Walter Levin und das LaSalle Quartett

Er gehört zu den erst spät Wiederentdeckten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts: der Komponist Alexander Zemlinsky, bekannt vor allem als Lehrer und Freund von Arnold Schönberg. In Folge 23 unserer Sendereihe stellt Walter Levin, der ehemalige Primarius des LaSalle Quartetts, die Geschichte dieser wechselvollen Beziehung dar. Und er erinnert sich, wie das Quartett dazu beitrug, Zemlinsky auch als Komponist und Dirigent wieder ins Bewusstsein zu rufen.
Im Gespräch mit Werner Grünzweig und Wolfgang Hagen erzählt Walter Levin nicht nur die Geschichte des LaSalle Quartetts, sondern ruft auch wichtige Momente des Musiklebens des 20. Jahrhunderts ins Gedächtnis. Illustriert werden seine lebendigen Erinnerungen mit Ausschnitten seltener historischer Aufnahmen oder bisher nicht gesendeter Konzert-Mitschnitte aus dem Archiv des Quartetts. Im Anschluss an das Studio-Gespräch erklingt jeweils ein ganzes Werk in einer Aufnahme des LaSalle Quartetts.

Der in Berlin geborene Geiger Walter Levin, der am sechsten Dezember des Jahres 2009 seinen 85. Geburtstag feiert, stammt aus einer begüterten jüdischen Familie. Er lebte mit seinen Eltern von 1924 bis 1938 in Berlin-Dahlem, bis die ganze Familie 1938 nach Palästina emigrieren musste. Ab 1946 studierte er Violine bei Ivan Galamian an der Juilliard School of Music New York. Noch als Student gründete Levin das LaSalle Quartet, dessen Erster Geiger er bis 1987 war. Von 1953 bis 1989 unterrichtete er am College Conservatory of Music der Universität von Cincinnati (Ohio). Das LaSalle Quartett unternahm Konzerttourneen in der ganzen Welt und legte Maßstab setzende Schallplattenaufnahmen vor: das gesamte Œuvre für Streichquartett von Schönberg, Berg und Webern; Quartette von Beethoven, Brahms, Mendelssohn, Wolf und Zemlinsky; Quintette von Schubert und Schumann. Viele zeitgenössische Werke wurden eigens für das LaSalle Quartett komponiert und ihm gewidmet, so von György Ligeti, Luigi Nono, Michael Gielen, Mauricio Kagel und Witold Lutosławski. Im Mai 1987 beendete das LaSalle Quartett nach über 40 Jahren seine Konzerttätigkeit.

Heute bildet Walter Levin Streichquartette in vielen Ländern Europas aus und leitet Kammermusik-Kurse in Basel, Paris und Madrid. Hinzu kommen Gesprächskonzerte mit jungen Quartetten, Aufsätze, Radio- und Fernsehsendungen über Aspekte der Interpretation. Viele der wichtigsten Streichquartette haben in den letzten Jahrzehnten mit Walter Levin zusammengearbeitet, so das Alban Berg-, Artis-, Pražak-, Kuss-, Casals- und Artemis-Quartett.

Seitdem Walter Levin 1991/92 als Fellow dem Wissenschaftskolleg angehört, ist er zusammen mit seiner Frau Evi jedes Jahr nach Berlin zurückgekehrt, um lecture recitals am Wissenschaftskolleg wie für ein größeres Publikum im Rundfunk zu geben.

Wolfgang Hagen und Werner Grünzweig im Gespräch mit Walter Levin

Mit Ausschnitten aus:

Alexander Zemlinsky
Streichquartett Nr. 3 op. 19
4. Satz Burleske Sehr lebhaft
LaSalle Quartett
Aufnahme 1965

Alexander Zemlinsky
Streichquartett Nr. 1 A-Dur op. 4
2. Satz Allegretto
LaSalle Quartett

Wolfgang Amadeus Mozart
"Die Entführung aus dem Serail" KV 384
Ouvertüre
Orchester der Städtischen Oper Charlottenburg
Leitung: Alexander Zemlinsky
Aufnahme 1928

Alexander Zemlinsky
Streichquartett Nr. 2 op. 15
1. Satz Sehr mäßig - Heftig und leidenschaftlich
2. Satz Andante mosso - Etwas rascher - Adagio
LaSalle Quartett
Aufnahme 1977

Alexander Zemlinsky
Lyrische Sinfonie in 7 Gesängen für Sopran, Bariton und Orchester
nach Gedichten von Rabindranath Tagore op. 18
2. Satz "Mutter, der junge Prinz…"
Catherine Prach, Sopran
Keith Moore, Bariton
Cincinnati Philharmonia Orchestra
Leitung: Gerhard Samuel
Aufnahme 1979

Alexander Zemlinsky
Streichquartett Nr. 4 A-Dur op. 25
5. Satz Finale - Doppelfuge. Allegro molto, energico
LaSalle Quartett
Aufnahme 1978

Alexander Zemlinsky
Sinfonietta op. 23
1. Satz Sehr lebhaft
New York Philharmonic
Leitung: Dmitri Mitropoulos
Aufnahme New York 1940

Alexander Zemlinsky
Streichquartett Nr. 3 op. 19
2. Satz Thema mit Variationen
LaSalle Quartett
Aufnahme 1965