Warum sollen wir also 500 Leute einsetzen, um dort gegen das Feuer zu kämpfen, und nur 100 im Bereich mit den Laubbäumen? Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, aber das weiß ein Kommandant von außerhalb nicht – für ihn sind das einfach zwei Waldgebiete, die brennen.
Waldbrände in Spanien und Portugal
Extreme Waldbrände zerstören in Portugal im Juli riesige Landstriche wie hier im Kreis Murça. Die verbrannte Fläche ist deutlich größer als noch im Jahr 2021. © Getty Images / Anadolu Agency / Omar Marques
Verkohlte Landschaften – was nun?
20:36 Minuten
Hitze, Trockenheit, Klimawandel: Rund 26.000 Hektar von Portugals größtem Naturpark fielen im Sommer dem Feuer zum Opfer. Im benachbarten Spanien war eine Fläche von 2500 Quadratkilometern von Waldbränden betroffen. Ein Rekord. Was sind die Lehren?
Auf dem Dach Portugals, in der Serra da Estrela, steht ein Stall. Für die Region typische Bordaleira-Schafe zupfen Heu aus einer Krippe, andere liegen im Stroh. Das sonderbar meditative Geräusch ihres Wiederkäuens füllt den Raum. Hier oben, wo man Geodaten anstelle traditioneller Adressen verwendet, lebt die Biologin Ana Teresa.
"Wir haben eine Rauchsäule gesehen"
Seit knapp zwei Jahren lebt die 31-Jährige, die auch Forstingenieurwesen studiert hat, mit ihrem Freund André und zwei Herdenschutzhunden hier auf etwa 100 Hektar Land, das fast 20 Jahre verlassen war und das sie wiederbeleben wollen. Und dann im vergangenen August: das Feuer.
„Von Anfang an haben wir eine Rauchsäule in unsere Richtung gesehen und jeden Tag darauf gewartet, dass sie uns erreicht. Jedes Mal ist sie uns etwas näher gekommen, aber dann hatten wir plötzlich auch gar keine Zeit mehr, um jemanden zu rufen, um die Schafe rauszuholen“, erzählt sie
Den Schafen ist nichts passiert, ihrer Nahrungsgrundlage schon. Die Wildblumen, Bergkräuter und Farngräser, die die Tiere in der Serra da Estrela eigentlich fressen, wie auch die vor nicht allzu langer Zeit angepflanzten Bäume: Alles verbrannt.
Deshalb fressen die Schafe Heu im Stall, das Ana Teresa und André kaufen müssen, anstatt in den Bergen zu weiden. Der Traum vom Öko-Landbau besteht derzeit also vor allem aus Sorgen und hohen Ausgaben, mit etwas Hilfe vom Staat.
Problem bei der Brandbekämpfung
Ortswechsel, das Rathaus des bei Touristen beliebten Ortes Manteigas: „Hallo, ich bin Flávio Massano und ich bin seit Oktober 2021 Landrat in Manteigas, also seit etwa einem Jahr.“
Der 32-Jährige war als unabhängiger Kandidat angetreten und musste, kaum im Amt, im Eilverfahren Katastrophenmanagement lernen. Das Feuer habe ihm auch ein Problem bei der Brandbekämpfung vor Augen geführt, sagt Massano.
Die Flammen hätten nicht zehn Tage wüten können, weil es an Einsatzkräften und Mitteln gefehlt habe, sondern an der richtigen Koordination, um sie gezielt und angemessen einzusetzen:
„In Manteigas hatten wir den regionalen Kommandanten, also nicht von hier und dann den nationalen Kommandanten und diese Leute kennen sich hier nicht aus, kennen das Gebiet nicht. Wir hatten hier zwei Fronten – die eine hat die Kiefern verschlungen, die andere lief in Richtung der Laubbäume, die Touristen nach Manteigas bringen und damit Einnahmen. Die Kiefern brennen in jedem Fall ab“, erklärt der Landrat.
Im gut 70 Kilometer entfernten Viseu treffen wir den Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, Rui Leitão. Der 34-Jährige stammt aus einer Feuerwehrfamilie, ist selbst seit 20 Jahren aktiv und seit ziemlich genau zwei Jahren Kommandant in Viseu.
Es geht wertvolle Zeit verloren
Das aktuelle System frustriert ihn sichtlich – insbesondere die Rolle des portugiesischen Zivilschutzes, der ab einer bestimmten Gefahreneinstufung übernimmt, sieht er kritisch.
„Der Zivilschutz redet mit der portugiesischen Sicherheitspolizei, mit der Feuerwehr, mit den Förstern, den Landräten – wir brauchen dies, wir brauchen das“, erklärt er.
„Handeln tun andere. Der Zivilschutz sollte nicht das Kommando haben, sondern die unterschiedlichen Einheiten koordinieren. Sprechen, Koordinieren, Anfordern und wir machen dann.“
Bisher gehe oft wertvolle Zeit verloren. Auf baldige Besserung hofft er auch nach den teils verheerenden Bränden des vergangenen Sommers nicht.
„Wenn man schon aus dem Jahr 2017 nichts gelernt hat. Nichts. Wir schreiben das Jahr 2022. Fünf Jahre sind vergangen“, kritisiert er. „Und was hat sich geändert? Welche Lehre kann man dann aus der Serra da Estrela ziehen?“
Oben auf ihrem Berg hofft die Biologin und angehende Öko-Bäuerin Ana Teresa Matos derweil auf bessere Zeiten. Bessere Tage, werden kommen, sagt sie, derzeit sei einfach eine schwierige Phase, danach werde die Zukunft besser aussehen.
Immerhin, meint sie noch mit dem trockenen Humor, mit dem so viele in Portugal gesegnet sind: So schnell dürfte es bei ihr nicht wieder brennen – viel hätten die Flammen ja nicht verschont.
Auf dem Höhepunkt des Flammeninfernos im Juli und August auf der gesamten Iberischen Halbinsel unterstützten Feuerlöschflugzeuge aus Spanien auch die Feuerwehrkräfte in Portugal. Diese sind, gemeinsam mit den Löschhubschraubern, auch für Spanien selbst essenziell bei der Brandbekämpfung – wegen des oft unwegsamen Geländes.
Feuerlöschen aus der Luft
Ein Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Madrid: hier donnern Eurofighter los zum Übungsflug, Transportmaschinen in unscheinbarem Grau stehen auf dem Vorfeld. Daneben: knallgelb lackierte, zweimotorige Amphibienflugzeuge. Über eine angestellte Metalltreppe geht es hoch zur Einstiegsluke.
“Das hier ist die Haupttür, solange die Motoren abgestellt sind. Vorsicht mit dem Kopf! Das hier ist der Laderaum mit den beiden Haupt-Wassertanks – und dann haben wir noch vier andere Tanks mit flammhemmendem Schaum, der wird dem Wasser zugemischt”, sagt Iñigo Yagüe.
Der 27-jährige Pilot fliegt seit fünf Jahren Einsätze mit den 20 Meter langen Maschinen. Zum Wasserfassen gleiten die Flugboote auf einem See entlang und das Wasser wird dabei in die Tanks gepresst. In nur zwölf Sekunden landen so 7000 Liter Wasser in den Tanks. 14 dieser spektakulären Maschinen sind im Sommer über ganz Spanien verteilt. Pilot Yagüe ist stolz, eine zu fliegen. Aber er weiß: Seine Kollegen mit den Hubschraubern sind genauso wichtig – mindestens.
50 Kilometer westlich liegt der Heliport von Valdemorillo. Hier hat die Autonome Gemeinschaft Madrid, quasi das Bundesland Madrid, einen von zehn Hubschraubern stationiert, die bei Waldbränden eingesetzt werden.
“Es gibt verschiedene Konfigurationen – wir bringen zum Beispiel Löschbrigaden samt Ausrüstung zu den Feuern. Aber wir können stattdessen auch 1.200 Liter Wasser zum Brand fliegen und dort abwerfen”, sagt Julio Muñoz
Er fliegt seit 15 Jahren Löschhubschrauber. Gerade sind er und der Co-Pilot von einer Übung zurück, an Bord war eine Löschbrigade, ein Trupp von acht Spezialisten unter der Führung von Forstingenieur Iván Muñoz.
Wenn wir beim Feuer ankommen, kreisen wir erst mal, um zu sehen, was brennt, wie sich das Feuer ausbreitet, in welche Richtung. Je nachdem, ob Graslandschaft, Büsche oder Bäume brennen, laden wir die eine oder andere Art von Werkzeugen ab. Nach dem Absetzen suchen wir uns eine sichere Basis im Rücken des Feuers und bekämpfen es von der schon abgebrannten Seite her.
Dichtes Netz an Hubschrauberbasen
Große Teile Spaniens sind von Gebirge geprägt. Es gibt viele Schluchten, wenige Straßen und Forstwege. Das Gelände ist also oft unzugänglich. Ohne die Luftlandetrupps würde es Stunden dauern, bis Löschmannschaften am Boden eingreifen können. Mit Hacken schlagen sie Schneisen, mit 20 Litern Wasser im Rucksack bremsen sie Flammen, mit Patschen löschen sie Glutnester.
Oberste Chefin im Kampf gegen Waldbrände in Madrid ist Feuerwehrfrau Marta Jerez de la Vega. Sie deutet in der Kommandozentrale auf ein Schaubild:
“Hier diese farbigen Bereiche gehören jeweils zu einem Hubschrauber. Wir sind hier, an der Basis in Valdemorillo, und fliegen sofort jedes Feuer an, das in dieser Zone gemeldet wird. In einem anderen Gebiet wird es zum Beispiel der Hubschrauber sein, der in Navas del Rey stationiert ist. So decken wir die ganze Autonome Gemeinschaft Madrid ab.”
Die Region ist dicht besiedelt – hier sind schnell Menschenleben in Gefahr. Deswegen lautet das Prinzip hier: “Hit hard and early”. Wie in Deutschland erst mal nachzufragen, ob denn ein Hubschrauber der Streitkräfte verfügbar ist – das ist keine Option. Die Autonome Gemeinschaft hält ein dichtes Netz von Hubschrauberbasen speziell für Waldbrände vor.
Weniger dicht besiedelte, weniger wohlhabende Gegenden Spaniens können sich das nicht leisten. Dort haben in den vergangenen Jahren besonders schlimme Feuer gewütet.
Zum Beispiel rund um Bejis, im Osten. Eduardo Rojas steht in der verbrannten Landschaft. 200 Quadratkilometer Wald und Buschvegetation sind hier bei einem einzigen Brand verkohlt. Auch 40 große gelbe Löschflugzeuge wären da nicht die Lösung, sagt Rojas.
“Brandbekämpfung ist letztlich nur Symptombekämpfung. So, wie wenn es in einem Land soziale Spannungen gibt, man aber nur mit Polizei, Gerichten, Gefängnissen reagiert. Das setzt auch das Fachpersonal unnötigem Stress aus – die Polizisten, und in unserem Fall die Feuerwehrleute, die unter praktisch unmöglichen Bedingungen arbeiten müssen”, kritisiert er.
Nachhaltiges Wirtschaften zur Prävention
Für Eduardo Rojas ist das Zauberwort: Prävention. Er ist Professor an der Universität von Valencia, Präsident des Verbandes der Forstingenieure und für die Vereinten Nationen tätig. Der Experte sagt: Im Zuge der Erderwärmung werde es wahrscheinlicher, dass extreme Waldbrände aufträten. Aber gerade im ländlichen Spanien spiele auch ein anderes Phänomen eine wichtige Rolle.
Er zeigt auf die Reste von Ackerterrassen am Hang.
In Spanien hat sich das Problem mit den Bränden seit Ende der 60er-Jahre entwickelt, als alle Leute sich ein Auto leisten konnten. Spanien ist eine Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft und vor allem Tourismus geprägt. Die extensive Landwirtschaft an schwierigen Standorten ist fast völlig verschwunden.
Keine Äcker, kaum noch Beweidung, weniger Feuerholzgewinnung. In einigen Regionen Spaniens sind Wald- und Buschlandschaft im Vormarsch, seit die traditionelle Bewirtschaftung wegfällt. Das bedeutet: viel Biomasse, die in häufigeren extremen Trocken- und Hitzeperioden wie Zunder wirkt.
Klar brauchen wir unsere vielen Feuerwehrleute, Löschfahrzeuge, Hubschrauber und Flugzeuge, sagt Rojas. Aber auch eine Politik, die nachhaltiges Wirtschaften auf dem Land, regionale und vielleicht auch Bioprodukte fördert. Infrastruktur, die das Leben in ländlichen Regionen wieder attraktiver macht, und wieder zu mehr Bewirtschaftung führt.
Klimapakete statt Feuerwehr
Obwohl fast alle Regionen Spaniens von den Bränden in diesem Sommer betroffen waren, den schwersten seit Jahrzehnten, zieht die Politik in Madrid offensichtlich aktuell keine Konsequenzen aus der einmaligen Eskalation der Waldbrandsaison 2022. Auch wenn die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles dies Mitte August noch forderte. Ihre Aufforderung blieb folgenlos.
Längerfristige Maßnahmen gegen den Klimawandel, von dem Spanien besonders betroffen ist, gibt es dagegen schon.
So rief die Regierung von Ministerpräsident Sánchez Anfang 2020 den Klimanotstand aus. Doch die darauffolgende Corona-Pandemie und die damit verbundenen harten Lockdowns verhinderten ein Paket mit konkreten Maßnahmen. 2021 wurde dann ein Klimaschutzgesetz verabschiedet.
Wichtigster Punkt: Bis 2050 soll Spanien klimaneutral werden unter anderem durch eine deutliche Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen, bis 2030 um 23 Prozent, und eine weitere Förderung der Erneuerbaren Energien. Deren Anteil an der Energieversorgung soll auf 42 Prozent steigen.
Keine Chance für Fridays for Future
Es gibt eine Vielzahl von milliardenschweren Förderprogrammen in Spanien, um den CO2-Ausstoß zu senken: zum Beispiel für Gebäudedämmung und E-Mobilität, für den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes bei der Bahn, für Erneuerbare Energien. Außerdem werden Unternehmen unterstützt, die in grünen Wasserstoff investieren.
Doch während die Politik sich an Klimapaketen abarbeitet, haben die Menschen in Spanien ganz andere Sorgen. So lautet das Ergebnis einer Studie eines spanischen Forschungsinstituts, dass Umweltschutz gerade mal bei zwei Prozent der Spanierinnen und Spanier unter den Top drei der drängendsten Probleme liegt.
Für viele vor allem junge Menschen wiegt das Problem der Arbeitslosigkeit viel schwerer. Einen Job zu finden ist für sie wichtiger als der Klimawandel. Was auch erklärt, warum es die Klimaschutzbewegung Fridays for Future so schwer hat, in Spanien Fuß zu fassen.