War das damals auch so teuer?
Vorgestern waren noch 100.000 Euro ein dicker Batzen Geld, gestern waren es noch 1.000.000, heute ... Ja, heutzutage kostet so dieses oder jenes steingewordene Vorhaben mal so schlappe 1.000.000.000 Euro. Oder auch mehr. Manchmal regen wir uns darüber auf. Aber war das schon immer so?
Rehfeld: Was? In Bayern auch? Als wir einen landeskundigen Bajuwaren nach Bauvorhaben und den wahren Kosten fragten, holte der tief Luft und wollte dann gar nicht mehr mit Beispielen niederschlagenden Wesens aufhören. Wir nickten zum Bleistift mit dem Kopf und nuschelten "Auch bei den Olympischen Sommerspielen damals in München?". Ja, wenn die Bürger das vorher gewusst hätten mit den Kosten und so ... Michael Watzke faßt zusammen.
Damals. Die Olympischen Sommerspiele in München
Eine hautfarbene Damen-Strumpfhose aus Nylon kostete 1966 etwa 30 Pfennige. Der Architekt Fritz Auer gestaltete das Modell des Olympia-Zeltdachs von München mit einem solchen Strumpf seiner Ehefrau.
"Naturbelassen, damit es nicht so nach Damenstrumpf aussah."
Architekt Auer und sein Partner Günter Behnisch hatten eine Olympia-Vision: ein Zeltdach aus durchsichtigem Plexiglas, das wie ein filigranes Spinnennetz aussehen sollte:
"Wir haben lange überlegt: Wie könnten diese Sportanlagen 1972 aussehen? Berlin 1936 waren ja monumentale Anlagen mit mächtigen, freistehenden Stadien. Das wollten wir auf dem Oberwiesenfeld anders zeigen. Weil Deutschland sich nach dem Krieg anders präsentieren sollte."
Ursprünglich hatten Behnisch und Partner für die Zeltdach-Konstruktion Baukosten von 17 Millionen D-Mark veranschlagt. Doch schon während des Ausschreibungs-Wettbewerbs stiegen die Kosten stetig, erinnert sich Münchens damaliger Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel:
"Zunächst stand der Entwurf kurz vor der Ausscheidung. Es waren 101 Bewerber, und bei den Rundgängen gab es immer wieder Stimmen: 'Das ist nicht zu realisieren, die Statik ist nicht sicher und die Kosten sind überhaupt nicht kalkulierbar.'"
Die Statik des Zeltdachs ließ sich kontrollieren. Die Kosten nicht. Bei der Einweihung 1972 lagen sie bei 115 Millionen D-Mark - fast sieben Mal höher als geplant. Und das galt für die gesamten Olympischen Spiele in München. 1965 hatten Vogel und Olympia-Chef Willy Daume als Kostenrahmen 495 Millionen D-Mark angegeben. Am Ende wurden es 1,97 Milliarden D-Mark - eine Vervierfachung. An dieser Kosten-Explosion wäre der Haushalt der Stadt München wohl zerbrochen, wenn nicht die Bundesrepublik und der Freistaat Bayern ihren Anteil erhöht hätten.
Vogel: "Alfons Goppel, damals Ministerpräsident, und Ludwig Erhardt, der hat gegen Widerstände im eigenen Kanzleramt gesagt: 'Nein, wir wollen den Menschen auch mal etwas Fröhliches sagen. Ich bin dafür!'"
Die Geschichte scheint Erhard und all' den anderen Befürwortern von Olympia 1972 Recht zu geben. Aus der verschlafenen bayerischen Provinz-Hauptstadt München wurde eine Weltstadt mit modernem U-Bahn-Netz und hoher Lebensqualität. Auch deshalb, weil der Olympia-Park im Norden Münchens Jahrzehnte nach den Spielen ein Anziehungspunkt für die Münchner blieb, wie der heutige Oberbürgermeister Christian Ude betont:
"Der Olympiapark München ist nun wirklich das Symbol und Sinnbild für nach-olympische Nutzung, für jahrzehntelange Nachhaltigkeit olympischer Einrichtungen."
Tatsächlich ist der Olympia-Park nicht wegzudenken aus dem Stadtbild von München. Trotz aller Probleme etwa durch den Wegzug des Bundesliga-Fußballs in die Allianz-Arena im Norden. Man vergisst heute allzu leicht, dass im Jahr 1966 die meisten Münchner dagegen waren, das sogenannte Oberwiesenfeld für ein Sportereignis zu bebauen.
Ude: "Ich habe manchmal einen Blick zurückgeworfen auf die Jahre vor den Olympischen Spielen 1972 - da war ja auch nicht sechs Jahre lang Jubelstimmung. Sondern da gab es erst eine kleine Fachwelt, die über die Baufragen diskutiert hat. Und die Begeisterung kam in den Monaten vor den Spielen."
In dieser Begeisterung gingen dann auch die Kostensteigerungen unter. Das dürften die Olympia-Planer durchaus so einkalkuliert haben. Wenn Hans-Jochen Vogel heute an die Planung der Olympischen Spiele 1972 denkt, dann fühlt er sich bestätigt. Man habe viel gewagt - und noch mehr gewonnen:
"Und darüber bin ich heute noch glücklich!"
Der Applaus beweist: kaum jemand möchte dem 87-jährigen Alt-OB heute widersprechen.
Damals. Der Kölner Dom
Rehfeld: Nun, der Bayer ist nicht immer Spitze. Das wird ihn wurmen, aber ein Blick nach Köln läßt ihn schnell demütig werden. Unglaublich, Schwindel erregend, verrückt: So könnte man die Pläne aus dem 13. Jahrhundert bezeichnen, in Köln einen Dom zu errichten. Es sollte das größte Vorhaben seiner Zeit werden, als im Jahr 1248 der Grundstein für die gothische Kathedrale gelegt wurde. Ein wahrlich ungewöhnliches Großbauprojekt, wie Frank Überall berichtet:
Exakte Zeichnungen und Berechnungen, wie sie bei heutigen Bauvorhaben üblich sind, gab es für den Kölner Dom nicht. Man hat einfach angefangen, berichtet der heutige Dombaumeister Michael Hauck:
"Also es ist nicht so, dass man etwas sozusagen bis zum Ende durchplanen konnte, überhaupt. Sondern man hat eine Vision, der man folgt. Wo weder klar ist wie lange es dauern wird, noch wie viel es kosten wird, noch ob man jemals ankommen wird an dieser Stelle."
Den Wagemut, den die Baumeister vor gut 760 Jahren bewiesen haben, kann man aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehen. Das wäre so, als ob man eine Siedlung auf dem Mars errichten wolle, erklärt Dombaumeister Hauck. Er kann noch nicht einmal ansatzweise schätzen, was der Bau eigentlich gekostet hat:
"Es wäre wirklich ein ganz schwieriges Unterfangen, weil wir ja zum Teil auch gar nicht benachrichtigt sind darüber, wie im Detail der Baufortschritt war. Wir wissen ansatzweise, was es für eine Infrastruktur bedeutet hat, dieses Bauwerk überhaupt in die Gänge zu bringen. Aber im Detail, wie viele Leute beschäftigt waren, was die Baufortschritte waren, was eventuell Schwierigkeiten waren, mit denen man umgehen musste im 13., 14., 15. Jahrhundert, das wissen wir nicht."
Offiziell eröffnet wurde der Kölner Dom im Jahr 1880, also locker 630 Jahre nach dem Baubeginn. Im Vertrauen auf Gott hatte man die Arbeiten langsam angehen lassen - auch ohne die technischen Hilfsmittel, die es heute gibt. Es war eine Schweiß treibende Arbeit, die beiden Türme bis zu einer Höhe von 157 Metern in den Himmel wachsen zu lassen. Und wirklich komplett fertig wurde der Kölner Dom eigentlich nie:
"Das wird er mit Sicherheit nicht. Denn: In bestimmten Zusammenhängen läuft man der Zeit auch immer hinterher. Der Dom ist sehr groß und er ist in Teilen schon sehr alt. Also, wir reden ja über 800 Jahre etwa. Man kann an manchen Stellen wirklich nicht mehr tun als das Notwendigste, also um eine Not abzuwenden."
Mindestens sieben Millionen Euro braucht die katholische Kirche in jedem Jahr, um den Dom instand zu halten. 90 Mitarbeiter der Dombauhütte arbeiten dafür nach historisch überlieferten Kunstfertigkeiten jenseits moderner Industrie-Standards. Und doch sind sie stets nur Reparaturen, die dringend nötig sind. Eine umfassende Sanierung ist aus Kostengründen undenkbar. Das beschert den Experten in der Kölner Dombauhütte sichere Jobs. Entsprechend sind sie mit außergewöhnlich viel Engagement dabei, berichtet Dombaumeister Michael Hauck:
"Das ist nicht nur eine Arbeit zum Broterwerb, sondern ich kann sagen, dass die Leute hier ihren Dom wirklich lieben. Um ein Beispiel zu nennen: Nach den Silvesterfeuerwerken, die ja jedes Jahr über den Dom reinbrechen, braucht man als Chef niemanden auffordern, das passiert automatisch, dass am nächsten Tag ein, zwei Leute die kommen und räumen die Rinnen frei und räumen die Raketen weg und so weiter und so fort, damit nicht irgendwann ein Fallrohr verstopft ist und wir größere Probleme kriegen."
Obwohl sich der Staat mit Zuschüssen an der immerwährenden Kölner Dom-Sanierung beteiligt, bekommt das die katholische Kirche schon traditionell nicht alleine in den Griff. Spenden sammelt vor allem der so genannte Dombauverein mit mehr als 14.000 Mitgliedern weltweit: ein bürgerschaftlicher Förderverein für einen der teuersten Bauten der Welt.
Damals. Der Nürburgring
Rehfeld: Mit großer Geschwindigkeit nahm die Kostenfahrt auf dem Nürburgring die Runden, kriegte aber irgendwie nicht die Kurve. So wurde der Nürburgring von einer Rennstrecke zum Reizwort. Wenn in Rheinland-Pfalz das Wort Nürburgring fällt, dann schlägt jeder die Hände überm Kopf zusammen, denkt an Kurt Beck, an Geldverschwendung, Kostenexplosion und Hunderte Millionen teures Missmanagement. Und verlässt sich dabei auf seine eigene Vergesslichkeit, wie Hans-Peter Betz feststellen musste. Leider, leider:
Von jedem auch nur halbwegs angetrunkenem Stammtischbruder ist heute zu hören: "Nürburgring? Des hätte es frieher in Deitschland nit gegebe! Frieher, da hatte mir noch Inschenieere, die wusste, was se mache, des waren Fachleit und nicht solche Flickschuster un Peife, wie mer se heit habbe! Die ganz Geldverschwenderei hätt es frieher nit gebbe!"
Von wegen! Gerade am Beispiel Nürburgring habe ich mal im Internet bei Frau Viki Pedia nachgeschaut. Die hat nämlich herausgefunden, dass in der Eifel schon 1904, als ein gewisser Kaiser Wilhelm noch Bundeskanzler war, die Nürburgring-Rennstrecke geplant werden sollte.
Warum ist mir eigentlich ein bisschen schleierhaft, denn damals gab es in ganz Deutschland vielleicht 20 Autos, von denen die Hälfte besagtem Kaiser Wilhelm gehörte. Aber vielleicht wollten die ja mit Pferdekutschen in der Eifel herumfahren.
Die ersten Planungen für den Kaiser-Wilhelm-Nürburgring sind dann allerdings 1907 eingestellt worden, weil der Auto-Rennsport die Leute angeblich doch nicht so wirklich interessiert hat. Tausende Reichsmark Planungskosten waren somit futsch, sind damals regelrecht in einem Eiffel-Maar versenkt worden.
Nach dem ersten Weltkrieg, als unser Kaiser Wilhelm dann in Holland Holz hacken musste, stieg das Interesse am Autosport aber schlagartig an. Es gründeten sich überall in Deutschland Auto- und Motorradfabriken, es gab die ersten schnellen Rennautos und Motorräder und damit auch die ersten Rennfahrer. Auf ganz normalen Landstraßen wurden in den frühen 20ern damals die ersten Autorennen in Deutschland veranstaltet:
Und da hat sich 1924 irgendjemand an die alten Planungsunterlagenunterlagen von vor dem Krieg erinnert und diese rausgekramt. Und los ging`s. Die Reichsregierung der Weimarer Republik wollte in der Eifel einen Rundkurs für 2,5 Millionen Reichsmark bauen. Das war damals immens viel Geld. Vom heutigen Wert her sicher 2,5 Milliarden. Und dann haben sie angefangen zu bauen und zu betonieren und die halbe Eifel umgegraben.
Leider haben die Planer schon ein Jahr später gemerkt: Ui ui ui, die Kohle langt ja nicht. Da waren die schon bei 5 Millionen Reichsmark. Trotzdem war der Deckel immer noch nicht drauf, denn die Kosten stiegen immer höher und höher und höher und 1927, bei der Einweihung des Nürburgrings, nach einer Planungsdauer von nur 21 Jährchen, hat der ganze Spaß dann sage und schreibe 8,1 Millionen Reichsmark gekostet. Der Anfangsetat wurde demzufolge um über dreihundert Prozent überzogen.
Wenn man das mal mit der heutigen Zeit vergleicht, dann liegen wir bei der Elbphilharmonie, bei Stuttgart21 oder dem Berliner Flughafen doch noch gut im Finanzrahmen und können uns mit der Fertigstellung eigentlich auch noch ein bisschen Zeit lassen.
Damals. Luftschlösser in Rheinland-Pfalz und in Hessen
Rehfeld: Leider, leider, wir bleiben da in Rheinland-Pfalz und in Hessen. Welche Wortfindung als erste den Mund verließ, dies wissen wir nicht : Luftschloss oder Luftnummer - wir tippen auf Luftschloss. Egal, wichtig ist dies : Nur der Oberrheingraben und ein bisschen Mittelgebirge trennen Bad Bergzabern in der Südpfalz und Erbach im hessischen Odenwald. In beiden Orten stehen Schlösser, für die sich die ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Hessen, besonders engagiert haben. Mit jeweils mehreren Millionen Steuergeldern. Roland Koch kaufte einem klammen Schlossherren gleich das ganze Anwesen ab, Kurt Beck gab einen Millionenzuschuss für den Bau eines jetzt insolventen Schlosshotels. Ludger Fittkau berichtet:
Frau: "Das ist so wunderbar, doch wirklich. Es war ja eine Ruine vorher, es war ja nichts - wirklich"
Frau: "Ja, es ist wunderschön und ich meine, ich freue mich auch für jeden Gast oder für jeden Tourist, der hier ankommt und sich hier auch schön aufhalten kann, gut essen kann - aber so wie die Dinge politisch gelaufen sind, das ist nicht gerechtfertigt."
Auf den Straßen von Bad Bergzabern waren die Meinungen zum heute insolventen Schlosshotel schon immer geteilt. 3,1 Millionen Euro hatte der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck aus der Landeskasse spendiert, um den Bau eines Schlosshotels in seinem Wahlkreis zu ermöglichen. Die Stadt Bad Bergzabern legte am Ende noch mal eine ähnliche Summe drauf, obwohl sie ursprünglich nur 625.000 Euro zuschießen wollte. Den Bürgern war mulmig angesichts des finanziellen Risikos, das ihre Stadt für Hotel- und Restaurant- Ausbau einging.
Mann: "Natürlich, wenn es mit 3,5 Millionen veranschlagt ist und über 8 Millionen kostet, da wird es kritisch und ich hoffe, dass der Pächter die Durststrecke überwinden kann und das Restaurant, es ist wirklich erstklassig - aber hat er die Kunden, um das zu halten?"
Hatte der Pächter nicht, Becks Schlosshotel ist nun insolvent. Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz rügte das Projekt als ein "Negativ-Beispiel, das sich nicht wiederholen darf."
Doch die 3,1 Millionen aus dem rheinland-pfälzischen Landeshaushalt sind fast noch Peanuts angesichts der Summe, die der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch einige Jahre zuvor für das Schloss Erbach im Odenwald hinblätterte: Mehr als 13 Millionen Euro nämlich.
Der Graf im Odenwald war in finanzielle Not geraten. Er haben kein Geld mehr, um sein Schloss zu unterhalten, bekannte er öffentlich und rief nach dem Staat. Roland Koch, damals noch Landesfürst von Hessen, erhörte den Hilferuf. Mit den Stimmen der CDU setzte er sich in einer Abstimmung im Landtag gegen SPD, Grüne und FDP durch.
FDP-Mann Jörg-Uwe Hahn ist heute stellvertretender Ministerpräsident Hessens. Damals sagte er: Es sei eine falsche Politik, etwa den Hochschulen 40 Millionen Euro wegzunehmen und andererseits aber für 13,3 Millionen ein "Schloss mit vielen Hirschgeweihen" zu kaufen.
Die Erbacher Grafenfamilie erhielt übrigens ein lebenslanges Wohnrecht im Anwesen. Aber immerhin: Man kann heute im Schloss auch heiraten und Kindergruppen bekommen für eine Pauschale von 60 Euro eine Kinderführung mit dem Schlossgespenst "Luidschi".
Kein Gespenst, sondern der Insolvenzverwalter hat heute in Kurt Beck´s Schlosshotel Bad Bergzabern auf der anderen Rheinseite das Sagen. Die Meinungen der Bürger über das Ergebnis des Engagements ihres ehemaligen "König Kurt" bleiben geteilt:
Frau: "Da bin ich nicht zufrieden, über das Resultat, absolut nicht. Das hat einen dann schon zum Überlegen gebracht, wo die Gelder überall fließen können und wo sie nicht fließen dürfen. Das ist es nicht."
Mann: "Ob alles so hätte laufen müssen, verwaltungsmäßig, das weiß ich nicht. Da hätte man vielleicht noch einiges überdenken müssen. Aber insgesamt finde ich es richtig, dass sich der Staat in solch einem Projekt hier auch engagiert."
Damals. Aufbau Ost
Rehfeld: Großprojekte und die wahren Kosten. Der Wiederaufbau der Neuen Länder. Der Kostenvoranschlag sah günstig aus, wurde jedenfalls nicht als exorbitant hoch unter die Bürger gebracht. Und alles sollte auch ganz schnell Blüten tragen. Nun, von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West wird auch in den nächsten drei Jahrzehnten nicht die Rede sein können. Peter Zudeick über Baupläne, Bauumstände und Baukosten:
Das ist in der Politik wie bei großen Bauvorhaben: Man muss die tatsächlichen Kosten verschweigen, sonst wird nichts draus. Helmut Kohl wollte die deutsche Einheit bauen. Einerseits. Er wollte aber auch Kanzler der deutschen Einheit werden. Also die erste gesamtdeutsche Wahl gewinnen. Dafür musste er auf der einen Seite Klarheit und Wahrheit versprechen:
Kohl: "Ich bin dafür, dass Kassensturz gemacht wird, und zwar sobald wie möglich, und ich bin auch dafür, dass die Bürger in der Bundesrepublik und die Bürger in der DDR bei den Wahlen genau Bescheid wissen."
Auf der anderen Seite musste er den DDR-Bürgern quasi paradiesische Zustände versprechen.
Kohl: "Wir haben die Kraft, wir haben die Mittel, und wir haben die Möglichkeiten, aus den neuen Bundesländern in drei, vier, fünf Jahren blühende Landschaften zu machen."
Und schließlich musste er die Westbürger beruhigen, die fürchteten, jetzt werde es ihnen mächtig ans Portemonnaie gehen.
Kohl: "Wenn ich jetzt dem Bürger vor dieser Wahl sage, wir machen keine Steuererhöhung im Zusammenhang mit der deutschen Einheit, dann machen wir keine."
Nur: Spätestens im Sommer 1990 war allen, die sich und anderen nichts vormachen wollten, klar, dass man die Einheit eben nicht aus der Portokasse würde finanzieren können, wie Kohl suggeriert hatte. Die DDR-Wirtschaft kollabierte, eine Völkerwanderung von Ost nach West setzte ein, die seither nie so ganz aufgehört hat.
Kohl: "Es ist einfach unredlich, den Eindruck zu erwecken, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR könnte auf absehbare Zeit nichts oder nur sehr wenig aus eigener Kraft finanziert werden."
Das konnte damals nur glauben, wer den Wirtschaftsdaten des Zentralkomitees der SED vertraut hat. Nur: Skepsis war streng untersagt, schließlich wollte man Wahlen gewinnen:
Kohl: "Wer jetzt polemisch durchs Land zieht und die Kosten der Einheit als ein beinahe unüberwindliches Hindernis darstellt, der soll ebenso offen über die wegfallenden Kosten der Teilung sprechen."
Was immer Helmut Kohl damit gemeint haben mag: Er hat die Mehrheit der Deutschen überzeugen können. Die im Osten von den "blühenden Landschaften", die im Westen von der Einheit "aus der Portokasse". Ergebnis: Die Union holt bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 43,8 Prozent, Helmut Kohl wird Kanzler der deutschen Einheit. Mit seinen Versprechungen freilich ging es nicht so glatt: Vom Kapitalismus platt gewalzte Industrielandschaften im Osten, verlassene Dörfer, verödete Landstriche neben blank gewienerten Vorzeigeobjekten. Und zur Finanzierung der Einheit wurden eben doch Steuern und Abgaben erhöht: Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Versicherungssteuer, Tabaksteuer, Erdgassteuer. Dazu kam der Solidaritätszuschlag. Der war ursprünglich nur für ein Jahr geplant, es gibt ihn heute noch.
Helmut Kohl war zum Kanzler der "Steuerlüge" geworden. Das kam vor allem im Westen nicht so gut an. Am 27. Februar 1991 legte die "Bild"-Zeitung ihn flach. Auf der Titelseite wurde Kohl in der Horizontalen abgebildet, dazu die fetten Schlagzeilen: "Die Steuerlüge" und "Der Umfaller". Ob Kohl und die Seinen nun tatsächlich gelogen, also wissentlich die Unwahrheit gesagt oder sich nur grandios verschätzt haben, steht dahin. Die Gesamtkosten der Einheit belaufen sich - je nach Schätzung - zwischen 1,5 und 1,8 Billionen Euro, jährlich kommen rund 100 Milliarden dazu.
Und obwohl Steuern und Abgaben einschließlich Soli von allen in Ost und West gezahlt werden, fiel die Belastung des Westens proportional höher aus. Wegen der Transferleistungen (u.a. für Renten, Arbeitslosengeld, Ausgaben für Beamte und Angestellte in den neuen Ländern) und der Aufbauhilfen, die spezifisch für die neuen Länder entwickelt wurden. Diesen Kosten standen eben nicht, wie Kohl versprochen hatte, adäquate "Erträge der Einheit" im Osten gegenüber.
Mehr Informationen auf dradio.de:
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Damals. Die Olympischen Sommerspiele in München
Eine hautfarbene Damen-Strumpfhose aus Nylon kostete 1966 etwa 30 Pfennige. Der Architekt Fritz Auer gestaltete das Modell des Olympia-Zeltdachs von München mit einem solchen Strumpf seiner Ehefrau.
"Naturbelassen, damit es nicht so nach Damenstrumpf aussah."
Architekt Auer und sein Partner Günter Behnisch hatten eine Olympia-Vision: ein Zeltdach aus durchsichtigem Plexiglas, das wie ein filigranes Spinnennetz aussehen sollte:
"Wir haben lange überlegt: Wie könnten diese Sportanlagen 1972 aussehen? Berlin 1936 waren ja monumentale Anlagen mit mächtigen, freistehenden Stadien. Das wollten wir auf dem Oberwiesenfeld anders zeigen. Weil Deutschland sich nach dem Krieg anders präsentieren sollte."
Ursprünglich hatten Behnisch und Partner für die Zeltdach-Konstruktion Baukosten von 17 Millionen D-Mark veranschlagt. Doch schon während des Ausschreibungs-Wettbewerbs stiegen die Kosten stetig, erinnert sich Münchens damaliger Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel:
"Zunächst stand der Entwurf kurz vor der Ausscheidung. Es waren 101 Bewerber, und bei den Rundgängen gab es immer wieder Stimmen: 'Das ist nicht zu realisieren, die Statik ist nicht sicher und die Kosten sind überhaupt nicht kalkulierbar.'"
Die Statik des Zeltdachs ließ sich kontrollieren. Die Kosten nicht. Bei der Einweihung 1972 lagen sie bei 115 Millionen D-Mark - fast sieben Mal höher als geplant. Und das galt für die gesamten Olympischen Spiele in München. 1965 hatten Vogel und Olympia-Chef Willy Daume als Kostenrahmen 495 Millionen D-Mark angegeben. Am Ende wurden es 1,97 Milliarden D-Mark - eine Vervierfachung. An dieser Kosten-Explosion wäre der Haushalt der Stadt München wohl zerbrochen, wenn nicht die Bundesrepublik und der Freistaat Bayern ihren Anteil erhöht hätten.
Vogel: "Alfons Goppel, damals Ministerpräsident, und Ludwig Erhardt, der hat gegen Widerstände im eigenen Kanzleramt gesagt: 'Nein, wir wollen den Menschen auch mal etwas Fröhliches sagen. Ich bin dafür!'"
Die Geschichte scheint Erhard und all' den anderen Befürwortern von Olympia 1972 Recht zu geben. Aus der verschlafenen bayerischen Provinz-Hauptstadt München wurde eine Weltstadt mit modernem U-Bahn-Netz und hoher Lebensqualität. Auch deshalb, weil der Olympia-Park im Norden Münchens Jahrzehnte nach den Spielen ein Anziehungspunkt für die Münchner blieb, wie der heutige Oberbürgermeister Christian Ude betont:
"Der Olympiapark München ist nun wirklich das Symbol und Sinnbild für nach-olympische Nutzung, für jahrzehntelange Nachhaltigkeit olympischer Einrichtungen."
Tatsächlich ist der Olympia-Park nicht wegzudenken aus dem Stadtbild von München. Trotz aller Probleme etwa durch den Wegzug des Bundesliga-Fußballs in die Allianz-Arena im Norden. Man vergisst heute allzu leicht, dass im Jahr 1966 die meisten Münchner dagegen waren, das sogenannte Oberwiesenfeld für ein Sportereignis zu bebauen.
Ude: "Ich habe manchmal einen Blick zurückgeworfen auf die Jahre vor den Olympischen Spielen 1972 - da war ja auch nicht sechs Jahre lang Jubelstimmung. Sondern da gab es erst eine kleine Fachwelt, die über die Baufragen diskutiert hat. Und die Begeisterung kam in den Monaten vor den Spielen."
In dieser Begeisterung gingen dann auch die Kostensteigerungen unter. Das dürften die Olympia-Planer durchaus so einkalkuliert haben. Wenn Hans-Jochen Vogel heute an die Planung der Olympischen Spiele 1972 denkt, dann fühlt er sich bestätigt. Man habe viel gewagt - und noch mehr gewonnen:
"Und darüber bin ich heute noch glücklich!"
Der Applaus beweist: kaum jemand möchte dem 87-jährigen Alt-OB heute widersprechen.
Damals. Der Kölner Dom
Rehfeld: Nun, der Bayer ist nicht immer Spitze. Das wird ihn wurmen, aber ein Blick nach Köln läßt ihn schnell demütig werden. Unglaublich, Schwindel erregend, verrückt: So könnte man die Pläne aus dem 13. Jahrhundert bezeichnen, in Köln einen Dom zu errichten. Es sollte das größte Vorhaben seiner Zeit werden, als im Jahr 1248 der Grundstein für die gothische Kathedrale gelegt wurde. Ein wahrlich ungewöhnliches Großbauprojekt, wie Frank Überall berichtet:
Exakte Zeichnungen und Berechnungen, wie sie bei heutigen Bauvorhaben üblich sind, gab es für den Kölner Dom nicht. Man hat einfach angefangen, berichtet der heutige Dombaumeister Michael Hauck:
"Also es ist nicht so, dass man etwas sozusagen bis zum Ende durchplanen konnte, überhaupt. Sondern man hat eine Vision, der man folgt. Wo weder klar ist wie lange es dauern wird, noch wie viel es kosten wird, noch ob man jemals ankommen wird an dieser Stelle."
Den Wagemut, den die Baumeister vor gut 760 Jahren bewiesen haben, kann man aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehen. Das wäre so, als ob man eine Siedlung auf dem Mars errichten wolle, erklärt Dombaumeister Hauck. Er kann noch nicht einmal ansatzweise schätzen, was der Bau eigentlich gekostet hat:
"Es wäre wirklich ein ganz schwieriges Unterfangen, weil wir ja zum Teil auch gar nicht benachrichtigt sind darüber, wie im Detail der Baufortschritt war. Wir wissen ansatzweise, was es für eine Infrastruktur bedeutet hat, dieses Bauwerk überhaupt in die Gänge zu bringen. Aber im Detail, wie viele Leute beschäftigt waren, was die Baufortschritte waren, was eventuell Schwierigkeiten waren, mit denen man umgehen musste im 13., 14., 15. Jahrhundert, das wissen wir nicht."
Offiziell eröffnet wurde der Kölner Dom im Jahr 1880, also locker 630 Jahre nach dem Baubeginn. Im Vertrauen auf Gott hatte man die Arbeiten langsam angehen lassen - auch ohne die technischen Hilfsmittel, die es heute gibt. Es war eine Schweiß treibende Arbeit, die beiden Türme bis zu einer Höhe von 157 Metern in den Himmel wachsen zu lassen. Und wirklich komplett fertig wurde der Kölner Dom eigentlich nie:
"Das wird er mit Sicherheit nicht. Denn: In bestimmten Zusammenhängen läuft man der Zeit auch immer hinterher. Der Dom ist sehr groß und er ist in Teilen schon sehr alt. Also, wir reden ja über 800 Jahre etwa. Man kann an manchen Stellen wirklich nicht mehr tun als das Notwendigste, also um eine Not abzuwenden."
Mindestens sieben Millionen Euro braucht die katholische Kirche in jedem Jahr, um den Dom instand zu halten. 90 Mitarbeiter der Dombauhütte arbeiten dafür nach historisch überlieferten Kunstfertigkeiten jenseits moderner Industrie-Standards. Und doch sind sie stets nur Reparaturen, die dringend nötig sind. Eine umfassende Sanierung ist aus Kostengründen undenkbar. Das beschert den Experten in der Kölner Dombauhütte sichere Jobs. Entsprechend sind sie mit außergewöhnlich viel Engagement dabei, berichtet Dombaumeister Michael Hauck:
"Das ist nicht nur eine Arbeit zum Broterwerb, sondern ich kann sagen, dass die Leute hier ihren Dom wirklich lieben. Um ein Beispiel zu nennen: Nach den Silvesterfeuerwerken, die ja jedes Jahr über den Dom reinbrechen, braucht man als Chef niemanden auffordern, das passiert automatisch, dass am nächsten Tag ein, zwei Leute die kommen und räumen die Rinnen frei und räumen die Raketen weg und so weiter und so fort, damit nicht irgendwann ein Fallrohr verstopft ist und wir größere Probleme kriegen."
Obwohl sich der Staat mit Zuschüssen an der immerwährenden Kölner Dom-Sanierung beteiligt, bekommt das die katholische Kirche schon traditionell nicht alleine in den Griff. Spenden sammelt vor allem der so genannte Dombauverein mit mehr als 14.000 Mitgliedern weltweit: ein bürgerschaftlicher Förderverein für einen der teuersten Bauten der Welt.
Damals. Der Nürburgring
Rehfeld: Mit großer Geschwindigkeit nahm die Kostenfahrt auf dem Nürburgring die Runden, kriegte aber irgendwie nicht die Kurve. So wurde der Nürburgring von einer Rennstrecke zum Reizwort. Wenn in Rheinland-Pfalz das Wort Nürburgring fällt, dann schlägt jeder die Hände überm Kopf zusammen, denkt an Kurt Beck, an Geldverschwendung, Kostenexplosion und Hunderte Millionen teures Missmanagement. Und verlässt sich dabei auf seine eigene Vergesslichkeit, wie Hans-Peter Betz feststellen musste. Leider, leider:
Von jedem auch nur halbwegs angetrunkenem Stammtischbruder ist heute zu hören: "Nürburgring? Des hätte es frieher in Deitschland nit gegebe! Frieher, da hatte mir noch Inschenieere, die wusste, was se mache, des waren Fachleit und nicht solche Flickschuster un Peife, wie mer se heit habbe! Die ganz Geldverschwenderei hätt es frieher nit gebbe!"
Von wegen! Gerade am Beispiel Nürburgring habe ich mal im Internet bei Frau Viki Pedia nachgeschaut. Die hat nämlich herausgefunden, dass in der Eifel schon 1904, als ein gewisser Kaiser Wilhelm noch Bundeskanzler war, die Nürburgring-Rennstrecke geplant werden sollte.
Warum ist mir eigentlich ein bisschen schleierhaft, denn damals gab es in ganz Deutschland vielleicht 20 Autos, von denen die Hälfte besagtem Kaiser Wilhelm gehörte. Aber vielleicht wollten die ja mit Pferdekutschen in der Eifel herumfahren.
Die ersten Planungen für den Kaiser-Wilhelm-Nürburgring sind dann allerdings 1907 eingestellt worden, weil der Auto-Rennsport die Leute angeblich doch nicht so wirklich interessiert hat. Tausende Reichsmark Planungskosten waren somit futsch, sind damals regelrecht in einem Eiffel-Maar versenkt worden.
Nach dem ersten Weltkrieg, als unser Kaiser Wilhelm dann in Holland Holz hacken musste, stieg das Interesse am Autosport aber schlagartig an. Es gründeten sich überall in Deutschland Auto- und Motorradfabriken, es gab die ersten schnellen Rennautos und Motorräder und damit auch die ersten Rennfahrer. Auf ganz normalen Landstraßen wurden in den frühen 20ern damals die ersten Autorennen in Deutschland veranstaltet:
Und da hat sich 1924 irgendjemand an die alten Planungsunterlagenunterlagen von vor dem Krieg erinnert und diese rausgekramt. Und los ging`s. Die Reichsregierung der Weimarer Republik wollte in der Eifel einen Rundkurs für 2,5 Millionen Reichsmark bauen. Das war damals immens viel Geld. Vom heutigen Wert her sicher 2,5 Milliarden. Und dann haben sie angefangen zu bauen und zu betonieren und die halbe Eifel umgegraben.
Leider haben die Planer schon ein Jahr später gemerkt: Ui ui ui, die Kohle langt ja nicht. Da waren die schon bei 5 Millionen Reichsmark. Trotzdem war der Deckel immer noch nicht drauf, denn die Kosten stiegen immer höher und höher und höher und 1927, bei der Einweihung des Nürburgrings, nach einer Planungsdauer von nur 21 Jährchen, hat der ganze Spaß dann sage und schreibe 8,1 Millionen Reichsmark gekostet. Der Anfangsetat wurde demzufolge um über dreihundert Prozent überzogen.
Wenn man das mal mit der heutigen Zeit vergleicht, dann liegen wir bei der Elbphilharmonie, bei Stuttgart21 oder dem Berliner Flughafen doch noch gut im Finanzrahmen und können uns mit der Fertigstellung eigentlich auch noch ein bisschen Zeit lassen.
Damals. Luftschlösser in Rheinland-Pfalz und in Hessen
Rehfeld: Leider, leider, wir bleiben da in Rheinland-Pfalz und in Hessen. Welche Wortfindung als erste den Mund verließ, dies wissen wir nicht : Luftschloss oder Luftnummer - wir tippen auf Luftschloss. Egal, wichtig ist dies : Nur der Oberrheingraben und ein bisschen Mittelgebirge trennen Bad Bergzabern in der Südpfalz und Erbach im hessischen Odenwald. In beiden Orten stehen Schlösser, für die sich die ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Hessen, besonders engagiert haben. Mit jeweils mehreren Millionen Steuergeldern. Roland Koch kaufte einem klammen Schlossherren gleich das ganze Anwesen ab, Kurt Beck gab einen Millionenzuschuss für den Bau eines jetzt insolventen Schlosshotels. Ludger Fittkau berichtet:
Frau: "Das ist so wunderbar, doch wirklich. Es war ja eine Ruine vorher, es war ja nichts - wirklich"
Frau: "Ja, es ist wunderschön und ich meine, ich freue mich auch für jeden Gast oder für jeden Tourist, der hier ankommt und sich hier auch schön aufhalten kann, gut essen kann - aber so wie die Dinge politisch gelaufen sind, das ist nicht gerechtfertigt."
Auf den Straßen von Bad Bergzabern waren die Meinungen zum heute insolventen Schlosshotel schon immer geteilt. 3,1 Millionen Euro hatte der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck aus der Landeskasse spendiert, um den Bau eines Schlosshotels in seinem Wahlkreis zu ermöglichen. Die Stadt Bad Bergzabern legte am Ende noch mal eine ähnliche Summe drauf, obwohl sie ursprünglich nur 625.000 Euro zuschießen wollte. Den Bürgern war mulmig angesichts des finanziellen Risikos, das ihre Stadt für Hotel- und Restaurant- Ausbau einging.
Mann: "Natürlich, wenn es mit 3,5 Millionen veranschlagt ist und über 8 Millionen kostet, da wird es kritisch und ich hoffe, dass der Pächter die Durststrecke überwinden kann und das Restaurant, es ist wirklich erstklassig - aber hat er die Kunden, um das zu halten?"
Hatte der Pächter nicht, Becks Schlosshotel ist nun insolvent. Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz rügte das Projekt als ein "Negativ-Beispiel, das sich nicht wiederholen darf."
Doch die 3,1 Millionen aus dem rheinland-pfälzischen Landeshaushalt sind fast noch Peanuts angesichts der Summe, die der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch einige Jahre zuvor für das Schloss Erbach im Odenwald hinblätterte: Mehr als 13 Millionen Euro nämlich.
Der Graf im Odenwald war in finanzielle Not geraten. Er haben kein Geld mehr, um sein Schloss zu unterhalten, bekannte er öffentlich und rief nach dem Staat. Roland Koch, damals noch Landesfürst von Hessen, erhörte den Hilferuf. Mit den Stimmen der CDU setzte er sich in einer Abstimmung im Landtag gegen SPD, Grüne und FDP durch.
FDP-Mann Jörg-Uwe Hahn ist heute stellvertretender Ministerpräsident Hessens. Damals sagte er: Es sei eine falsche Politik, etwa den Hochschulen 40 Millionen Euro wegzunehmen und andererseits aber für 13,3 Millionen ein "Schloss mit vielen Hirschgeweihen" zu kaufen.
Die Erbacher Grafenfamilie erhielt übrigens ein lebenslanges Wohnrecht im Anwesen. Aber immerhin: Man kann heute im Schloss auch heiraten und Kindergruppen bekommen für eine Pauschale von 60 Euro eine Kinderführung mit dem Schlossgespenst "Luidschi".
Kein Gespenst, sondern der Insolvenzverwalter hat heute in Kurt Beck´s Schlosshotel Bad Bergzabern auf der anderen Rheinseite das Sagen. Die Meinungen der Bürger über das Ergebnis des Engagements ihres ehemaligen "König Kurt" bleiben geteilt:
Frau: "Da bin ich nicht zufrieden, über das Resultat, absolut nicht. Das hat einen dann schon zum Überlegen gebracht, wo die Gelder überall fließen können und wo sie nicht fließen dürfen. Das ist es nicht."
Mann: "Ob alles so hätte laufen müssen, verwaltungsmäßig, das weiß ich nicht. Da hätte man vielleicht noch einiges überdenken müssen. Aber insgesamt finde ich es richtig, dass sich der Staat in solch einem Projekt hier auch engagiert."
Damals. Aufbau Ost
Rehfeld: Großprojekte und die wahren Kosten. Der Wiederaufbau der Neuen Länder. Der Kostenvoranschlag sah günstig aus, wurde jedenfalls nicht als exorbitant hoch unter die Bürger gebracht. Und alles sollte auch ganz schnell Blüten tragen. Nun, von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West wird auch in den nächsten drei Jahrzehnten nicht die Rede sein können. Peter Zudeick über Baupläne, Bauumstände und Baukosten:
Das ist in der Politik wie bei großen Bauvorhaben: Man muss die tatsächlichen Kosten verschweigen, sonst wird nichts draus. Helmut Kohl wollte die deutsche Einheit bauen. Einerseits. Er wollte aber auch Kanzler der deutschen Einheit werden. Also die erste gesamtdeutsche Wahl gewinnen. Dafür musste er auf der einen Seite Klarheit und Wahrheit versprechen:
Kohl: "Ich bin dafür, dass Kassensturz gemacht wird, und zwar sobald wie möglich, und ich bin auch dafür, dass die Bürger in der Bundesrepublik und die Bürger in der DDR bei den Wahlen genau Bescheid wissen."
Auf der anderen Seite musste er den DDR-Bürgern quasi paradiesische Zustände versprechen.
Kohl: "Wir haben die Kraft, wir haben die Mittel, und wir haben die Möglichkeiten, aus den neuen Bundesländern in drei, vier, fünf Jahren blühende Landschaften zu machen."
Und schließlich musste er die Westbürger beruhigen, die fürchteten, jetzt werde es ihnen mächtig ans Portemonnaie gehen.
Kohl: "Wenn ich jetzt dem Bürger vor dieser Wahl sage, wir machen keine Steuererhöhung im Zusammenhang mit der deutschen Einheit, dann machen wir keine."
Nur: Spätestens im Sommer 1990 war allen, die sich und anderen nichts vormachen wollten, klar, dass man die Einheit eben nicht aus der Portokasse würde finanzieren können, wie Kohl suggeriert hatte. Die DDR-Wirtschaft kollabierte, eine Völkerwanderung von Ost nach West setzte ein, die seither nie so ganz aufgehört hat.
Kohl: "Es ist einfach unredlich, den Eindruck zu erwecken, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR könnte auf absehbare Zeit nichts oder nur sehr wenig aus eigener Kraft finanziert werden."
Das konnte damals nur glauben, wer den Wirtschaftsdaten des Zentralkomitees der SED vertraut hat. Nur: Skepsis war streng untersagt, schließlich wollte man Wahlen gewinnen:
Kohl: "Wer jetzt polemisch durchs Land zieht und die Kosten der Einheit als ein beinahe unüberwindliches Hindernis darstellt, der soll ebenso offen über die wegfallenden Kosten der Teilung sprechen."
Was immer Helmut Kohl damit gemeint haben mag: Er hat die Mehrheit der Deutschen überzeugen können. Die im Osten von den "blühenden Landschaften", die im Westen von der Einheit "aus der Portokasse". Ergebnis: Die Union holt bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 43,8 Prozent, Helmut Kohl wird Kanzler der deutschen Einheit. Mit seinen Versprechungen freilich ging es nicht so glatt: Vom Kapitalismus platt gewalzte Industrielandschaften im Osten, verlassene Dörfer, verödete Landstriche neben blank gewienerten Vorzeigeobjekten. Und zur Finanzierung der Einheit wurden eben doch Steuern und Abgaben erhöht: Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Versicherungssteuer, Tabaksteuer, Erdgassteuer. Dazu kam der Solidaritätszuschlag. Der war ursprünglich nur für ein Jahr geplant, es gibt ihn heute noch.
Helmut Kohl war zum Kanzler der "Steuerlüge" geworden. Das kam vor allem im Westen nicht so gut an. Am 27. Februar 1991 legte die "Bild"-Zeitung ihn flach. Auf der Titelseite wurde Kohl in der Horizontalen abgebildet, dazu die fetten Schlagzeilen: "Die Steuerlüge" und "Der Umfaller". Ob Kohl und die Seinen nun tatsächlich gelogen, also wissentlich die Unwahrheit gesagt oder sich nur grandios verschätzt haben, steht dahin. Die Gesamtkosten der Einheit belaufen sich - je nach Schätzung - zwischen 1,5 und 1,8 Billionen Euro, jährlich kommen rund 100 Milliarden dazu.
Und obwohl Steuern und Abgaben einschließlich Soli von allen in Ost und West gezahlt werden, fiel die Belastung des Westens proportional höher aus. Wegen der Transferleistungen (u.a. für Renten, Arbeitslosengeld, Ausgaben für Beamte und Angestellte in den neuen Ländern) und der Aufbauhilfen, die spezifisch für die neuen Länder entwickelt wurden. Diesen Kosten standen eben nicht, wie Kohl versprochen hatte, adäquate "Erträge der Einheit" im Osten gegenüber.
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