Wagnersymposium 2013

Von Dieter David Scholz |
Im Wagner-Jubiläumsjahr finden bundesweit zahlreiche Veranstaltungen statt. In Dresden trafen sich renommierte Wissenschaftler und Wagnerexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Thema war auch die Beziehung zwischen Richard Wagner und Architekt Gottfried Semper.
Es war 1842, als im Königlichen sächsischen Hoftheater Richard Wagners Oper "Rienzi" uraufgeführt wurde. Der größte Erfolg Wagners zu Lebzeiten vor den "Meistersingern". Ein Jahr später wurde Wagner zum Königlich Sächsischen Hofkapellmeister ernannt. Mit einem Schlag war der Komponist berühmt und eines der führenden Orchester und Opernhäuser Europas stand ihm zu Gebote. Auch seine Opern "Der Fliegende Holländer" und "Tannhäuser" hob Wagner in Dresden aus der Taufe.

Da er engagiert am Dresdner Maiaufstand 1849 teilgenommen hatte, musste er - steckbrieflich gesucht - ins Schweizer Exil flüchten. Es waren also nur sieben Jahre, die Wagner in Dresden verbrachte, aber in diesen Jahren wurden die Weichen für sein ganzes späteres Leben und Schaffen gestellt. Hans-Günter Ottenberg von der Technischen Universität Dresden:

Günter Ottenberg: "Wir haben den Schwerpunkt auf Wagner in Dresden und Wagner und Dresden gelegt, weil wir meinen, dass die Wirkungsjahre in Dresden zwar im Großen ganz gut erforscht sind, aber doch sehr viele Fragen noch der Aufklärung bedürfen ... dass es da noch sehr viel Diskussionsbedarf gibt. "

Beispielsweise ist Richard Wagners Verhältnis zu dem Architekten Gottfried Semper, des Erbauers nicht nur des noch heute noch existierenden Dresdner Opernhauses, sondern auch des Bayreuther Festspielhauses kaum je differenziert dargestellt worden. Wagner und Semper verband im Grunde ein produktives Missverständnis: sie nahmen zwar den gleichen Ausgangspunkt, die Antike, das griechische Theater, den mittelalterlichen Spielwagen, aber brachen in unterschiedliche Richtungen aufbrachen: Gottfried Semper wollte Theaterarchitektur als festliches Monument, Richard Wagner wollte eine schmucklos-praktikables Bühne für sein Gesamtkunstwerk, wie die Architekturhistorikerin Heidrun Laudel in ihrem Vortrag darstellte.

Heidrun Laudel: "Wagner will das Ephemere, also die Aufführung, die da ist, die wird kräftig ausgestattet. Der spielwagen selbst interessiert ihn nicht. Und Semper sieht in diesem Spielwagen, dass man ihn ja so großartig ausstattet, ... ein ganz wesentliches Moment."

Befreundet hatten sich Wagner und Semper in Dresden. Am dortigen Hoftheater hat Wagner viel Repertoire kennengelernt, aufführungspraktische Erfahrungen gesammelt und die neuartige Verwendung von Instrumenten ausprobiert. Peter Damm, langjähriger erster Hornist der Dresdner Staatskapelle, machte in seinem Vortrag mit Tonbeispielen deutlich, dass Wagner auch in der Verwendung des Horns ein Revolutionär war.

Peter Damm: "!Wohl! Er war der Erste, der das Ventilhorn in eine Oper eingeführt hat, Rienzi, und wenn man die Partituren verfolgt, vom Rienzi bis Lohengrin, ... es ist eine unwahrscheinlich Entwicklung entstanden, das Horn wird zu einem fest integrierten Ensemblemitglied, ... ""

Die sehr anschaulichen Vorträge von Peter Damm und Heidrun Laudel waren Highlights unter den vielen Vorträgen des Symposions über aufführungspraktische, werk- und entstehungsgeschichtliche, biografischen, streng musikwissenschaftlichen und ideologiekritischen Fragen. Wagners Sängerideal, seine rege Konzerttätigkeit, sein Einsatz für Beethoven und Weber und Wagners nicht unproblematisches Verhältnis zur Königlichen Kapelle kamen zur Sprache. Besonders erhellend war aber auch der Vergleich Wagners mit Mendelssohns, den der Musikwissenschaftler Helmut Loos anstellte.

Helmut Loos: "Das Ideal für Wagner ist natürlich das Originalgenie. Und er hat es ja selber ausgelebt bis zum Letzten. Und das Originalgenie hält sich an keine Regeln, sondern gibt sich selbst die Regeln. Mendelssohn war Jemand, der sich den Konventionen und Regeln des menschlichen Zusammenlebens sehr verbunden wusste. ... Was dann interessant ist, dass Wagner im 20. Jahrhundert das große Vorbild wurde und Mendelssohn diffamiert wurde. Das ist schon etwas, was auch übers 20. Jahrhundert etwas aussagt."

Manche Facetten Wagners wurden bei diesem Dresdner Symposion schärfer ausgeleuchtet als bisher, manche seiner Charakterzüge, aber auch seiner kompositorischen Fähigkeiten und beruflichen Leistungen wurden deutlicher erkannt und benannt denn je. Auch die Wagnerpflege war Thema, speziell der Umgang mit dem "Parsifal" in Dresden zu DDR-Zeiten, als man von der Stadt an der Elbe als vom "Tal der Ahnungslosen" sprach, ein heikler Begriff, den Veranstalter Hans Günter Ottenberg aufgegriffen hat:

Hans Günter Ottenberg: "Wenn es aussagt, das Tal der Ahnungslosen, dass wir noch zu wenig über Wagner und Dresden wissen, dann hat es einen guten Zweck erfüllt. ... Und wenn das über Dresden hinaus ins Bewusstsein der Wagnerfreunde dringt, ... dann ist viel erreicht."

Einer der vielen Zuhörer bestätigt den Erfolg des gut besuchten Symposions:

Jampolsky: "Ich finde das vor allem sehr spannend, bestimmte Themen, die in der Wagnerforschung, in den alltäglichen Nachschlagewerken nicht nachzulesen sind, hier mal aus erster Hand zu erfahren. ... bestimmte Ansätze zu sehen und zu hören, die nicht in jedem Wagnerhandbuch schon zu lesen sind."

Das war es denn auch, was Professor Michael Heinemann von der Hochschule für Musik "Carl Maria von Weber" bei der Vorbereitung des Symposions besonders wichtig war:

Michael Heinemann: "Dass wir uns überlegen: Wer Wagner in Dresden heute ist, ob es eine Besonderheit in der Aneignung gab, ob es eine Verpflichtung gibt und eine Legitimation der Wagnerinterpretation geben kann."

Morgen werden diese Fragen abschließend zu beantworten sein, Fragen zur Wagnerinterpretation, aber auch zur ideologischen und theaterpraktischen Dimension Wagners. Es dürfte heiß hergehen morgen Vormittag im Dresdner Blockhaus, der ehemaligen Neustädter Wache, dem Veranstaltungsort des Dresdner Wagnersymposions. Aber schon heute ist klar: Dieses Symposion hat einiges neue Licht auf die kurze, aber wichtige Lebensphase Wagners in Dresden geworfen.