Wahl des neuen UNO-Generalsekretärs

Das öffentliche Vorsingen

Das Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River in New York.
Im Hauptquartier der Uno in New York wird bald der Schreibtisch des Generalsekretärs frei. © picture alliance / dpa - Chris Melzer
Manuel Fröhlich im Gespräch mit Nana Brink · 12.04.2016
Acht potenzielle Nachfolger für den scheidenden Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon stehen zur Auswahl. Ein Novum ist die öffentliche Anhörung – jeder Bürger kann über die die Uno-Website Fragen an die Kandidaten stellen. Was hinter der Transparenzoffensive steckt, erklärt der UNO-Experte Manuel Fröhlich.
Mit ihrer öffentlichen Kandidaten-Kür für das Amt des nächsten Generalsekretärs starten die UN offenbar ein Transparenz-Offensive. Denn nachzulesen sind alle Selbstdarstellungen der insgesamt acht Nachfolge-Kandidaten für den scheidenden Ban Ki Moon auch auf der Website der UNO. Etliche ehemalige Außenminister gehören dazu, darunter auch einige Frauen wie die ehemalige Premierministerin von Neuseeland, Helen Clark.

Stärkung der Generalversammlung

Der Beschluss der Generalversammlung, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, bevor die Mitgliedsstaaten über den Kandidaten-Vorschlag des Sicherheitsrates abstimmen, "ist eine Neugikeit und stärkt sicherlich auch die Generalversammlung in diesem Auswahlverfahren. Allerdings stellt sich dann doch die Frage, inwiefern das dann substanziell ein Mitspracherecht bedeutet", sagt Manuel Fröhlich, Professor für Internationale Beziehungen an der Uni Trier und UN-Experte. Er sieht ein Kräftemessen zwischen Generalversammlung und Sicherheitsrat.
"Dass das jetzt in den heiligen Hallen der Generalversammlung stattfindet, ist eine andere Tonlage, bedeutet eine andere Aufmerksamkeit. Und der aktuelle Präsident der Generalversammlung hat hier tatsächlich die Rechte des Plenarorgans gestärkt gegenüber dem Sicherheitsrat." Dieser habe sich jedoch auch nicht "die Butter vom Brot nehmen lassen" und darauf bestanden, dass sein Auswahlrecht, "wer denn nun vor der Generalversammlung vorsingt", durch das neue Verfahren in keiner Weise beschnitten werde.

Wird es eine Frau aus Osteuropa?

Dazu gehöre offenbar auch, dass einige Mitgliedstaaten, wie etwa Russland, eine ausdrückliche Förderung der Bewerbung weiblicher Kandidaten nicht überbetonen wollten.
Zum Thema "Proporzregelung" – möglichst eine Frau, möglichst aus Osteuropa –, sagte Fröhlich: Man werde sicherlich eine geeignete Kandidatin finden können. Einige der Bewerberinnen seien osteuropäische Politikerinnen, etwa ehemalige Ministerinnen aus Bulgarien und Moldawien. Die spannende Frage sei jedoch: "Wie stehen die Kandidatinnen zu dem ständigen Sicherheitsratsmitglied Russland - und umgekehrt."

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Was dachten Sie, wie der Posten des neuen UN-Generalsekretärs besetzt wird? Richtig, ausgekungelt hinter verschlossenen Türen, zwischen den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates. Noch mal zur Erinnerung: Das sind die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Sicherlich darf das eine oder andere Mitglied der Vollversammlung auch noch mal was sagen, und der Prozess ist bekanntermaßen einer der heikelsten international, aber die fünf großen bestimmen dann natürlich letztendlich.
Aaber ganz so einfach scheint es nicht mehr zu sein: Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen gibt es eine informelle Vorstellungsrunde der Kandidaten. Anfang 2017 wird der Posten frei, das heißt ab heute präsentieren sich die Kandidaten und Kandidatinnen vor der Generalversammlung, so richtig mit Lebenslauf, Statement und Frage-und-Antwort-Spiel.
Was wir wirklich davon zu halten haben, das will ich jetzt besprechen mit Manuel Fröhlich, er ist Professor für internationale Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Trier. Ich grüße Sie!
Manuel Fröhlich: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Es gab in der Vergangenheit viel Kritik an dieser Auswahl, an diesem Auswahlverfahren hinter verschlossenen Türen, ausgekungelt – ist das jetzt die große Transparenzoffensive?

Stärkung der Generalversammlung

Fröhlich: Das ist eine Transparenzmöglichkeit, ein neuer Weg, sich in diesem Auswahlverfahren zu positionieren. Das Verfahren ist seit Beginn der Vereinten Nationen in der Kritik, dass hier ein so wichtiger Posten doch eher in vertraulichen, in privaten Sitzungen des Sicherheitsrates stattfindet. Insofern ist der Beschluss der Generalversammlung, dass vor der Ernennung – also dem eigentlich in der Charta vorgesehenen Schritt, wo alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den Vorschlag des Sicherheitsrates absegnen –, vor dieser Absegnung eines Tages tatsächlich jetzt so eine Art Anhörung durchzuführen, ist eine Neuigkeit und stärkt sicherlich auch die Generalversammlung in diesem Auswahlverfahren. Allerdings stellen sich doch eine Reihe von Fragen, inwiefern das Ganze substantiell jetzt wirklich ein Mitspracherecht bedeutet.
Brink: Also ist das dann nur eine demokratische Schauveranstaltung?
Fröhlich: Es ist eine Öffentlichkeitsveranstaltung, sowas hat es tatsächlich auch schon vorher gegeben. Da war es nur etwas versteckt, manchmal auf öffentlichen Podien oder Konferenzen, wurden dann die inoffiziell genannten Kandidatinnen und Kandidaten dann schon aber vorgestellt.
Dass das jetzt in den heiligen Hallen, wenn Sie so wollen, der Generalversammlung stattfindet, ist eine andere Tonlage, bedeutet eine andere Aufmerksamkeit. Der Präsident der Generalversammlung, der aktuelle, hat hier tatsächlich die Rechte des Plenarorgans gestärkt gegenüber dem Sicherheitsrat, der aber wiederum sich wirklich nicht die Butter vom Brot hat nehmen lassen.
Er hat sich sehr, sehr dagegen gewehrt, sich irgendwie Fesseln anlegen zu lassen. Das merken wir etwa darin, dass der Sicherheitsrat explizit darauf bestanden hat, dass sein Auswahlrecht beileibe nicht dadurch limitiert ist, wer denn jetzt vor der Generalversammlung vorsingt oder nicht. Es steht ihm frei, auch jemand anderen noch aus dem Hut zu zaubern.
Gleichwohl, es ist eine Ausweitung der öffentlichen Debatte. Es erhöht die Aufmerksamkeit, und es erhöht natürlich auch das Commitment der Kandidatinnen und Kandidaten.

Proporzregelung

Brink: Man hat ja schon manchmal das Gefühl, das ist so eine Auswahl wie beim Papst – irgendwann steigt da weißer Rauch auf aus dem Sicherheitsrat, und dann wissen wir, wer es ist. Eigentlich irre, wenn wir uns überlegen, dass es eigentlich die große überregionale und internationale Organisation ist. Sie haben ihn erwähnt, den Präsidenten der UN-Generalsversammlung, den Dänen Mogens Lykketoft, der hat gesagt, wie betreten hier Neuland, das Ganze könnte den gesamten Wahlprozess ändern. Jetzt wollen wir uns den mal anschauen und vor allen Dingen die Kandidaten. Das ist ja immer eine Proporzregelung. Ganz wichtig und am besten wäre jetzt eine Frau aus Osteuropa. Findet man die?
Fröhlich: Ja, die findet man sicherlich insofern, als dass hier auch schon einige Kandidatinnen sich hier positioniert haben und das sicherlich etwas ist, wo wir auch entsprechende Debatten in der Zivilgesellschaft haben. Osteuropa heißt natürlich auch, und das wird in diesem Jahr ganz besonders die Aufmerksamkeit finden, wie steht dann diese Kandidatin zu dem ständigen Sicherheitsratsmitglied Russland und umgekehrt.
Russland hat sich interessanterweise aber schon sehr dezidiert geäußert: Der russische UNO-Botschafter hat gesagt, ja, gut, die Frage des Geschlechtes könne nur eine sekundäre sein.
Wie ich eben sagte, der Sicherheitsrat scheut sich, irgendwelche Fesseln anzulegen. So wurde also in dem offiziellen Schreiben zur Einladung betont, ja, die Mitgliedstaaten sollen bitteschön Frauen vorschlagen, und dann wurde der Zusatz hinzugefügt, Männer bitte aber auch. Also das ist noch keine eindeutige Unterstützung dieser Überlegung.
Brink: Wie schätzen Sie das ein, es gibt mehrere Kandidatinnen: Die amtierende Generaldirektorin der UNSESCO, Irina Bokova aus Bulgarien, die ehemalige Außenministerin Moldawiens, die kroatische Außenministerin, natürlich auch die Leiterin des UN-Entwicklungsprogramms, Helen Clark. Es gibt natürlich auch Männer: Der portugiesische ehemalige Ministerpräsident Antonio Guterres. Was schätzen Sie, was wird das im Endeffekt dann bewirken, dieses Schaulaufen?

"Wettbewerb der Ideen"

Fröhlich: Es definiert schon einmal so ein bisschen die Ranghöhe. Es gibt viele ehemalige und amtierende Außenminister. Das ist schon mal bemerkenswert. Die sind ja gefragt, das kann man auf der Homepage der Vereinten Nationen sehen, ihre Visionen der Weltorganisation aufzuschreiben. Das ist auch sehr interessant. Idealerweise wird das so ein kleiner Wettbewerb der Ideen, der dann auch öffentlich wird. Das ist sicherlich etwas, was bemerkenswert ist.
In der ersten Runde sind, glaube ich, jetzt einige Kandidatinnen und Kandidaten dabei, wo das Land sich ganz einfach positionieren will und sagen will, wir hätten auch jemanden. Ob das jetzt schon die aussichtsreichsten Kandidaten sind, diese acht, das wird man sehen. Wie gesagt, es ist auch möglich, noch zu späterem Zeitpunkt in das Rennen einzusteigen.
Brink: Vielen Dank, der UN-Experte Manuel Fröhlich von der Universität Trier. Danke für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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