Waldschutz
Im mecklenburg-vorpommerschen Grambow wird Hündin Bärbel trainiert, um vom Borkenkäfer befallene Bäume zu finden. © Deutschlandradio / Sibylle Kölmel
Mit Hunden gegen Borkenkäfer
07:54 Minuten
Gut ausgebildete Hunde können vieles erschnüffeln – Drogen oder Sprengstoff zum Beispiel. Da kann es kaum überraschen, dass sie auch den größten Schädling des Fichtenwaldes erkennen, bevor man ihn sieht: den Borkenkäfer.
Ein Waldstück bei Grambow, gute zehn Kilometer von Schwerin entfernt. Hier, in der Weite Mecklenburg-Vorpommerns und unter einem pastellfarbenen Spätherbsthimmel, bilden zwei Männer und eine Frau ihre Hunde darin aus, künftig vom Borkenkäfer befallene Bäume zu finden – und diese anzuzeigen.
Es ist der zweite Tag des Fortgeschrittenen-Moduls. Noch arbeiten sie unter Labor-Bedingungen: In keinen der Bäume hier sind die Käfer eingezogen – die Pheromon-Geruchsproben sind einzeln an den Stämmen befestigt. Gerade ist Josef Hallermann mit seiner Deutsch Langhaar Hündin Bärbel an der Reihe – die beiden zeigen, was sie seit der letzten Kurseinheit im Juni erarbeitet haben.
„Wir haben jetzt bei der Bärbel gesehen, dass sie konditionell sehr gut trainiert ist, sie hat auch eine super Such-Kondition als Deutsch Langhaar Hündin, die auch jagdlich eingesetzt wird. Die Schwierigkeit, die sie hat, ist dieses Umstellen: von ‚ich muss jetzt nicht stöbern, ich werde nicht jagdlich geführt‘ – sondern ‚ich suche Käfer‘“, erklärt Susanne von Gersdorff.
Sie ist für die Arbeitsgemeinschaft BODOGS in Deutschland aktiv und leitet die Ausbildungsworkshops gemeinsam mit einem Kollegen. Drei Borkenkäfer-Geruchsproben hängen an drei einige Meter voneinander entfernt stehenden Bäumen, denn sich überlagernde Gerüche sind für die Hunde schwerer zu erkennen.
Fast täglich mehrere Stunden im Wald
Die vierjährige Hündin macht ihre Sache schon ziemlich gut. Das liegt auch daran, dass sie und ihr Besitzer bereits seit Längerem fast täglich mehrere Stunden im Wald unterwegs sind und Borkenkäfer suchen: Josef Hallermann hat selbst einen Forstbetrieb und sucht mit seiner Hündin im Auftrag von Waldbesitzern.
„Ich habe mit Bärbel die Ausbildung zum Borkenkäfer-Spürhund gemacht, damit sie den Käfer erschnüffelt. Man selbst braucht dann nicht mehr jeden Baum absuchen, das macht der Hund für einen“, erklärt er.
Ursprünglich waren Borkenkäfer in den natürlichen Fichtenwäldern der Hochlagen anzutreffen. Dort befallen sie geschwächte Bäume und tragen so zur natürlichen Waldentwicklung bei. In Fichten-Monokulturen allerdings vermehren sich die Käfer nach schweren Stürmen oder langen Hitze- oder Trockenperioden rasend schnell.
Borkenkäfer kommunizieren miteinander über Duftstoffe, die Pheromone. Diese geben die Käfermännchen erstmalig ab, wenn sie bei Temperaturen von über 16 Grad aus ihrem Winterquartier ausschwärmen und einen Baum anbohren. Die Pheromone sollen die Borkenkäferweibchen zur Verpaarung und anschließenden Brut anlocken.
Klappt das, kommt es in diesem Baum zu einer wahren Bevölkerungsexplosion. Mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen – und großem Schaden für die Natur. Wie aber bringt man den Hunden nun das Suchen und Finden der befallenen Bäume bei?
Die Pheromone sind der Schlüssel
„Der erste Schritt, den wir machen, ist, dass wir dem Hund erklären, dass Borkenkäfer toll riecht und dass der Borkenkäfergeruch eine Bedeutung für ihn bekommt“, erklärt Leopold Slotta-Bachmayr, der zweite Kursleiter.
„Wir machen nichts anderes, als dass wir ihm die Dose hinhalten. Und sobald er sich dafür interessiert, wird geklickt. Du gibst dem Hund ein Leckerchen im Geruchsstrom des Borkenkäfergeruchs, sodass du diese Beziehung noch einmal festigst. Und wenn das funktioniert, dann machen wir das insofern schwieriger, dass der Hund den Kopf bewegen muss, dass er ein paar Schritte machen muss, vielleicht auf eine Dose mit Borkenkäfergeruch zulaufen muss. Und er soll sich immer für diesen Geruch interessieren.“
Geübt wird zunächst in möglichst reizarmer Umgebung. Das Überstreifen eines Halsbandes zeigt dem Hund, dass es jetzt um eben diesen speziellen Borkenkäfer-Geruch – und später dann um die Suche danach geht.
Das Riechorgan des Hundes ist hochkomplex aufgebaut. Hunde nutzen ihre Nase vor allem, um sich zu orientieren. Bis zu 220 Millionen Riechzellen helfen ihnen dabei – und auch die Fläche der Nasenschleimhaut, etwa zehnmal so groß wie die der menschlichen Nase, kann deutlich mehr Duftmoleküle zeitgleich aufnehmen und interpretieren.
Schnüffelatmung ist sehr anstrengend
Ein Video-Ausschnitt, dazu Erklärungen: Wenn Gerüche auf die Riechschleimhaut kommen, schnüffeln die Hunde. Mit einer Frequenz von bis zu 300 „Schnüfflern“ in der Minute bombardiert der Hund seine Schleimhäute über die ständig einströmende Luft geradezu mit Duftstoffen.
„Das sieht man, das hört man. Diese Schnüffelatmung ist extrem anstrengend. Also wenn der Hund wirklich intensiv in der Feinsuche Schnüffelatmung betreibt, dann ist er nach 15 bis 20 Minuten total müde. Also man spricht ungefähr von zwei Stunden Spaziergang.“
Heißt: Auch die Borkenkäfersuche ist anstrengend. Für die höchste Zertifizierung findet das Spürhundeteam auf 60 Hektar die befallenen Bäume innerhalb von acht Stunden – natürlich unterbrochen von Ruhepausen. Der Hund ist schnell und genau, er findet 90 Prozent der Bäume – der Mensch nicht mehr als 60 Prozent. Und: Der Hund findet außerhalb der Vegetationsperiode auch die befallenen Bäume, die Menschen nicht erkennen. Je schneller entdeckt – desto weniger kann sich der Käfer ausbreiten.
Am nächsten Morgen, nach dichtem Frühnebel und im ersten Sonnenlicht, geht es draußen weiter: „Als Nächstes machen wir eine Anzeigen-Runde, da geht es jetzt darum, auf den Geruch das konditionierte Anzeigeverhalten zu zeigen.“ Den Fund zeigt der Hund durch Bellen an, durch Aufstellen am Baum oder indem er sich vor diesen legt.
Die Deutsch Langhaar Hündin Bärbel läuft auf den Baum zu, erkennt ihn, legt sich hin und bringt die Anzeige. Diese ist bei der Hündin inzwischen so fest verankert, dass das für sie selbstverständlich zu der Verhaltenskette dazu gehört. Wer als Borkenkäfer-Spürhunde-Team arbeiten möchte, sollte, sowohl als Mensch als auch als Hund, eine hohe Arbeitsbereitschaft haben – und fit sein.