Ulrike Guérot ist Politikwissenschaftlerin und Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems. Sie hat zudem den Thinktank "European Democracy Lab" in Berlin gegründet und leitet ihn. Hören Sie hier unser Gespräch mit ihr in voller Länge:
Schneller Amtswechsel in Athen
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Mit dem Machtwechsel in Griechenland seien dort "vier Ausnahmejahre" unter Premierminister Alexis Tsipras zu Ende gegangen, sagt Politologin Ulrike Guérot. Demokratietheoretisch sei der Umgang mit Athen hochproblematisch gewesen.
Die Griechen haben bei der vorgezogenen Parlamentswahl den Machtwechsel gewählt: Die konservative Nea Dimokratia (ND) holte 39,9 Prozent der Stimmen und erhält als stärkste Kraft nach griechischem Wahlrecht 50 Sitze im Athener Parlament hinzu. Damit verfügt die Partei über eine absolute Mehrheit. Wahlgewinner Kyriakos Mitsotakis wurde umgehend vereidigt und strich den Abgeordneten ihren Sommerurlaub.
Der Wahlsieg sei nicht überraschend gewesen, sagte unser Studiogast, die Politologin Ulrike Guérot, im Deutschlandfunk Kultur. Unter dem bisherigen Premierminister Alexis Tsipras habe es "vier Ausnahmejahre" gegeben. Die ND sei bei den letzten Wahlen 2015 völlig am Boden gewesen. Nun habe Tsipras dafür den Preis bezahlt, dass er dem Druck der EU habe klein beigeben müssen.
Fragwürdige Politik der Troika
Demokratietheoretisch sei der Umgang mit Griechenland hochproblematisch gewesen, sagte Guérot. "Sie können ja nicht Kommissionsbeamte, die selber kein Mandat haben und die nicht gewählt werden, zusammen mit IWF-Leuten nach Griechenland schicken und die Gewerkschaften entmachten." Das lasse sich auch mit Portugal vergleichen: Dort habe der Gerichtshof Entscheidungen der Troika rückgängig gemacht, mit dem Argument, dass sie dafür kein Mandat gehabt habe. "In der EU kann der lange Arm der europäischen Technokratie nicht durchregieren." Nur wenn die europäische Demokratie stärker parlamentisiert werde und auf anderen Füßen stehe, dann könne Brüssel auch eines Tages "durchregieren".
Sie plädiere dafür, den "Brüsseler Exekutivföderalismus" zu beenden, sagte die Politologin und zitierte einen Begriff des Philosophen Jürgen Habermas. Sie wünsche sich stattdessen ein parlamentarisches, demokratisches Europa.