Greg Palast: Gern geschehen, Mr. President!
Wie man die US-Wahl manipuliert in 10 einfachen Schritten
Haffmans & Tolkemitt, Berlin 2016
288 Seiten, 14,95 Euro
Klassenkampf mit anderen Mitteln
Bei den US-Präsidentschaftswahlen wird getrickst, was das Zeug hält. Greg Palast beschreibt das Ausmaß und die Methoden des chronischen Wahlbetrugs. Er folgt der Spur des Geldes und enttarnt die Männer und Unternehmen, die den Kandidaten zum Sieg verhelfen - ein Muss für Amerika-Fans.
"Die Vereinigten Staaten belehren die restliche Welt gern über Demokratie, wir haben aber keinerlei Wahlstandards, die mit Europa vergleichbar wären. Dem politischen Gegner die Stimmen abzujagen, und sei es auf betrügerische Art und Weise, sehen viele als Kavaliersdelikt. Mehr wie einen Sport."
Greg Palast recherchiert über Wahlbetrug in den USA, seitdem er während der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 für die BBC Manipulationen in Florida aufdeckte. 56.000 schwarze Wähler waren dort aus den Wahlregistern gestrichen worden, weil sie angeblich vorbestraft waren. Die meisten Schwarzen sind, wie andere Minderheiten, Stammwähler der Demokratischen Partei. Floridas republikanische Regierung gab später die Unrechtsmäßigkeit der Namensliste zu. Doch zu der Zeit war der Bruder von Gouverneur Jeb Bush, George W., längst Präsident geworden – nicht zuletzt dank der Mehrheit von nur 537 Stimmen im entscheidenden Swing-State Florida.
"Jeder Bundesstaat hat seinen offiziellen Wahlleiter und seine eigenen Wahlregeln und Methoden. Diese Wahlleiter gehören der jeweils regierenden Partei an und ändern die Regeln dann zu ihren Gunsten."
Krasse Benachteiligung von Stimmen schwarzer Wähler
Ein weiterer Schritt im Wahlbetrug sei es, so Greg Palast, Briefwahlunterlagen mit dem Vermerk "Nicht weitersenden" zu versehen. Oder anschließend die Briefwahlzettel wegen unzureichender Frankierung oder falscher Faltung nicht zu werten. Zunehmend beliebt sei auch, nicht registrierten Wählern "provisorische" Stimmzettel zu geben. Greg Palast nennt sie Placebo-Stimmen, da die Wahlleiter entscheiden, ob sie gezählt werden oder nicht. Nächster Schritt: Per Wahlcomputer massenhaft unliebsame Wählerstimmen aussortieren. Denn in ärmeren Stadtbezirken brächen die Maschinen immer wieder zusammen oder könnten Wahlzettel nicht lesen. Die Chancen, eine ungültige Stimme abzugeben, sei für schwarze Wähler 900 Mal höher als für weiße.
"Wir haben in den USA ein System der Apartheid"
Sagt Palast bei einem öffentlichen Auftritt.
"So wie schwarze Viertel schlechte Schulen bekommen und schlechte Krankenhäuser, bekommen sie auch schlechte Wahlcomputer - und ihre Stimmen kommen auf den Müll."
Nach einer aktuellen Umfrage von Reuters glaubt mehr als die Hälfte der Amerikaner an Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen. Greg Palast war der Erste, der in USA darüber berichtete, wie genau der Wahlbetrug funktioniert. Sein Buch "Billionaires & Ballot Bandits. How to Steal an Election in 9 Easy Steps" (Milliardäre und Wahlbanditen. Wie man in 9 einfachen Schritten eine Wahl stiehlt") wurde ein Bestseller. Für die deutsche Ausgabe hat er seine Liste um einen 10. Schritt erweitert: den "Interstate Crosscheck" oder "zwischenstaatlichen Datenabgleich". 29 Bundesstaaten, überwiegend von Republikanern regiert, gleichen dabei ihre Wählerlisten ab. Auf Fox News gab Donald Trumps Berater Dick Morris bekannt, sie hätten "wahrscheinlich über 1 Million Doppelwähler gefunden".
"Sie haben inzwischen eine Liste von sieben Millionen Menschen, die angeblich doppelt gewählt haben. Mein Team und ich brauchten Monate, um an diese Listen heranzukommen. Wir haben nun drei Millionen Namen. Es sind alles sehr häufige Namen von Schwarzen, Latinos und Amerikanern asiatischer Herkunft. Und sogar, wenn sich ihre zweiten Vornamen unterscheiden, wenn sie unterschiedlich alt sind oder Vater und Sohn, werden sie trotzdem von der Wählerliste gestrichen."
Republikaner und Demokraten tricksen
Bei den letzten beiden Wahlen wurden mindestens sechs Millionen Stimmen für "ungültig" erklärt. Soviel errechnete die "US Election Assistance Commission", die den offiziellen Stand der nicht gezählten Stimmen ermittelt.
Greg Palast macht klar, dass beide großen Parteien tricksen, die Republikaner aber mehr davon profitieren. In seinem Buch folgt er der Spur des Geldes, das hinter der Wahlmaschinerie steckt, und enttarnt die Männer und Unternehmen, die den Präsidentschaftkanditaten zur Wahl verhelfen: alte Bankenmacht bei den Demokraten und neureiche Hedgefonds-Milliardäre mit Spitznamen wie "Eismann" und "Aasgeier" auf Republikanischer Seite. Auch die amerikanischen Medien, schreibt Palast, seien in den Händen einer rechten Wirtschaftslobby und wagten deshalb nicht, frei zu berichten.
"Menschen, die nicht so viel Geld haben, haben auch nicht die Macht, das System zu ihrem Schutz zu beeinflussen. Deshalb ist Wahlbetrug für mich ein Klassenkampf mit anderen Mitteln."
Für alle Amerika-Fans und -Kenner ist Greg Palasts Buch ein Muss. Kein trockenes Sachbuch, Quellennachweise finden sich nur spärlich. Mehr als 40 Seiten Comic von Ted Rall lockern das Buch weiter auf. Und: Greg Palast weiß zu erzählen, mitzureißen und zu unterhalten – letzteres mitunter allerdings auf Kosten der Verständlichkeit. Für weniger Landeskundige werden sich viele der komplexen Zusammenhänge erst im Lauf der Lektüre erschließen. Gegen den chronischen Wahlbetrug sieht der investigative Autor und ehemalige Dozent für Statistik letztendlich nur ein Mittel:
"Die amerikanische Kultur muss sich ändern. Wir müssen uns dafür entscheiden, so wie die Europäer, dass Wahlbetrug einfach nicht akzeptabel ist. Das ist keine Frage von neuen Gesetzen und Regeln. Dann wird es nur immer neue Betrügereien geben. Wir Amerikaner müssen die Vorstellung aufgeben, dass solche Tricks okay sind."