Wo die DDR-Elite wohnte
In der DDR-Siedlung Wandlitz lebte die politische DDR-Elite, abgeschottet vom Rest des Volkes. Kaum einer durfte hier rein – und so hielten sich beständig Gerüchte von Luxuspalästen und goldenen Wasserhähnen. Nun ist die DDR-Elitesiedlung unter Denkmalschutz gestellt worden.
Durch das von Fritz Kühn gestaltete gusseiserne Haupttor am Wachgebäude kann heute jeder in die einst abgeschottete Funktionärssiedlung hinein spazieren: Nach der Wende hatten die eben noch Mächtigen bis zum Januar 1990 auszuziehen.
Der massive Zaun drumherum kam weg. Seit Sommer 1990 residiert in den ehemaligen Häusern von Erich Honecker, Walter Ulbricht, Erich Mielke und Egon Krenz eine Reha-Klinik mit Altersheim.
"Schauen Sie hier: Hier stand eine Skulptur, die wurde als erste weg gerissen."
Die Waldsiedlung für die Nomenklatura wurde von 1958 an mitten in ein Waldstück gebaut. Die großzügigen und von dem Gartenarchitekten Hugo Namslauer kunstvoll angelegten Grünflächen sind erhalten. Doch die Skulpturen von namhaften Künstlern der DDR, die einst das Auge der im Garten lustwandelnden Parteifunktionäre erfreuen sollte, sind weitgehend verschwunden.
Keine Luxuspalästen mit goldenen Wasserhähnen
Das beklagt Paul Bergner beim Gang über die Wiese. Dass die Stadt Bernau sie in Depots in Sicherheit gebracht hat, tröstet ihn kaum: Der Hobby-Historiker aus dem benachbarten Dorf Wandlitz beschäftigt sich seit Jahren mit dem Schicksal der Waldsiedlung.
"Ich habe hier gearbeitet. Ich habe nach der Wende - als Offizier flogen wir auf die Straße und sollten zusehen, wie wir irgendwie klarkommen - Arbeit gesucht und wurde hier als Gartenarbeiter eingestellt. Ich war unter 40 Gärtnern der einzige neue, meine Kollegen erzählten tolle Dinge, in den Zeitungen stand Schwachsinn und da beschloss ich: Schreib das mal auf für deine Enkelkinder, die sollen eines Tages entscheiden, wem sie glauben und wem nicht."
Dass die Geschichten von Luxuspalästen mit goldenen Wasserhähnen übertrieben waren, das war Paul Bergner schon vor der Wende ziemlich klar. Doch als er die Siedlung dann an seinem ersten Arbeitstag zum ersten Mal betrat, war er doch sehr ernüchtert:
"Und ehrlich, als ich mit dem Fahrrad da durchfuhr, ich habe nicht viel erwartet, aber dass es so wenig ist, das war enttäuschend, wirklich im Sinne des Wortes."
Afrikanische Potentaten lassen sich gigantische Marmor-Paläste in den Dschungel klotzen, Erdogans Residenz in Ankara hat 1.100 Zimmer - doch die Partei- und Staatsführung der DDR?
"Und ehrlich, als ich mit dem Fahrrad da durchfuhr, ich habe nicht viel erwartet, aber dass es so wenig ist, das war enttäuschend, wirklich im Sinne des Wortes."
Afrikanische Potentaten lassen sich gigantische Marmor-Paläste in den Dschungel klotzen, Erdogans Residenz in Ankara hat 1.100 Zimmer - doch die Partei- und Staatsführung der DDR?
Etwas grau, etwas spießig
Paul Bergner steuert auf das ehemalige Wohnhaus von Walter Ulbricht zu und in der Tat: Jeder Handwerksmeister hätte sich damals ein luxuriöseres Heim gebaut, als diesen einfachen, zweistöckigen Bau mit Satteldach.
Die schmucklose Fassade erinnert gar an einen Plattenbau. Für DDR-Verhältnisse luxuriös war allerdings das Raumangebot im Inneren mit 200 Quadratmetern und bis zu 15 Zimmern, erklärt Ilona Rohowsky vom Landesamt für Denkmalpflege. Am Haus von Walter und Lotte Ulbricht könne man gut sehen, wie die austauschbaren Grundrisse aussahen.
15 Zimmer, Küche, Bad
"Ein relativ großer Eingangsraum mit einer Treppe, wieder mit Geländer von Fritz Kühn, dann ein Teil, wo Küche und Vorratsräume, Speisekammer, Putzmittel, dann ein Garderobenbereich. Und hier lagen also Speisezimmer, Wohnzimmer und so weiter, alles nach Süden gerichtet."
Die Häuser hatten große Fenster zum Garten und wurden ganz nach den Wünschen der Bewohner auf Staatskosten eingerichtet. Walter Ulbricht zum Beispiel hatte sich für seine vielen Bücher einen großen Anbau errichten lassen. Die originalen, nach Architektenentwürfen aus braunem Holz getischlerten Regale und Schränke der Bibliothek sind in einem guten Zustand, freut sich Denkmalschützerin Rohowsky.
Die Häuser hatten große Fenster zum Garten und wurden ganz nach den Wünschen der Bewohner auf Staatskosten eingerichtet. Walter Ulbricht zum Beispiel hatte sich für seine vielen Bücher einen großen Anbau errichten lassen. Die originalen, nach Architektenentwürfen aus braunem Holz getischlerten Regale und Schränke der Bibliothek sind in einem guten Zustand, freut sich Denkmalschützerin Rohowsky.
"Bei der Unter-Schutz-Stellung dieser Räumlichkeiten geht es uns gar nicht so vorrangig um den Buchbestand, sondern um das, was jetzt hier noch an festen Einbauten ist. Es ist der Fußboden, der sich hier unter diesem Teppich befindet, da ist der alte, originale Fußboden drunter, es sind die Lampen, die hier diskret abgehängt wurden, nicht beseitigt wurden, und es ist auch dieses Fenster, was wir hier hinten sehen. Und das sind so eigentlich die Elemente, an denen dann doch noch einiges deutlich wird."
23 Häuser unter Denkmalschutz
Deswegen hat das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege das komplette Areal samt den 23 ehemaligen Wohnhäusern der SED-Eliten, dem früheren Funktionärsclub und dem Gartenensemble unter Schutz gestellt. Landeskonservator Thomas Drachenberg zählt die vier Gründe auf:
"Orts- und Zeitgeschichte, Baugeschichte, künstlerische und gartenhistorische Gründe und die wissenschaftliche Bedeutung, das sind die vier Gründe, weswegen wir diese Siedlung unter Denkmalschutz gestellt haben."
"Orts- und Zeitgeschichte, Baugeschichte, künstlerische und gartenhistorische Gründe und die wissenschaftliche Bedeutung, das sind die vier Gründe, weswegen wir diese Siedlung unter Denkmalschutz gestellt haben."
Nach Wissen des Landesamtes sei es weltweit wohl ziemlich einmalig, dass ein Regime seine komplette Regierung in eine abgeschottete Geheimsiedlung verfrachtet, erzählt Drachenberg. Für Politbüromitglieder war es nämlich obligatorisch, mit den Kollegen zusammen unter dem wachsamen Auge der Stasi in Wandlitz zu wohnen.
"Und sie haben eine gemeinsame Freifläche, eine gemeinsame Freifläche. Wir wissen heute, dass, sobald die Leute da angefangen haben hinzuziehen, die ersten Aufträge kamen, um sich Hecken zwischen die Häuser zu bauen, damit man den Nachbarn nicht sieht und so wenig wie möglich mit dem Nachbarn zu tun hat. Also auch das ist sozialgeschichtlich interessant, dass – das weiß man heute – innerhalb des Politbüros die Kommunikation sehr brüchig war und warum war sie brüchig? Weil sie von Verdacht durchzogen war."
"Und sie haben eine gemeinsame Freifläche, eine gemeinsame Freifläche. Wir wissen heute, dass, sobald die Leute da angefangen haben hinzuziehen, die ersten Aufträge kamen, um sich Hecken zwischen die Häuser zu bauen, damit man den Nachbarn nicht sieht und so wenig wie möglich mit dem Nachbarn zu tun hat. Also auch das ist sozialgeschichtlich interessant, dass – das weiß man heute – innerhalb des Politbüros die Kommunikation sehr brüchig war und warum war sie brüchig? Weil sie von Verdacht durchzogen war."
Raus aus Wandlitz in die Datsche
Weshalb sich die privilegierten Bewohner des vermeintlichen Paradieses am Wochenende in ihre Datschen in irgendeinem Naturschutzgebiet geflüchtet haben, meint Drachenberg. Das Landesamt für Denkmalpflege hat die Siedlung übrigens kurz nach der Wende schon einmal unter die Lupe genommen, damals aber für nicht erhaltenswert befunden.
"Weil wir damals selber Teil der Zeitgeschichte waren und nicht den Rückblick und den Überblick auf die Ereignisse hatten, haben konnten. Den konnten wir erst jetzt haben, also auch die Einschätzung, dass diese Nicht-Architektur den Denkmalwert ausmacht, da konnten wir jetzt erst dazu kommen. Das heißt, es braucht immer eine abgeschlossene Epoche, die man dann auch bewerten und wichten kann und sagen kann: Das ist das Wertvolle aus dieser Epoche und das ist nicht wertvoll aus dieser Epoche."
"Weil wir damals selber Teil der Zeitgeschichte waren und nicht den Rückblick und den Überblick auf die Ereignisse hatten, haben konnten. Den konnten wir erst jetzt haben, also auch die Einschätzung, dass diese Nicht-Architektur den Denkmalwert ausmacht, da konnten wir jetzt erst dazu kommen. Das heißt, es braucht immer eine abgeschlossene Epoche, die man dann auch bewerten und wichten kann und sagen kann: Das ist das Wertvolle aus dieser Epoche und das ist nicht wertvoll aus dieser Epoche."
Die aus dem Westen stammende Familie Michels, die auf dem Areal seit 1990 eine Reha-Klinik betreibt und das Gelände auf 99 Jahre gepachtet hat, dachte von Anfang an anders. Kai-Uwe Michels:
"Uns war natürlich von der ersten Sekunde an schon klar, dass wir dort nicht irgendwo tätig werden. Sondern an einem Ort, der für die damals noch zwei deutschen Staaten doch etwas Besonderes war. Und ja auch heute noch ist."
"Uns war natürlich von der ersten Sekunde an schon klar, dass wir dort nicht irgendwo tätig werden. Sondern an einem Ort, der für die damals noch zwei deutschen Staaten doch etwas Besonderes war. Und ja auch heute noch ist."
Als ob es unter Denkmalschutz stehen würde
Was vom Innenleben der Funktionärs-Häuser in den Wende-Wirren nicht geplündert oder vernichtet worden war, versuchten die Michels für die Nachwelt zu bewahren. Landeskonservator Thomas Drachenberg ist voll des Lobes:
"Und das Wunderbare finde ich, dass ohne Denkmalschutz, also ohne den Zwang, der Klinikbetreiber sich so verhalten hat, als ob es unter Denkmalschutz stehen würde, was das Beste ist, was einem Denkmalpfleger passieren kann."
Im Haus von Walter und Lotte Ulbricht will der Klinikbetreiber künftig ein kleines Wandlitz-Museum einrichten. Bislang weist nämlich außer einer Handvoll Informationsstelen nichts auf die Vergangenheit hin.
Dabei gibt noch viele offene Fragen, zum Beispiel, wie die Beziehungen zwischen der Funktionärssiedlung und dem benachbarten Dorf Wandlitz aussahen. Die prominente, geheimnisumflorte Nachbarschaft sei für das Dorf ganz normal gewesen, meint Hobby-Historiker Paul Bergner, der über die Siedlung ein Sachbuch geschrieben hat. Das Dorf habe davon profitiert, dass die Politbüro-Mitglieder hinter den Mauern unbegrenzten Zugriff auf Waren aus dem Westen hatten.
"Und das Wunderbare finde ich, dass ohne Denkmalschutz, also ohne den Zwang, der Klinikbetreiber sich so verhalten hat, als ob es unter Denkmalschutz stehen würde, was das Beste ist, was einem Denkmalpfleger passieren kann."
Im Haus von Walter und Lotte Ulbricht will der Klinikbetreiber künftig ein kleines Wandlitz-Museum einrichten. Bislang weist nämlich außer einer Handvoll Informationsstelen nichts auf die Vergangenheit hin.
Dabei gibt noch viele offene Fragen, zum Beispiel, wie die Beziehungen zwischen der Funktionärssiedlung und dem benachbarten Dorf Wandlitz aussahen. Die prominente, geheimnisumflorte Nachbarschaft sei für das Dorf ganz normal gewesen, meint Hobby-Historiker Paul Bergner, der über die Siedlung ein Sachbuch geschrieben hat. Das Dorf habe davon profitiert, dass die Politbüro-Mitglieder hinter den Mauern unbegrenzten Zugriff auf Waren aus dem Westen hatten.
Einkaufen beim "dicken Kurt"
"Wir hatten in Wandlitz den dicken Kurt, Lebensmittel, privat. Der war besser versorgt wie manche Berliner Kaufhalle."
Die Wut vieler DDR-Bürger über die Privilegien der herrschenden Klasse mag Frau Bergner nicht teilen. Dass sie nach der Wende beim Einkauf im Westen als Wandlitzerin angefeindet wurde, empört sie heute noch.
"Und wenn nun heute über Bonzen gesprochen wird, ist das für mich nicht richtig, denn das war ja unsere Regierung, ja? Und viele von diesen Leuten haben im KZ gesessen und sind dadurch geprägt."
Auf dem Rückweg zum Haupttor macht Paul Bergner am Funktionärsclub halt.
Die Wut vieler DDR-Bürger über die Privilegien der herrschenden Klasse mag Frau Bergner nicht teilen. Dass sie nach der Wende beim Einkauf im Westen als Wandlitzerin angefeindet wurde, empört sie heute noch.
"Und wenn nun heute über Bonzen gesprochen wird, ist das für mich nicht richtig, denn das war ja unsere Regierung, ja? Und viele von diesen Leuten haben im KZ gesessen und sind dadurch geprägt."
Auf dem Rückweg zum Haupttor macht Paul Bergner am Funktionärsclub halt.
"Wir haben hier gut für 23 Familien eine eigene Gaststätte plus bevorrechtete Dienstboten, Ärztepersonal. Diesen Kreis, den Sie hier sehen, der ist bei mir im Buch beschrieben, das war ein Forellenteich."
Der Teich ist ausgetrocknet, doch der Veranstaltungssaal des Funktionärsclubs mit seiner Originalausstattung steht nun auch unter Denkmalschutz. Paul Bergner ist darüber nicht hundertprozentig glücklich.
Der Teich ist ausgetrocknet, doch der Veranstaltungssaal des Funktionärsclubs mit seiner Originalausstattung steht nun auch unter Denkmalschutz. Paul Bergner ist darüber nicht hundertprozentig glücklich.
Voller Misstrauen untereinander
"Halb-halb, es ist zu spät. Es ist so viel unwiederbringlich weg. Sie sehen hier beispielsweise den Funktionärsclub im heutigen Zustand. Ich zeige Ihnen zum Vergleich ein Bild, wie dieser Funktionärsclub denn einmal aussah. Das ist nun von vorne hier, grau, Betonziegel, heute gebrannte Steine – also es ist nicht mehr das, was es gab."
Doch vieles gibt es auch noch zu sehen in Wandlitz. Und vor allem bekommt der Besucher angesichts der Architektur gewordenen Banalität ein Gefühl dafür, wie sich Herrschaft in der DDR manifestierte: Grau und spießig, ängstlich versteckt nicht nur vor der eigenen Bevölkerung, sondern auch voller Misstrauen selbst untereinander.
Doch vieles gibt es auch noch zu sehen in Wandlitz. Und vor allem bekommt der Besucher angesichts der Architektur gewordenen Banalität ein Gefühl dafür, wie sich Herrschaft in der DDR manifestierte: Grau und spießig, ängstlich versteckt nicht nur vor der eigenen Bevölkerung, sondern auch voller Misstrauen selbst untereinander.