Walter Levin und das LaSalle Quartett

"Ein jugendlicher Opernnarr, die Pogromnacht und eine überstürzte Ausreise (Berlin 1933-38)", so heißt die vierte Folge der Sendereihe mit Walter Levin, dem ehemaligen Primarius des LaSalle Quartetts. Trotz der zunehmenden Gefährlichkeit wird die Berliner Staatsoper zum bevorzugten Aufenthaltsort für den jungen Levin. Die schrecklichen Ereignisse des 9. November 1938 zwingen die Familie schließlich zur Flucht nach Palästina.
Im Gespräch mit Werner Grünzweig und Wolfgang Hagen erzählt Walter Levin nicht nur die Geschichte des LaSalle Quartetts, sondern ruft auch wichtige Momente des Musiklebens des 20. Jahrhunderts ins Gedächtnis. Illustriert werden seine lebendigen Erinnerungen mit Ausschnitten seltener historischer Aufnahmen oder bisher nicht gesendeter Konzert-Mitschnitte aus dem Archiv des Quartetts. Im Anschluss an das Studio-Gespräch erklingt jeweils ein ganzes Werk in einer Aufnahme des LaSalle Quartetts.

Der in Berlin geborene Geiger Walter Levin, der am sechsten Dezember des Jahres 2009 seinen 85. Geburtstag feiert, stammt aus einer begüterten jüdischen Familie. Er lebte mit seinen Eltern von 1924 bis 1938 in Berlin-Dahlem, bis die ganze Familie 1938 nach Palästina emigrieren musste. Ab 1946 studierte er Violine bei Ivan Galamian an der Juilliard School of Music New York. Noch als Student gründete Levin das LaSalle Quartet, dessen Erster Geiger er bis 1987 war. Von 1953 bis 1989 unterrichtete er am College Conservatory of Music der Universität von Cincinnati (Ohio). Das LaSalle Quartett unternahm Konzerttourneen in der ganzen Welt und legte Maßstab setzende Schallplattenaufnahmen vor: das gesamte Œuvre für Streichquartett von Schönberg, Berg und Webern; Quartette von Beethoven, Brahms, Mendelssohn, Wolf und Zemlinsky; Quintette von Schubert und Schumann. Viele zeitgenössische Werke wurden eigens für das LaSalle Quartett komponiert und ihm gewidmet, so von György Ligeti, Luigi Nono, Michael Gielen, Mauricio Kagel und Witold Lutosławski. Im Mai 1987 beendete das LaSalle Quartett nach über 40 Jahren seine Konzerttätigkeit.

Heute bildet Walter Levin Streichquartette in vielen Ländern Europas aus und leitet Kammermusik-Kurse in Basel, Paris und Madrid. Hinzu kommen Gesprächskonzerte mit jungen Quartetten, Aufsätze, Radio- und Fernsehsendungen über Aspekte der Interpretation. Viele der wichtigsten Streichquartette haben in den letzten Jahrzehnten mit Walter Levin zusammengearbeitet, so das Alban Berg-, Artis-, Pražak-, Kuss-, Casals- und Artemis-Quartett.

Seitdem Walter Levin 1991/92 als Fellow dem Wissenschaftskolleg angehört, ist er zusammen mit seiner Frau Evi jedes Jahr nach Berlin zurückgekehrt, um lecture recitals am Wissenschaftskolleg wie für ein größeres Publikum im Rundfunk zu geben.

Wolfgang Hagen und Werner Grünzweig im Gespräch mit Walter Levin

Mit Ausschnitten aus:

Giuseppe Verdi
"Ritorna vincitor", Szene und Romanze der Aida
aus: "Aida"
Dusolina Gianini, Sopran – Aida
New York Philharmonic Orchestra
Leitung: Arturo Toscanini
Aufnahme New York 1936

Wolfgang Amadeus Mozart
"Der Hölle Rache", Arie der Königin der Nacht
aus: "Die Zauberflöte"
Erna Berger, Sopran – Königin der Nacht
Berliner Philharmoniker
Leitung: Thomas Beecham
Aufnahme 1938

Giuseppe Verdi
"Mio padre, Tutte le feste, Si vendetta", Duett Gilda/Rigoletto
aus: "Rigoletto"
Erna Berger, Sopran – Gilda
Heinrich Schlusnus, Bariton – Rigoletto
Chor der Staatsoper Berlin
Orchester der Staatsoper Berlin
Leitung: Roland Heger
Aufnahme Berlin 1944

Anschließend:

Maurice Ravel
Streichquartett F-Dur
LaSalle Quartett
Aufnahme Radio Bremen 1961