"Ich bin davon überzeugt, dass es ein Breitensport ist, auch über die Grenzen hinaus. In Wien machen viele Tanzschulen für Touristen eigene Schnellkurse für den Wiener Walzer und ich behaupte jetzt ganz frech, wenn man Walzerklänge hört, dass keiner stillsitzen kann. Also man muss mitschwingen."
Walzer
Walzer kann sehr schnell getanzt werden und kann dann schon als fordernder Leistungssport eingestuft werden. © IMAGO / Heritage Images / Fine Art Images
Training im Dreivierteltakt
06:17 Minuten
Schon 1873, als in Wien die Cholera wütete, tanzten die Leute auf den Straßen Walzer: Wenn schon sterben, dann wenigstens im Dreivierteltakt. Doch auch heute gilt: Wer tanzt, bewegt sich ökonomisch. Das schont Bänder und Gelenke.
"Hoch, hoch tief, hoch, hoch tief, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, sehr gut! Schwingen! …" In der Turnhalle des Polgargymnasiums in der Wiener Donaustadt wiegen und biegen sich 15 Schülerinnen beim Warm-up im Dreivierteltakt. "Hoch das Bein und wir schwingen…" Die Sportpädagogin Petra Ried übt heute mit ihnen den Wiener Walzer. Das trainiert ihr Gespür für Rhythmus. "Es gibt keine Sportart, wo sie keinen Rhythmus brauchen, sei das jetzt Schwimmen, sei das beim Laufen. Es ist überall der Rhythmus ausschlaggebend, dass eine Bewegung fließend, ökonomisch und geschmeidig wird."
58 bis 60 Takte pro Minute - Tanzen ist Leistungssport
58 bis 60 getanzte Takte in der Minute, das bringt außerdem Kondition. Walzer ist der schnellste Tanz des Welttanzprogramms. "Aufgrund der Anzahl der Takte ist es natürlich ein sehr flottes Tempo und da kann man dann schon davon sprechen, dass es ein Leistungssport ist, der sehr, sehr fordert."
In den Tanzgruppen der Sportpädagogin treffen sich Mädchen zwischen 10 und 17 Jahren aus unterschiedlichen Kulturen. Um jede von ihnen an ein gutes Körpergefühl heranzuführen, bietet Petra Ried internationale Tänze an, von Latino-Rhythmen, HipHop, Tanzakrobatik, Urban Dance und Volkstänze. Den Walzer mögen sie alle.
Elisa, Lena und Sara: "Weil ich mich dann austoben kann in der Musik. Dann kann ich all meine Gefühle rauslassen, wenn ich tanze. - Ich mag das gern, mit anderen zu tanzen, zusammen. - Meine Lieblingstanzart ist HipHop, weil man sich schnell bewegen kann. Und warum ich den Walzer mag? Auch einfach, weil man so hoch und runter gehen kann, und ich bin dann voll froh, wenn ich getanzt habe."
Neue Ausdrucksmöglichkeiten
Tanzen gibt jungen Menschen mehr als nur Lebensfreude. Sie lernen ökonomische Bewegungsabläufe, das schont Bänder und Gelenke. Und es entstehen neue, körperliche Ausdrucksmöglichkeiten. Das stärkt das Selbstbewusstsein. So lehrt es Petra Ried auch am Zentrum für Sportwissenschaft an der Wiener Universität.
Auch immer mehr junge Männer nehmen teil an ihren Seminaren zum Thema "Tanz in der Schule". Noch bis vor einigen Jahren galt das eher als Mädchensport. Für Jungen zählte vor allem athletische Leistung, Schnelligkeit und Kraft, erzählt der Lehramtsstudent David Brandstätter. Er hat seine Bachelor-Arbeit über die Drehung geschrieben und war überrascht, wieviel mehr dahintersteckt, als Walzertanzen.
"Dass man dann nicht sagt, man kann nur eine Pirouette, sondern dass man auch erkennt, Aerobic ist eine Tanzform, kann aber auch ein Fitness-Workout sein. Im Basketball sind Drehungen um die eigene Körper Längsachse sehr wichtig. Ich habe einen Schritt erfunden zum Beispiel, der diesen Sternschritt im Basketball imitiert, dass man auch sieht, man braucht ja Orientierung, auch wenn man sich am Basketballfeld bewegt. Also es wird ein bisschen holistischer gedacht."
Im Dreivierteltakt gegen die Cholera
Seit etwa 200 Jahren ist der Dreivierteltakt mit Österreich untrennbar verbunden. Während in Wien 1873 die Cholera wütete, drehten die Menschen Walzerrunden auf den Straßen, weil schon damals bekannt war, dass Tanzen gesundheitsfördernd sei. Der Strauss’sche Donauwalzer wird heute gerne als inoffizielle Hymne Österreichs bezeichnet. Er wird zur Begrüßung jedes neuen Jahres gespielt und zahlreiche Bälle wie zum Beispiel der Wiener Opernball werden damit eröffnet. Vor Beginn der Ballsaison im November bietet die Stadt Wien Walzertanzkurse an.
Auch in diesem Jahr finden in Österreich wieder zahlreiche Tanzsportturniere statt. Petra Ried zieht den Event dem Wettkampf vor. Am Ende des Schuljahres finden Veranstaltungen statt, auf denen die Tanzgruppen ihre eingeübten Choreografien vor Publikum präsentieren dürfen. Dann lassen sich Elisa, Lena und Sara gerne für ihre akrobatischen Fertigkeiten im HipHop feiern. Aber danach kommt für sie auf der Beliebtheitsskala auch schon gleich der Klassiker.
"Beim HipHop ist es eher modern. Aber beim Walzer hat das eine alte Note und das macht ihn irgendwie magisch. – Früher mochte ich ja Ballett, also passen auch diese Lieder dazu. - Mir hat damals meine Oma versucht, ein paar Schritte draufzubringen, und die kommt aus Polen. Und das zeigt auch, wie sehr sich dieser Walzer verbreitet. Und er hat irgendwas Besonderes, weil er so alt ist und weil wir ihn immer noch tanzen."