Der Terror der Wahl
Illegal organisiert seien die Wahlen in der Ostukraine, sagen Kritiker. Präsident Petro Poroschenko sieht das ähnlich: Die Abstimmung in den Ostgebieten sei eine Bedrohung für den Friedensprozess.
In Kiew herrschte nach der Abstimmung in der Ostukraine beinahe schon demonstratives Schweigen – zumindest unter den Politikern. Präsident Petro Poroschenko ließ zunächst lediglich eine schriftliche Erklärung verbreiten. Bei den sogenannten Wahlen handle es sich um eine Farce, eine Abstimmung in Präsenz von Panzern und Gewehrläufen. Man werde das Ergebnis nicht anerkennen, schon der Wahlvorgang an sich sei ein Verstoß gegen das Minsker Protokoll und gegen ukrainisches Recht. Deshalb sollen die Organisatoren der Wahl nun strafrechtlich verfolgt werden. In mehreren ukrainischen Städten gab es am Wahltag kleinere Demonstrationen gegen die Abstimmung in den Separatisten-Gebieten. Auch in Kiew fanden sich einige Bewohner des Donbass auf dem Maidan ein, der Großteil von ihnen ist aus der Heimat geflohen. Auch Evgenij fürchtete um sein Leben:
"Ich stamme aus Donezk und ich halte diese Wahlen für nicht rechtmäßig. Dort herrscht Terror, die Bevölkerung ist verängstigt. Ich habe mit Leuten dort telefoniert, sie sagen, dass bei den Wahlen Essen verteilt wird, damit die Leute wirklich kommen. Von meinen Bekannten sind nur zwei wählen gegangen. Der Rest hat Angst und sitzt zuhause. Furchtbar ist das."
Auch Lana stammt aus Donezk. Sie sagt, die Separatisten hätten sie gefoltert, weil sie Fotos von einem ihrer Checkpoints gemacht habe:
"Was ist denn bitte von Wahlen zu halten, die illegal organisiert wurden? In einem von Terroristen besetzten Donbass? Das ist Terror! Dort laufen sie mit Maschinengewehren rum! Was sollen das denn für Wahlen sein? Freunde haben mir gesagt, dass jetzt auch noch Militärtechnik reinkommt. Wirklich, was sollen das für Wahlen sein?"
Alles planmäßíg, ohne Zwischenfälle
Die Behörden in den selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk jedoch zeigten sich mit der Wahl zufrieden. Es habe eine starke Beteiligung gegeben, alles sei planmäßig und ohne Zwischenfälle abgelaufen. Informationen, die schwer zu überprüfen sind, gab es doch keine unabhängigen internationalen Beobachter vor Ort. Friedlich blieb es am Wahltag allerdings nicht, kam es doch zu erneuten Gefechten zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten. Der ukrainische Sicherheits- und Verteidigungsrat in Kiew erklärte zudem, aus Russland würde Militärtechnik sowie Personal in die Ostukraine verlagert. Der Inlandsgeheimdienst warnte davor, dass die Separatisten die Wahlen missbrauchen könnten, um an persönliche Informationen der Wähler zu kommen.
"Ein Ziel der Terroristen ist es, mit diesen Wahlen eine Art Datenbasis zu schaffen, mit der man hinterher die Bevölkerung manipulieren kann. Junge Leute beispielsweise kann man dann in die Armee einziehen; der Geschäftsmann muss sein Geschäft aufgeben. Bei älteren Menschen schließlich geht es darum eine Wählerschicht zu schaffen, die später einfach alle Entscheidungen der Terroristen mitträgt."
Die Führung der sogenannten Volksrepublik Donezk wies diesen Vorwurf jedoch umgehend zurück. In den Militäreinheiten der Separatisten kämpften ausschließlich Freiwillige. Evgenij, der Flüchtling aus Donezk, allerdings ist sich sicher, dass die Separatisten nicht aus eigener Kraft der ukrainischen Armee die Stirn bieten können. Sie würden massiv von Russland unterstützt. Die ukrainische Seite hingegen habe wenig Handlungsspielraum:
"Die Ukraine will zu Europa gehören, deswegen können wir nicht die gleichen Methoden anwenden wie Russland. Wir dürfen keinen Terror ausüben, die ukrainische Regierung kann nicht einfach Donezk bombardieren. Denn die Menschen dort sind schließlich auch Ukrainer."
Präsident Petro Poroschenko dürfte das genauso sehen. Die Abstimmung in den Ostgebieten bezeichnete er dennoch als Bedrohung für den Friedensprozess. Die Ukraine werde angemessen darauf reagieren – Details nannte er nicht.