Walter Isaacson: "Der Codebreaker"

Chronik einer bahnbrechenden Entdeckung

08:19 Minuten
Cover zu „Der Codebreaker. Wie die Erfindung der Genschere die Zukunft der Menschheit für immer verändert" von Walter Isaacson
© Ecowin Verlag

Walter Isaacson

Übersetzung von Michael Müller

Der Codebreaker. Wie die Erfindung der Genschere die Zukunft der Menschheit für immer verändertEcowin, Salzburg 2022

704 Seiten

36,00 Euro

Von Volkart Wildermuth · 27.05.2022
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Die Genschere CRISPR ermöglicht, die DNA präzise zu durchtrennen. Gene können so ausgeschaltet, oder neue Abschnitte können eingefügt werden. Das eröffnet neue Behandlungsmethoden, wirft ethische Fragen auf – und nebenbei geht es auch um viel Geld.
Walter Isaacson nähert sich der Erfindung der Genschere, also CRISPR, vor allem über die Forscherinnen und Forscher, die diese Methode entdeckt und dann nutzbar gemacht haben. Und das sehr direkt, in einem fast schon aufmerksamkeitsheischenden Schreibstil.
Seine Protagonistin, die spätere Nobelpreisträgerin Jennifer Anne Doudna stellt er so vor: "Als Doudna im Saal vor die Anwesenden trat, ging etwas Intensives von ihr aus, dass sie gewöhnlich hinter einer Fassade der Gelassenheit verbarg.“
Der amerikanische Journalist ist vor allem Chronist. Er erwähnt jeden Schritt auf dem langen Weg von der Grundlagenforschung hin zu börsengehandelten Unternehmen und zum Nobelpreis. Das ist mitunter spannend, wenn er etwa davon erzählt, wie die historischen Proben von Viren und Bakterien eines Joghurtherstellers auf die Spur von CRISPR führten. Oder wie eine vierfache Mutter dank CRISPR von ihrer Sichelzellenanämie geheilt wurde, kann aber auch ermüden: Von allen Doktoranden erfährt man biografische Details.

Wie CRISPR genau funktioniert, bleibt schwammig

Obwohl Isaacson immer wieder betont, wie wichtig Biochemie und Zellbiologie sind, bleiben die wissenschaftlichen Hintergründe dabei oft schwammig. Es gibt auch nur eine karge Grafik zur Funktion von CRISPR, dafür unzählige Fotos der beteiligten Forscherinnen und Forscher.
Richtig Fahrt nimmt das Buch erst auf, als es um die Konkurrenz der Labore geht, um den Kampf um Patente. „Um die Sache zu klären, hörte ich die verschiedenen miteinander im Streit liegenden Parteien im Wechsel an“, erzählt der Autor – und das stundenlang. Hier geht es wirklich um Forschung, etwa um die lange übersehene tracrRNA, ohne die die Genschere CRISPR einfach nicht schneidet.

Genveränderte Babys und ethische Grenzen

Der zweite Höhepunkt des Buches ist die Geschichte von He Jiankui: „All die hochfliegenden Diskussionen, die Ethiker über Keimbahn-Editieren geführt hatten, wurden jäh von einem ehrgeizigen jungen Chinesen obsolet gemacht, der Geschichte schreiben wollte.“ Indem er der Welt überraschend zwei mit CRISPR genveränderte Babys präsentierte.
Dabei gibt Isaacson keine klaren Antworten auf die ethischen Herausforderungen, sondern fächert die Probleme plastisch über viele Beispiele auf. Die Sichelzellenanämie aus der Welt zu schaffen, klingt moralisch logisch. Aber sollten schwarze Eltern ihre Kinder per CRISPR hellhäutiger machen dürfen, wenn sie das wünschen? Das bietet Stoff zum Nachdenken. Auch über die Frage, ob sich die Gesellschaft CRISPR-Therapien überhaupt leisten kann, schließlich könnten sie „potenziell zum Bankrott des Gesundheitssystems führen“.

Einblick ins Forscherleben

Unterm Strich gewährt „Der Codebreaker“ interessante Einblicke in die Welt der Forschung und bietet damit genügend Hintergrundwissen für eine ethische Debatte. An einer Stelle schreibt er: „Es ist gut, feste Ansichten zu gentechnischen Veränderungen von Erbanalgen zu haben, noch besser wäre es, zu wissen, was eigentlich ein Gen ist.“ Leider hilft genau da sein Buch kaum weiter. Wer wirklich verstehen will, wie CRISPR funktioniert, muss sich anderswo informieren.

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