"Walter Benjamin. Leben, Werk, Wirkung"

Rezensiert von Michael Opitz · 25.04.2005
Unter den ersten sechs Biographien, die der Suhrkamp Verlag im April diesen Jahres in der neuen Reihe der so genannten BasisBiographien vorgelegt hat, findet sich neben Hermann Hesse, Friedrich Schiller, Hans Christian Andersen, Buddha, Che Guevara auch die von Momme Brodersen geschriebene Biographie über Walter Benjamin. Als Kenner des Benjaminschen Werkes hat sich Brodersen nicht zuletzt durch sein 1990 erschienenes Buch Spinne im eigenen Netz. Walter Benjamin Leben und Werk ausgewiesen.
Der jüdische Intellektuelle Walter Benjamin war mit so unterschiedlichen Geistesgrößen wie Gershom Scholem, Ernst Bloch, Theodor W. Adorno und Bertolt Brecht befreundet. Nach dem Scheitern seiner akademischen Laufbahn hat er sich besonders in den zwanziger und dreißiger Jahren als engagierter Literaturkritiker einen Namen in der Öffentlichkeit gemacht. Die Rezeption seiner Schriften, Benjamin beging 1940 in dem spanischen Grenzort Port Bou Selbstmord, weil er die Auslieferung nach Deutschland fürchten musste, was einer Deportation in ein Konzentrationslager gleichgekommen wäre, setzte Mitte der fünfziger Jahre ein. Dabei stand auch ein so berühmter Text wie Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit im Zentrum der Aufmerksamkeit, in dem Benjamin beschreibt, zu welchen Veränderungen im Kunst- und Wahrnehmungsprozess insbesondere die Entwicklung des Films geführt hat. Es zeichnet Benjamins Texte aus, dass sie philosophisch erdacht und poetisch geschrieben sind. Als Bertolt Brecht im Sommer 1941 die Nachricht vom Tod Walter Benjamins erhielt, soll er gesagt haben, dies sei der erste wirkliche Verlust, den Hitler der deutschen Literatur zugefügt hat.

Mit den BasisBiographien soll Grundlagenwissen vermittelt werden - sie sind als Erstorientierung gedacht. Neu ist die Idee der Wissensvermittlung durch Taschenbuchmonographien nicht: der Rowohlt Verlag ist mit seinen Bildmonographien seit Jahren auf diesem Marktsektor führend, hat aber in den letzten Jahren durch den Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) Konkurrenz bekommen. Nun meldet auch der Suhrkamp Verlag mit seinen Biographien Interesse an Marktanteilen an. Auffällig ist die übersichtliche Gliederung der in Leben, Werk, Wirkung unterteilten Suhrkamp Biographien, wodurch der Nachschlagecharakter betont wird. Auf 160 Seiten und zum Einheitspreis von 7,90 Euro soll nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Lesevergnügen bereitet werden.

An Brodersens Benjamin-Biographie lassen sich aber auch die Probleme der Dreiteilung in "Leben, Werk, Wirkung" und des vorgeschriebenen Seitenumfangs verdeutlichen. Während es überzeugend gelingt, die Lebensdaten Benjamins anschaulich werden zu lassen, erweist es sich als durchaus kompliziert, einen so komplexen Text wie den frühen Sprachaufsatz Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen oder Benjamins mehr als tausend Seiten umfassenden Passagen-Werk in wenigen Sätzen für den Leser erhellend zu beschreiben. Geradezu verschenkt werden jedoch die Möglichkeiten des Wirkungsteils, der den Suhrkamp Biographien einen sehr eigenen und originären Charakter hätte verleihen können. Denn anhand der Wirkungsgeschichte des Benjaminschen Werkes, man denke nur an die sehr unterschiedlichen Rezeptionen seiner Schriften in der Bundesrepublik und der DDR, ließen sich höchst aufschlussreiche Aussagen über den Umgang mit einem Autor und seinen Texten treffen. Es wird sich zeigen, ob der Verlag auch künftig den viel zu geringen Umfang, der für den Wirkungsteil vorgesehen ist, bei den für den Herbst vorgesehenen Biographien über Heinrich Heine, Isabel Allende, Ludwig Wittgenstein und Wolfgang Amadeus Mozart beibehalten will.

Momme Brodersen: Walter Benjamin. Leben, Werk, Wirkung
Suhrkamp BasisBiographien
Frankfurt am Main 2005. 7,90 Euro