Walter Krämer über Kirsten Boies Kritik

"Wir sind in einem freien Land – da muss man keine Preise annehmen"

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Porträt von Walter Krämer.
Sieht in der Sprachkritik keine Fortschritte: Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache. © dpa / picture alliance / Uwe Zucchi
Walter Krämer im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Die Schriftstellerin Kirsten Boie lehnt eine Ehrung des Vereins Deutsche Sprache ab – mit Verweis auf den Vorsitzenden Walter Krämer, der von "Meinungsterror" und "Genderwahn" rede. Das sei ihr gutes Recht, sagt Krämer und verteidigt seine Positionen.
Mit "Ritter Trenk" oder "Wir Kinder aus dem Möwenweg" wurde Kirsten Boie zu einer der berühmtesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen des Landes. Am 25. November 2020 wollte der Hamburger Verband des "Vereins Deutsche Sprache" sie für ihr Werk ehren.
Doch daraus wird nichts: Boie hat die Ehrung abgelehnt und sagt in ihrer Begründung: "Es liegt am Bundesvorsitzenden Walter Krämer, der vom ,Meinungsterror einer linken Lügenpresse’ spricht, von der ,Überfremdung der deutschen Sprache’ und vom ,Genderwahn’. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der wir mit Sorge einen Rechtsruck in Teilen der Bevölkerung beobachten müssen."
Diese Absage sei "ihr gutes Recht", kommentiert Walter Krämer die Entscheidung: "Wir sind in einem freien Land, da muss man keine Preise annehmen". Die Auszeichnung sei eine von etwa einem Dutzend regionaler Anerkennungen, die der Verein jährlich vergebe. "Wenn einer von den Geehrten denkt, es passt ihm nicht, dann passt es ihm oder ihr nicht."

Linkslastige Medien

Dass Krämer für seine politischen Ansichten angegriffen wird, sei normal. Gerade Liberale, zu denen sich Krämer als Mitglied der FDP zählt, seien eine "beliebte Zielscheibe" in den Medien. Und diese Medien als "linkslastig" zu bezeichnen, sei "mehr als gerechtfertigt".
Als Beleg erwähnt Krämer die Berichterstattung rund um die Kölner Silvesternacht 2015, als zunächst nicht über das Ausmaß der Übergriffe und sexualisierten Gewalt berichtet worden sei.

"Partei für die deutsche Sprache ergreifen"

Zu dem offenen Brief aus dem Jahr 2016, in dem Linguistik-Professorinnen und -Professoren Krämer einen "intoleranten, unaufgeklärten Sprachpurismus" vorgeworfen haben, entgegnet Krämer: Es gebe viel mehr Linguisten, die meinten, es wäre höchste Zeit, "dass mal jemand Partei für die deutsche Sprache ergreift" und "die unsäglichen Verhunzungen und Eingriffe in die grammatische Struktur der Sprache durch die feministische Sprachkritik" eindämme.
Diese Sprachkritik würde dazu führen, "dass das Deutsche für Ausländer nicht mehr so leicht zu lernen" sei, und dass man sich "nicht mehr so gefühlvoll melodisch ausdrücken kann, wie das Goethe und Schiller noch durften und konnten".

Verarmung der Sprache

Dem Einwand, dass sich Sprache und Gesellschaft weiterentwickeln würden, stimmt Krämer zwar zu. Jedoch komme es darauf an, wer diese Entwicklung präge. Laut Krämer sollte diese "das Sprachvolk von unten" bestimmen – und nicht "eine Ideologenclique von oben".
Konkret sei zum Beispiel das generische Maskulinum bei Berufsbezeichnungen wie "Bäcker" ein großer Vorteil, sagt Krämer. Denn der Begriff meine alle Geschlechter mit: "Wenn man sämtliche Substantive mit einer sexuellen Bedeutung auflädt, ist das kein Fortschritt, sondern ein riesiger Rückschritt, der unsere Sprache ärmer macht und Ausdrucksmöglichkeiten einschränkt."
Krämer sagt, er selbst sei zwar jetzt in einem Alter, in dem man keine Kinderbücher mehr lese, und habe Boie bisher nicht gekannt. Er werde jetzt aber eines von ihren Büchern lesen: "Und ich gehe davon aus, nach den vielen Lobliedern, die ich über sie gehört habe, dass das ein schönes Buch sein wird."
(sed)
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