegenüberstellt. Diese war als hetzerische Judenkarikatur derart eindeutig erkennbar, dass es bei einigen zeitgenössischen Aufführungen zu Protesten, ja selbst zu einer Publikumsschlacht zwischen jüdischen und judenfeindlichen Operngängern kam.
Später erklärte Joseph Goebbels: "Was der Jude ist, hat uns Richard Wagner gelehrt, durch seine Schriften und seine Musik."
Die Wagner-Dynastie in Bayreuth applaudierte damals stolz ‒ und kommt von dieser Zeit nicht los. Warum sonst hält sie die mehr als 20 Jahre währende Korrespondenz zwischen Adolf Hitler und der Wagner-Familie auch jetzt noch versteckt?
Und warum blenden auch die Verantwortlichen des "Richard-Wagner-Jahres 2013" die Schattenseiten dieses Dichterkomponisten weitgehend aus? Glauben sie tatsächlich, dass man die Bühnenwerke Wagners nur dann goutieren kann, wenn man über die Hintergründe ihrer Entstehung schweigt?
Ich glaube das nicht. Ich halte es sogar für möglich, eine Wagner-Oper zu genießen, ohne den Verstand an der Garderobe abzugeben und ohne sich von Klangteppichen einfach nur überwältigen zu lassen.
Mit Wagner habe, so Joachim Fest, "die Epoche der unlauteren Massenverzauberung in der Kunst" begonnen. Die Auseinandersetzung mit den Techniken dieser Verzauberung, mit dem Zusammenspiel von Ästhetik und Ideologie, macht uns das "Erlebnis Wagner" nicht madig, sondern erst recht interessant.
"Wir, die wir zu ihm standen, hießen Wagnerianer", hatte Hitler erklärt. Unsere heutigen Wagnerianer sollten sich mehr als bisher einfallen lassen, um sich von der Kunstauffassung dieses Bayreuth-Fans zu distanzieren.
Matthias Küntzel, geboren 1955, ist Politikwissenschaftler, Pädagoge und Publizist in Hamburg. Sein Buch: "Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft" erschien 2009 im wjs-Verlag.
Homepage von Matthias Küntzel
Zum Beispiel in den "Meistersängern von Nürnberg", wo Wagner dem "urdeutschen" Schuhmacher Sachs die Figur des kreischenden und hinkenden Beckmesser gegenüberstellt. Diese war als hetzerische Judenkarikatur derart eindeutig erkennbar, dass es bei einigen zeitgenössischen Aufführungen zu Protesten, ja selbst zu einer Publikumsschlacht zwischen jüdischen und judenfeindlichen Operngängern kam.
Später erklärte Joseph Goebbels: "Was der Jude ist, hat uns Richard Wagner gelehrt, durch seine Schriften und seine Musik."
Die Wagner-Dynastie in Bayreuth applaudierte damals stolz ‒ und kommt von dieser Zeit nicht los. Warum sonst hält sie die mehr als 20 Jahre währende Korrespondenz zwischen Adolf Hitler und der Wagner-Familie auch jetzt noch versteckt?
Und warum blenden auch die Verantwortlichen des "Richard-Wagner-Jahres 2013" die Schattenseiten dieses Dichterkomponisten weitgehend aus? Glauben sie tatsächlich, dass man die Bühnenwerke Wagners nur dann goutieren kann, wenn man über die Hintergründe ihrer Entstehung schweigt?
Ich glaube das nicht. Ich halte es sogar für möglich, eine Wagner-Oper zu genießen, ohne den Verstand an der Garderobe abzugeben und ohne sich von Klangteppichen einfach nur überwältigen zu lassen.
Mit Wagner habe, so Joachim Fest, "die Epoche der unlauteren Massenverzauberung in der Kunst" begonnen. Die Auseinandersetzung mit den Techniken dieser Verzauberung, mit dem Zusammenspiel von Ästhetik und Ideologie, macht uns das "Erlebnis Wagner" nicht madig, sondern erst recht interessant.
"Wir, die wir zu ihm standen, hießen Wagnerianer", hatte Hitler erklärt. Unsere heutigen Wagnerianer sollten sich mehr als bisher einfallen lassen, um sich von der Kunstauffassung dieses Bayreuth-Fans zu distanzieren.
Matthias Küntzel, geboren 1955, ist Politikwissenschaftler, Pädagoge und Publizist in Hamburg. Sein Buch: "Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft" erschien 2009 im wjs-Verlag.
Homepage von Matthias Küntzel