Die vorgestellten Wanderbücher:
Chris Yates: Nachtwandern. Eine Reise in die Natur
Aus dem Englischen von Frank Sievers
Insel Verlag, Berlin 2019
151 Seiten, 16,95 Euro
Norbert Leitner: In der Natur zu Hause
Bergwelten, Elsbethen 2019
176 Seiten, 18 Euro
Christoph Simon: Spaziergänger Zbinden
Unionsverlag, Zürich 2019
192 Seiten, 12,95 Euro
Lena Schnabel: Meine Suche nach dem Nichts. Wie ich tausend Kilometer auf dem japanischen Jakobsweg lief und was ich dabei fand
Goldmann, München 2019
413 Seiten, 12,95 Euro
Erika Fatland: Die Grenze – Eine Reise rund um Russland, durch Nordkorea, China, die Mongolei, Kasachstan, Aserbaidschan, Georgien, die Ukraine, Weißrussland, Litauen, Polen, Lettland, Estland, Finnland, Norwegen und die Nordostpassage
Übersetzt von Ulrich Sonnenberg
Suhrkamp, Berlin 2019
623 Seiten, 20 Euro
Julia Finkernagel: Ostwärts – Oder wie man mit den Händen Suppe isst, ohne sich nachher umziehen zu müssen
Knesebeck Verlag, München 2019
239 Seiten, 16 Euro
Sarah Baxter: 500 Walks – Legendäre Erlebnis-Wanderungen weltweit
Übersetzt von Karin Weidlich
Knesebeck Verlag, München 2019
400 Seiten, 32 Euro
Grenzerfahrungen machen in einer globalisierten Welt
10:26 Minuten
Es gibt eine alte Sehnsucht in uns Menschen: neue Wege zu beschreiten und an Grenzen zu kommen, die uns neue Perspektiven schenken. Gar nicht so einfach in einer globalisierten Welt. Sieben Wanderbücher zeigen, wie es trotzdem funktionieren kann.
Wir leben in einer globalisierten Welt. Die weißen Flecken auf der Landkarte drohen zu verschwinden. Egal, wie weit wir auch reisen, am Ende erwarten uns doch nur immer die gleichen Warenketten in sich immer ähnlicher werdenden Einkaufsstraßen.
Dass sich die Sehnsucht nach Grenz- und Fremderfahrungen dennoch stillen lässt, zeigen neue Bücher über das Wandern. So nehmen uns Chris Yates und Norbert Leitner mit in die Nacht. Chris Yates ist seit seiner Kindheit draußen im Dunkeln unterwegs. Er beschreibt – mittlerweile Familienvater – eine einzige lange Nachtwanderung und wie sich die Welt zu dieser Zeit auf ganz vielschichtige Weise verändert.
Auch Norbert Leitner wandert zu diesen späten Stunden, gruselt sich, steht Ängste aus, fühlt Unbehagen, und stellt doch fest: Er kehre morgens immer stärker nach Hause zurück, als er abends losgegangen sei.
Identitätsstiftende Fragen nach dem guten Leben
Immer wieder schildern die Autorinnen und Autoren auch Wanderungen nach Innen. So beschreibt Christoph Simon das langsame Umherstreifen in Erinnerungen. Er schickt einen alten Mann am Arm eines Zivildienstleistenden auf Streifzug durch ein Seniorenheim – und so wird aus der Frage, was es heißt, spazieren zu gehen, langsam eine Frage nach dem guten Leben. "Spazieren heißt, den Zufall preisen", heißt es da, "mehr Leute grüßen, als man kennt, sich immer ein bisschen mehr wünschen, als ein Spaziergang bieten kann, aber niemals so viel, dass man entmutigt wird, die Tür ist offen, wer hinaustritt, ist selig."
Lena Schnabel wiederum berichtet von ihrer Reise durch Japan nach einer Krankheitsdiagnose. 1.300 Kilometer wanderte sie auf einem Pilgerweg in Japan, vorbei an 88 Tempeln – und kommt auf identitätsstiftende Fragen wie jene nach dem "Ich". "Ich bin die, die sich verliebt, und dann trotzdem allein weiterläuft", schreibt sie. "Ich bin die, die sich nach dem ersten Berg übergibt, und dann trotzdem auf den höchsten Berg der Insel klettert, obwohl der gar nicht zum Pilgerweg gehört. Ich bin ein Monster und eine Barbie mit rosa Schuhen. Ich bin das alles und eine andere, ich bin am Ende, am Anfang und ich bin da."
Grenzerfahrungen in der Ferne
In die Ferne treibt es auch Erika Fatland, die – ein Mammutunterfangen – entlang der russischen Außengrenze reist, oder Julia Finkernagel, die sich von Leipzig aus Richtung Osten begibt. Und auch auf alten Wegen lassen sich Grenzerfahrungen sammeln, wenn man mit Sarah Baxter Marschrouten des römischen Militärs oder den mittelalterlichen Hanseweg wieder begeht. All diese Wanderbücher beweisen: Es ist auch heute noch möglich, sich und die Welt aus immer neuen Perspektiven zu sehen.