Wahnsinn im Unterholz
Der literarische Altmeister Peter Handke ist ein leidenschaftlicher Pilzsammler, den es immer wieder in die Wälder bei Paris zieht. Der Hauptfigur seines neuen Romans geht es nicht anders. Vom "Rauschen und Brausen der Bäume" umfangen, wird sie "pilzverrückt" und verliert sich in Träumen und Fantasien.
Dass Peter Handke ein großer Pilzfreund ist, weiß jeder, der etwas von ihm gelesen hat. Irgendwann lugt bestimmt einmal ein kleiner gelber oder brauner Pilz zwischen den Zeilen durch und wird gefeiert. Denn Pilze kann man, außer Champignons und ein paar wenige andere, nicht züchten. Sie brauchen das Wilde, Ungebundene, und daraus erwächst bei Handke immer etwas Widerständiges. Deshalb schreiben auch alle Journalisten, die Handke einmal besuchen durften, unweigerlich über das Pilzgericht, das ihnen vorgesetzt wurde und dessen Zutaten der Autor vorher in den "lichten Weiten" der Laubwälder bei Paris gesammelt hatte.
Handke hat schon mehrere "Versuche" geschrieben, eine ungebundene Prosa jenseits von Roman, Tagebuch oder Essay, und bei einem von ihm verfassten "Versuch über den Pilznarren" denkt man im Anschluss daran sofort, dass er wie gewohnt einschlägige Szenen sorgsam auffächert – die prägenden Erlebnisse mit Pilzen, eine Untersuchung der verschiedenen Namen, Rezepte und Fundorte.
Doch es passiert etwas verblüffend anderes. Handke erfindet sich eine Figur, einen "Freund", der mit ihm zusammen auf dem Dorf aufgewachsen ist und der die Rolle des Pilznarren spielt, und erst bei näherem Hinsehen merkt man, dass diese Figur eine Art Doppelgänger darstellt, eine Fantasie, in der Handke sich selbst spiegelt, in der er konkrete autobiografische Details unterbringt, mit der er sich aber auch außerhalb seines konkreten Lebenslaufs bewegt – eine wilde, unberechenbare Person, hinter deren Maske sich der Autor vor allem vorstellt, was alles hätte auch passieren können.
Handke hat schon mehrere "Versuche" geschrieben, eine ungebundene Prosa jenseits von Roman, Tagebuch oder Essay, und bei einem von ihm verfassten "Versuch über den Pilznarren" denkt man im Anschluss daran sofort, dass er wie gewohnt einschlägige Szenen sorgsam auffächert – die prägenden Erlebnisse mit Pilzen, eine Untersuchung der verschiedenen Namen, Rezepte und Fundorte.
Doch es passiert etwas verblüffend anderes. Handke erfindet sich eine Figur, einen "Freund", der mit ihm zusammen auf dem Dorf aufgewachsen ist und der die Rolle des Pilznarren spielt, und erst bei näherem Hinsehen merkt man, dass diese Figur eine Art Doppelgänger darstellt, eine Fantasie, in der Handke sich selbst spiegelt, in der er konkrete autobiografische Details unterbringt, mit der er sich aber auch außerhalb seines konkreten Lebenslaufs bewegt – eine wilde, unberechenbare Person, hinter deren Maske sich der Autor vor allem vorstellt, was alles hätte auch passieren können.
Einen Pilz zu entdecken, ist wichtiger als ihn zu essen
Es ist also ein geheimes Selbstgespräch. Die Pilzemphase wird ausschließlich diesem "Freund" untergejubelt. Dieser hat, wie Handke, Jura studiert, ist aber dann tatsächlich "Strafanwalt", "unterwegs bei internationalen Strafgerichten" geworden. Und vor allem wird ihm zugeschrieben, was der Schriftsteller Handke in vorangegangen Werken von sich selbst preisgegeben hat: Er spricht wie Handke, von den Waldrändern mit dem "Rauschen und Brausen der Bäume", von den "Säumen" und den "Zwischenräumen", aber er schießt auch lustvoll über das Ziel hinaus. Er wird pilzverrückt, arbeitet nicht mehr, verliert sich in seinen Traumgespinsten. Wieder heimgeholt werden kann er dann nur durch eine märchenhafte Begebenheit.
Es kommt zu wunderbaren selbstironischen Passagen. Handke zitiert sich in der Figur des Pilznarren selbst und macht sich über seine Obsessionen lustig, gleichzeitig beschwört er lustvoll genau jene Epiphanien, die es ihm immer angetan haben. "Der erste Augenblick des Ansichtigwerdens", die Entdeckung eines frischen, unberührten Steinpilzes ist wichtiger als das Pflücken und das Zubereiten, der Weg und das Gehen werden fast wichtiger als das Suchen und Finden. Aber die poetischen Passagen, die schön sind wie seit jeher, werden gelegentlich konterkariert von kecken Nachfragen, vom koketten Benennen eines "Geraunes".
Handke hat ein mildes, gelassenes Alterswerk geschrieben, entspannt und spielerisch. Es lässt sich nicht festlegen und lässt auf wunderbare Weise alles im Offenen.
Besprochen von Helmut Boettiger
Es kommt zu wunderbaren selbstironischen Passagen. Handke zitiert sich in der Figur des Pilznarren selbst und macht sich über seine Obsessionen lustig, gleichzeitig beschwört er lustvoll genau jene Epiphanien, die es ihm immer angetan haben. "Der erste Augenblick des Ansichtigwerdens", die Entdeckung eines frischen, unberührten Steinpilzes ist wichtiger als das Pflücken und das Zubereiten, der Weg und das Gehen werden fast wichtiger als das Suchen und Finden. Aber die poetischen Passagen, die schön sind wie seit jeher, werden gelegentlich konterkariert von kecken Nachfragen, vom koketten Benennen eines "Geraunes".
Handke hat ein mildes, gelassenes Alterswerk geschrieben, entspannt und spielerisch. Es lässt sich nicht festlegen und lässt auf wunderbare Weise alles im Offenen.
Besprochen von Helmut Boettiger
Peter Handke: Versuch über den Pilznarren - Eine Geschichte für sich
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
216 Seiten, 18,95 Euro
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
216 Seiten, 18,95 Euro