Wie Strukturwandel in der Lausitz gelingt
06:43 Minuten
Die Lausitz wird oft nur gesehen als abgehängte Region, steht beispielhaft für fehlenden Strukturwandel. Doch es gibt innovative Unternehmen in der Gegend, die der vermeintlichen Ödnis trotzen, zum Beispiel mit neuen Produkten für die Windkraftindustrie.
In der Produktionshalle der Firma WP Systems sitzt Schweißer Thomas Walter im Blaumann hinter einem Schutzvisier und schweißt, dass die Funken nur so fliegen. WP Systems ist ein Startup, das die weltweit erste geschlossene Wartungskabine für Windkraftanlagen entwickelt hat:
"Ich baue hier einen Schaltschrank. Das ist der Rohbau, das Gehäuse, und jetzt kommt in das Gehäuse jeweils ein Rahmen rein und da wird eben jetzt erstmal geschweißt."
"Ich baue hier einen Schaltschrank. Das ist der Rohbau, das Gehäuse, und jetzt kommt in das Gehäuse jeweils ein Rahmen rein und da wird eben jetzt erstmal geschweißt."
Firma hat schon Kunden in ganz Europa
Die sechs Mal dreieinhalb Meter großen Leichtbau-Kabinen aus Aluminium erinnern an Skigondeln. Es sind quasi mobile Fahrstühle, mit denen man in bis zu 150 Metern Höhe die mittlerweile siebzig, achtzig Meter langen Rotorblätter auch bei Wind, Regen, Kälte und Hitze reparieren kann. 2018 war der Prototyp fertig, seit diesem Jahr wird in Serie produziert.
15 Wartungskabinen sollen 2019 ausgeliefert werden, fast doppelt so viele wie geplant. An Kunden aus ganz Deutschland und Frankreich, Belgien, Polen und Rumänien. Eine Menge Arbeit für die 50 Angestellten. Thomas Walter ist Mitarbeiter der ersten Stunde:
"Damals war ich noch der erste Metallbauer in der Firma. Das Projekt hat mich von Anfang an fasziniert: Diese Technik, was die Ingenieure hier auf die Beine gestellt haben. Bei der ersten Präsentation, die ich bekommen habe, da war ich schon total begeistert."
"Damals war ich noch der erste Metallbauer in der Firma. Das Projekt hat mich von Anfang an fasziniert: Diese Technik, was die Ingenieure hier auf die Beine gestellt haben. Bei der ersten Präsentation, die ich bekommen habe, da war ich schon total begeistert."
Frustration in der Region kaum nachvollziehbar
Thomas Walter kommt aus der Region. Er sagt, er kann nicht wirklich verstehen, warum die Stimmung in der Lausitz so schlecht ist:
"Ich habe viele Gespräche mit Leuten, die wirklich ihren Frust ablassen, aber Vorschläge haben sie auch nicht. So viele sind jetzt nicht mehr in der Braunkohle tätig und Arbeitskräfte werden eh gesucht, in jeder Branche. Ich hab das Gefühl, da jammern wir auf hohem Niveau."
"Ich habe viele Gespräche mit Leuten, die wirklich ihren Frust ablassen, aber Vorschläge haben sie auch nicht. So viele sind jetzt nicht mehr in der Braunkohle tätig und Arbeitskräfte werden eh gesucht, in jeder Branche. Ich hab das Gefühl, da jammern wir auf hohem Niveau."
Während Thomas Walter frohgemut in die Zukunft der Lausitz blickt und weiter seinen Schaltschrank schweißt, kommt Firmenchef Ole Renner mit hohem Besuch in die Halle: Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD ist mit einem Pressetross aus der Hauptstadt auf Sommertour. In der Lausitz informiert sie sich über Wölfe und den anstehenden Kohleausstieg zu Gunsten des Klimaschutzes:
"Es geht nicht nur um Ausstieg aus der Kohle und Vermeidung von CO2, sondern es geht auch darum, hier die Menschen mitzunehmen und aufzuzeigen, wo die Arbeitsplätze der Zukunft sind und was sich hier entwickelt."
"Es geht nicht nur um Ausstieg aus der Kohle und Vermeidung von CO2, sondern es geht auch darum, hier die Menschen mitzunehmen und aufzuzeigen, wo die Arbeitsplätze der Zukunft sind und was sich hier entwickelt."
Bundesumweltministerin zu Besuch
Draußen setzt sich Svenja Schulze einen gelben Helm auf und erklärt, dass sie beim Hersteller Enercon in Aurich schon oben auf Windkraftanlagen war und schwindelfrei ist. Die Ministerin, Firmenchef Ole Renner und Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach quetschen sich in die schwankende Alu-Kabine.
Im Einsatz werden die schwebenden Werkstätten mit Stahlseilen am Maschinenhaus ganz oben an der Windkraftanlage aufgehängt und per Seilwinden hoch gezogen. Sie haben rundherum verstellbare Öffnungen.
Wenn die Kabine das Rotorblatt erreicht, klappt man Dach und Boden auf und fädelt das Blatt ein. Die beheizbare Wartungskabine umschließt dann jeweils einen Abschnitt des Rotorblattes und der Techniker kann in Ruhe daran arbeiten, statt wie ein Hochhaus-Fensterputzer an einem Seil zu baumeln und auf gutes Wetter zu hoffen.
In der geschlossenen Kammer stört auch Regen nicht, was zur Freude der Windkraftbranche die Zahl der Wartungstage auf einen Schlag verdoppelt. Die Idee hatte sein Gründungs-Kompagnon Holger Müller, erzählt Geschäftsführer Ole Renner. Der war nämlich früher selber Fachkraft für Rotorblatt-Instandsetzung:
"Er hing selber an einem Rotorblatt, damals noch in so einem einfachen Befahrkorb, und kam dann mit seiner Idee auf mich zu. Ich bin Entwickler und wir haben das dann hier gemeinsam auf die Beine gestellt. So, Micha, geht los."
"Er hing selber an einem Rotorblatt, damals noch in so einem einfachen Befahrkorb, und kam dann mit seiner Idee auf mich zu. Ich bin Entwickler und wir haben das dann hier gemeinsam auf die Beine gestellt. So, Micha, geht los."
Die Wartungskabine ruckt an und fährt mehrere Meter in die Höhe, zu Demonstrationszwecken und nicht ganz so weit wie im wirklichen Einsatz.
"Ja, und jetzt fährt man 20 Minuten nur nach oben. Und dann kommt irgendwann das Rotorblatt und dann ist man froh – also ich zumindest – wenn das Rotorblatt drin ist, weil dann wackelt es nicht mehr ganz so sehr."
"Ja, und jetzt fährt man 20 Minuten nur nach oben. Und dann kommt irgendwann das Rotorblatt und dann ist man froh – also ich zumindest – wenn das Rotorblatt drin ist, weil dann wackelt es nicht mehr ganz so sehr."
Firma als Vorbild für die Zukunft der Lausitz
Wieder am Boden angekommen, nennt Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach von der SPD das mit EU-Geldern geförderte Unternehmen ein Beispiel für die Zukunft der Lausitz: Eine Firma für Windkraftanlagenwartung, mitten im Braunkohlegebiet. Geschäftsführer Ole Renner stört das nicht.
"Also ich muss sagen: Ich bin absolut begeistert von der Lausitz, bin eigentlich gar kein Lausitzer, sondern Sachse, und bin aus Fördermittelgründen hier in die Lausitz gekommen. Was wir hier an Mitarbeitern finden – von der Grundmotivation, aber auch von der Qualität ihrer Ausbildung – das hätte ich nie für möglich gehalten."
"Ich sehe eine rosige Zukunft"
Der Braunkohlebetreiber bildet nicht nur gut aus, er zahlt auch sehr gut, tarifgebunden. 5.000 Jobs hängen hier in Brandenburg noch direkt an der Kohle, schätzungsweise 20.000 sind es in den Zulieferbetrieben. WP Systems beschäftigt mit Zulieferern vielleicht 80 Menschen. Aber es sei ein Anfang, meint Ole Renner:
"Es kommen teilweise auch Mitarbeiter tatsächlich aus dem Bergbau, die also sehen: Da geht eine Technologie zu Ende und ich muss mich um was Neues kümmern. Und ja, ich sehe eine rosige Zukunft für die Lausitz, wenn man es schafft, hier eben nicht mit der Gießkanne vorzugehen, sondern vielleicht auf bestimmte Technologien zu setzen und unter anderem eben auf die Erneuerbaren."
"Es kommen teilweise auch Mitarbeiter tatsächlich aus dem Bergbau, die also sehen: Da geht eine Technologie zu Ende und ich muss mich um was Neues kümmern. Und ja, ich sehe eine rosige Zukunft für die Lausitz, wenn man es schafft, hier eben nicht mit der Gießkanne vorzugehen, sondern vielleicht auf bestimmte Technologien zu setzen und unter anderem eben auf die Erneuerbaren."