Wahlrecht-Verschenke-Abend in Sachsen
Sie sind mitten unter uns, doch selten sichtbar: Wahlwillige Nichtwahlberechtigte und wahlberechtigte Nichtwähler wurden nun öffentlich von einem Künstlerkollektiv in Dresden auf einer Bühne "verkuppelt". Das Wahlrecht, das die einen nicht wollen, wurde denen übertragen, die es gerne hätten.
Das Künstlerkollektiv andcompany&Co kündigte per Pressemitteilung aus Dresden an:
"Immer mehr Menschen wissen nicht, wen sie wählen sollen oder wollen gar nicht mehr wählen. Zugleich gibt es viele Menschen, die nicht wählen dürfen – und das nicht länger hinnehmen wollen. Wir wollen diese Menschen zusammen bringen und haben deswegen den Aufruf gestartet: WÄHLE NICHT SELBST! Werdet Wahlpat*in!
In der Dreikönigskirche, Sitz des ersten Landtags und der verfassungsgebenden Versammlung, findet ein 'Stimmenverleih' statt in Form einer einmaligen Spielshow: Jeder darf mitspielen!"
Dieser so genannte "Wahlokratie"-Abend wurde in der vergangenen Woche in der Dresdner Dreikönigskirche abgehalten - und zwar im Stil der früheren Fernsehshow "Herzblatt", wie der Initiator Alexander Karschnia vom Künstlerkollektiv andcompany&Co im Deutschlandfunkkultur erläuterte.
Absolute Mehrheit der Nichtwähler in Sachsen
Wahlwillige Nichtwahlberechtigte wurden mit wahlberechtigten Nichtwählern auf der Bühne "verkuppelt", um auf Missverhältnisse in der Demokratie aufmerksam zu machen.
Karschnia: "Man muss ja sehen, dass ein Drittel der Leute, die wahlberechtigt sind, nicht wählen – bei der letzten sächsischen Landtagswahl waren es über 50 Prozent. Also wenn das eine Partei wäre, hätte sie die absolute Mehrheit gehabt. Und nicht wahlberechtigt sind neun Millionen Menschen, das sind zehn Prozent der Bevölkerung, das wäre zwei Mal die Fünfprozenthürde, das wäre schon 'ne Kleinstpartei."
Die meisten Nichtwahlberechtigten seien wegen ihrer Staatsbürgerschaft ausgeschlossen, hinzu kämen etwa 80.000 Menschen, die richterlich als vollbetreuungsbedürftig eingestuft sind und deswegen kein Wahlrecht haben.
"Es gibt eine große Enttäuschung"
Der Spielort Dresden sei der Intention des Projekts entgegenkommen, meinte der Theatermacher:
"Weil dort hatten viele Leute einfach den Vergleich zu der Zeit vor der Wende. Und es gab Leute, die sehr aktiv waren in den 80er Jahren und für das Recht auf Wahlen gestritten haben, die heute gesagt haben, vielleicht mache ich das wie früher und streiche einfach alles durch. Also es gibt so 'ne große Enttäuschung. (…) Das ist schon interessant, das so was jetzt wieder Thema wird."
(huc)