Wal in der Wurst
Walfleisch ist stark mit Quecksilber und anderen, für den Menschen schädlichen, Substanzen belastet. Heute betrifft uns das weniger - aber in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Walfleischmehl in Wurst verarbeitet. Man wollte ja nichts verkommen lassen. Das war im Deutschen Walfanggesetz so festgeschrieben.
Haben wir Menschen die Meere schon so belastet, dass wir daraus nicht mehr essen können? In der Tat sind die Quecksilberwerte der Meeressäuger, die am Ende der Nahrungskette stehen, teilweise extrem hoch. Aber das waren sie immer. Denn der Quecksilbergehalt der Weltmeere ist nicht von menschlichen Aktivitäten abhängig, sondern das Ergebnis geologischer Vorgänge. Das Meer enthält seit Urzeiten gewaltige Mengen an Quecksilber. Die Kost der Arktis war immer quecksilberreich.
Aber das trifft ja nicht auf DDT oder PCB, die Plastikweichmacher, zu? Richtig. Die stammen aus unseren Chemiefabriken. Derzeit nehmen die Gehalte an perfluorierten Substanzen zu. Die verwenden wir als Flammschutzmittel, in Reinigungsmitteln oder um Papier für Tintenstrahldrucker herzustellen. Dazu kommen chlorierte Paraffine, polybromierte Diphenyläther usw. Die Liste ist lang und wird immer länger. Der Grund: Mit feinerer Analytik findet man immer komplexere Verbindungen. Und die stammen nicht nur vom Menschen, sondern auch aus der Natur. Im Meer werden von Algen und anderen Lebewesen ziemlich fragwürdige Produkte aus dem Reiche der Chlor- und Bromchemie erzeugt – ja sogar Dioxine. Teilweise - man denke nur an Chlormethan - in Jahresmengen von hunderttausenden von Tonnen. Das übertrifft die menschliche Produktion um eine Zehnerpotenz.
Reichern sich diese Stoffe auch in den Meeressäugern an? Das Chlormethan aufgrund seiner Flüchtigkeit weniger, aber die komplexeren Verbindungen schon. Vor zehn Jahren kannte man etwa 2.400 Chlor-, Brom- oder Fluorchemikalien natürlichen Ursprungs. Heute dürfte es ein Walfleisch ist stark mit Quecksilber und anderen, für den Menschen schädlichen, Substanzen belastet. Heute betrifft uns das weniger - aber in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Walfleischmehl in Wurst verarbeitet. Man wollte ja nichts verkommen lassen.
Vielfaches sein. Diese Stoffe unterscheiden sich in ihrer Toxizität prinzipiell nicht von menschlicher Chlorchemie. Damit haben die Walesser immer gelebt. Das ist zwar kein Grund diese Gehalte nun durch zahllose neue Stoffe zu ergänzen, relativiert die Ergebnisse aber.
Ist der Verzehr von Walfleisch aus Ihrer Sicht also kein Problem für die Gesundheit? Um am Polarkreis zu überleben, essen die Menschen seit Jahrtausenden den Wal. Die freie Wildbahn bedeutet aber nicht Schadstofffreiheit. Die eigentliche Gefahr, die von Walfleisch ausgeht, sind nicht polybromierte Diphenyläther oder DDT, sondern vor allem Krankheitserreger und Parasiten. Ich denke hier an Brucella, den Erreger des Milzbrands oder die Toxoplasmose. Deshalb braucht der Wal, der zum Verzehr gelangt, eine Fleischbeschau – so wie jedes andere Tier auch.
Aber Walfleisch landet glücklicherweise nicht auf unseren Tellern … Ja, heute nicht mehr, aber unsere älteren Hörer haben in ihrer Jugend oft genug unwissentlich Walfleisch genossen - beispielsweise in Form von Wurst, der Walfleischmehl zugesetzt wurde. Das war vom Gesetzgeber so gewollt: Nach dem Deutschen Walfanggesetz mussten die Fänge vollständig verwertet werden. Zeitweise galten kanadische Walsteaks als Delikatesse. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde tiefgekühltes Walfleisch bis in die 1960er-Jahre gehandelt – und vermutlich in Form von Rindsgulasch konsumiert. Wenn es frisch war, schmeckte man keinen Unterschied. Das Problem beim Walfleisch ist der Umstand, dass es schnell tranig wird.
Wie appetitlich! Wann wurden die Wale eigentlich erstmals geschützt? Das waren die Norweger im Jahre 1934. Damals haben sie Schonzeiten eingeführt, die Jagd auf Jungtiere verboten usw. Im gleichen Jahr haben die Deutschen beschlossen, eine eigene Walfangflotte zu gründen. Zu moralischer Überheblichkeit über andere Völker haben wir in Sachen Walfang keinerlei Anlass.
Literatur:
Altherr S, Lüber S: Toxic Menu – Contamination of Whale Meat and Impact on Consumers‘ Health. Pro Wildlife, München, OceanCare, Wädenswil 2009
Haraguchi K et al: Negative APCI-L/MS/MS method for determination of natural persistent halogenated products in marine biota. Analytical Chemistry 2008; 80: 9748-9755
Miehle D, Eisgruber H: Der Wal als Nahrungsmittellieferant – Historie – rechtliche Grundlagen – aktuelle Aspekte. Archiv für Lebensmittelhygiene 2004; 55: 28-31
Geckeler KE, Eberhardt W: Biogene Organochlorverbindungen – Vorkommen, Funktion, Umweltrelevanz. Naturwissenschaften 1995; 82: 2-11
Weihe P et al: Serum concentrations of polyfluoroalkyl compounds in Faroese wahle meat consumers. Environmental Science & Technology 2008; 42: 6291-6295
Harguchi K et al: Accumulation and mother-to-calf transfer of anthropogenic and natural organohalogens in killer whales (Orcinus orca) stranded on the Pacific coast of Japan. Science of the Total Environment 2009; 407: 2853-2859
Woo PC et al: Coronavirus diversity, phylogeny and interspecies jumping. Experimental Biology & Medicine 2009; epub ahead of print
Forman D et al: The sero-prevalence of Toxoplasma gondii in British marine mammals. Memorias Instituto Oswaldo Cruz 2009; 104: 296-298
Rotstein DS: Lobomycosis in offshore Bottlenose Dolphins (Tursiops truncatus), North Carolina. Emerging Infectious Diseases 2009; 15: 588-590
Tittlemier S et al: Identification of a novel C10H6N2Br4Cl2 heterocyclic compound in seabird eggs. A
bioaccumulating marine natural product? Environmental Science & Technology 1999; 33: 26-33
Tittlemier S et al: Dietary exposure to a group of naturally produced organohalogens (halogenated dimethyl bipyrroles) via consumption of fish and seafood. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2004; 52: 2010-2015
Utkina NK et a: Two new minor polybrominated dibenzo-p-dioxins from the marine sponge
Dysidea dendyi. Journal of Natural Products 2002; 65: 1213-1215
Faulkner DJ: Marine natural products. Natural Products Report 2001; 18: 1-49
Whatmore AM et al: Marine mammal Brucella genotype associated with zoonotic infection. Emerging Infectious Diseases 2008;14: 517-518
Bogomolni AL et al: Victims of vectors: a survey of marine vertebrate zoonoses from coastal waters of the Northwest Atlantic. Diseases of Aquatic Organisms 2008; 81: 13-38
Aber das trifft ja nicht auf DDT oder PCB, die Plastikweichmacher, zu? Richtig. Die stammen aus unseren Chemiefabriken. Derzeit nehmen die Gehalte an perfluorierten Substanzen zu. Die verwenden wir als Flammschutzmittel, in Reinigungsmitteln oder um Papier für Tintenstrahldrucker herzustellen. Dazu kommen chlorierte Paraffine, polybromierte Diphenyläther usw. Die Liste ist lang und wird immer länger. Der Grund: Mit feinerer Analytik findet man immer komplexere Verbindungen. Und die stammen nicht nur vom Menschen, sondern auch aus der Natur. Im Meer werden von Algen und anderen Lebewesen ziemlich fragwürdige Produkte aus dem Reiche der Chlor- und Bromchemie erzeugt – ja sogar Dioxine. Teilweise - man denke nur an Chlormethan - in Jahresmengen von hunderttausenden von Tonnen. Das übertrifft die menschliche Produktion um eine Zehnerpotenz.
Reichern sich diese Stoffe auch in den Meeressäugern an? Das Chlormethan aufgrund seiner Flüchtigkeit weniger, aber die komplexeren Verbindungen schon. Vor zehn Jahren kannte man etwa 2.400 Chlor-, Brom- oder Fluorchemikalien natürlichen Ursprungs. Heute dürfte es ein Walfleisch ist stark mit Quecksilber und anderen, für den Menschen schädlichen, Substanzen belastet. Heute betrifft uns das weniger - aber in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Walfleischmehl in Wurst verarbeitet. Man wollte ja nichts verkommen lassen.
Vielfaches sein. Diese Stoffe unterscheiden sich in ihrer Toxizität prinzipiell nicht von menschlicher Chlorchemie. Damit haben die Walesser immer gelebt. Das ist zwar kein Grund diese Gehalte nun durch zahllose neue Stoffe zu ergänzen, relativiert die Ergebnisse aber.
Ist der Verzehr von Walfleisch aus Ihrer Sicht also kein Problem für die Gesundheit? Um am Polarkreis zu überleben, essen die Menschen seit Jahrtausenden den Wal. Die freie Wildbahn bedeutet aber nicht Schadstofffreiheit. Die eigentliche Gefahr, die von Walfleisch ausgeht, sind nicht polybromierte Diphenyläther oder DDT, sondern vor allem Krankheitserreger und Parasiten. Ich denke hier an Brucella, den Erreger des Milzbrands oder die Toxoplasmose. Deshalb braucht der Wal, der zum Verzehr gelangt, eine Fleischbeschau – so wie jedes andere Tier auch.
Aber Walfleisch landet glücklicherweise nicht auf unseren Tellern … Ja, heute nicht mehr, aber unsere älteren Hörer haben in ihrer Jugend oft genug unwissentlich Walfleisch genossen - beispielsweise in Form von Wurst, der Walfleischmehl zugesetzt wurde. Das war vom Gesetzgeber so gewollt: Nach dem Deutschen Walfanggesetz mussten die Fänge vollständig verwertet werden. Zeitweise galten kanadische Walsteaks als Delikatesse. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde tiefgekühltes Walfleisch bis in die 1960er-Jahre gehandelt – und vermutlich in Form von Rindsgulasch konsumiert. Wenn es frisch war, schmeckte man keinen Unterschied. Das Problem beim Walfleisch ist der Umstand, dass es schnell tranig wird.
Wie appetitlich! Wann wurden die Wale eigentlich erstmals geschützt? Das waren die Norweger im Jahre 1934. Damals haben sie Schonzeiten eingeführt, die Jagd auf Jungtiere verboten usw. Im gleichen Jahr haben die Deutschen beschlossen, eine eigene Walfangflotte zu gründen. Zu moralischer Überheblichkeit über andere Völker haben wir in Sachen Walfang keinerlei Anlass.
Literatur:
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Tittlemier S et al: Dietary exposure to a group of naturally produced organohalogens (halogenated dimethyl bipyrroles) via consumption of fish and seafood. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2004; 52: 2010-2015
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