Ralf Bogdanski: "Nachhaltige Stadtlogistik
Warum das Lastenfahrrad die letzte Meile gewinnt"
Huss Verlag, 2019
190 Seiten, 89,88 Euro
Die letzte Meile macht das Lastenrad
06:58 Minuten
Sie sind flink, wendig und umweltfreundlich: Bis zu 20 Prozent des innerstädtischen Warenverkehrs könnten in Zukunft per Lastenbike transportiert werden, heißt es im Bundesverkehrsministerium. Bisher ist dies allerdings noch Zukunftsmusik.
Ein Lastenrad nach dem anderen rollt auf den Parkplatz vor der Kirche. Friedrich Stachwitz, in Radlerhose und blauem Funktionshemd, beobachtet interessiert das Manövrieren der Tret-Transporter. "In den letzten fünf Jahren ist unheimlich viel passiert, es sind international unglaublich viele neue Player auf dem Markt."
Alle großen Hersteller haben ihre Lasten-Räder Ende Oktober nach Berlin gebracht, zur "1. Nationalen Radlogistik-Konferenz". Das Modell Armadillo kommt aus Schweden, der Radburro aus den USA, aus Deutschland sind knapp ein Dutzend Unternehmen am Start.
Alle großen Hersteller haben ihre Lasten-Räder Ende Oktober nach Berlin gebracht, zur "1. Nationalen Radlogistik-Konferenz". Das Modell Armadillo kommt aus Schweden, der Radburro aus den USA, aus Deutschland sind knapp ein Dutzend Unternehmen am Start.
Rasante technische Entwicklung
Friedrich Stachwitz geht von Rad zu Rad, fachsimpelt mit den Fahrern. Stachwitz ist Transportprofi. Seit drei Jahren radelt er für Velogista, einen der Pioniere der Warenauslieferung per Lastenfahrrad. Lebensmittel-Kisten, Büromaterial, Pakete - alles kutschiert der 39-Jährige durch die Berliner Innenstadt. Bis zu 250 Kilo pro Tour. Auf einem Lastenrad der ersten Generation, einem 0815-Modell, mittlerweile einige Jahre alt. Stachwitz Wunsch an die Nachfolgemodelle: "Aus dem Betrieb heraus: Wartungsarmut, dass die Dinge wirklich halten, dass die robust sind, dass ich damit den ganzen Tag jeden Tag unter Maximallast fahren kann. Ja, und dass ich das nicht alle drei Tage in die Werkstatt geben muss, weil wieder irgendwas ist."
Und dann natürlich die Akku-Leistung. Sie begrenzt den Einsatzradius. Auch hier überbieten sich mittlerweile die Anbieter. Staunend betrachtet Stachwitz ein US-amerikanisches Modell, den Radburro, entwickelt in Seattle, in Deutschland vertrieben von einer holländischen Firma. "Was ich da jetzt gehört habe, da ist ein Akku drin verbaut, der hält 130 Kilometer. Da kommst du einen ganzen Tag mit durch. Das ist für mich neu. Unsere Akkus, die halten 30 Kilometer.
Und dann natürlich die Akku-Leistung. Sie begrenzt den Einsatzradius. Auch hier überbieten sich mittlerweile die Anbieter. Staunend betrachtet Stachwitz ein US-amerikanisches Modell, den Radburro, entwickelt in Seattle, in Deutschland vertrieben von einer holländischen Firma. "Was ich da jetzt gehört habe, da ist ein Akku drin verbaut, der hält 130 Kilometer. Da kommst du einen ganzen Tag mit durch. Das ist für mich neu. Unsere Akkus, die halten 30 Kilometer.
Lastenrad: flinker, wendiger, umweltfreundlich
"Guten Morgen, ich begrüße Sie zur ersten Rad-Logistik-Konferenz." Im Innern der Kirche sind Altar und Taufbecken versenkt, so wandelt sich das Kirchenschiff zum Tagungsraum. Ein Dutzend Lastenräder parkt am Rand, gut 200 Kongressteilnehmer diskutieren über die Zukunft der Innenstadt-Logistik. "Das ist der wichtige Punkt: Mit einem Lastenfahrrad mit einem Ladevolumen von circa zwei Kubikmetern nehme ich einen LKW aus dem Verkehr."
Ein Cargo-Bike kann im Innenstadtbereich durchaus einen Kleintransporter ersetzen, berichtet ein Vertreter des Paketdienstleisters UPS. In der Münchener Umweltzone liefert das Unternehmen mittlerweile zwei Drittel seiner Sendungen per Lastenbike aus. Ein Beweis für die Praxistauglichkeit, sagt Ralf Bogdanski, Professor für Logistik und Intelligente Verkehrsplanung in Nürnberg. Der Ingenieur hat auch an der Entwicklung etlicher Lastenräder mitgearbeitet. "Das ist erstaunlich, wie rasant diese Branche wächst. Und ich sage es immer, die Firmen sprießen fast wie Pilze aus dem Boden, da entsteht täglich Neues. Und das ist sehr, sehr positiv."
Bis zu 20 Prozent des innerstädtischen Warenverkehrs könnten in Zukunft per Lastenbike transportiert werden, hat gerade einmal wieder das Bundesverkehrsministerium verkündet. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, sagt Bogdanski. Er hat für Bayern einmal nachgerechnet: "Wir sind bei unter zwei Prozent dessen, was möglich ist, also weit weg von dem, was geht."
Es fehlen: Standards, Transport- und Verkehrskonzepte
Trotzdem: Auch Bogdanski geht davon aus, dass sich die Lastenräder in den nächsten Jahren in den Innenstädten durchsetzen. Die technische Entwicklung ist weitgehend abgeschlossen. Es fehlt an passenden Transport- und Verkehrskonzepten. Gebraucht werden innerstädtische Lagerflächen, um Pakete vom LKW auf Lastenräder umzuladen, breitere Radwege, damit sich Privat- und Transport-Radler nicht in die Quere kommen, und nicht zuletzt fehlt noch ein einheitlicher Standard für die Transportcontainer, noch. "Es wird sich was rausdestillieren, wenn die Standardisierung mal umgesetzt wird, wird sich ganz sicher eine Branche hier etablieren, von Lösungsanbietern. Weil: Das Fahrzeug alleine reicht nicht, wir brauchen Wechselsysteme, wir brauchen Zusammenspiel mit Mikrodepots, mit logistischen Konzepten."
"Warum das Lastenbike die letzte Meile gewinnt" ist dann auch der Titel von Bogdanski neuestem Fachbuch. Flinker, wendiger, umweltfreundlicher, das sind altbekannte Argumente. Eines aber macht die Lastenräder für Logistik-Firmen derzeit besonders attraktiv: die Führerscheinfreiheit.
"Die Logistik hat ein großes Problem, Kraftfahrer zu finden für Transporter und LKWs mit dem richtigen Führerschein, die bereit sind, sich in den Stau zu stellen. Es ist überhaupt kein Problem, sogar sehr viel einfacher, Mitarbeiter zu finden, die Lastenräder fahren."
Wenn dann noch die neuen Cargo-Räder halten, was sie versprechen, und die Infrastruktur passt, hält Bogdanski sogar bis zu 30 Prozent Transportanteil in den Innenstädten für möglich.
"Die Logistik hat ein großes Problem, Kraftfahrer zu finden für Transporter und LKWs mit dem richtigen Führerschein, die bereit sind, sich in den Stau zu stellen. Es ist überhaupt kein Problem, sogar sehr viel einfacher, Mitarbeiter zu finden, die Lastenräder fahren."
Wenn dann noch die neuen Cargo-Räder halten, was sie versprechen, und die Infrastruktur passt, hält Bogdanski sogar bis zu 30 Prozent Transportanteil in den Innenstädten für möglich.
Wer aufrüstet, riskiert den Fahrradstatus
Draußen, vor der Kirche liegt Friedrich Stachwitz unter einem Lastenrad, fotografiert mit seinem Mobiltelefon die Bremsen. Das US-Modell hat es dem Lastenrad-Fahrer angetan. Vor allem der Preis. "Ab 6499 Euro" steht werbewirksam an der Seite des Containers. "Weil es in Groß-Serie in China produziert wird, können die das quasi zu der Hälfte des Preises anbieten, was ein vergleichbares Modell aus europäischer Produktion heute kostet."
Er hat schon eine Testrunde gedreht, inklusive Schnellstart und Vollbremsung. "Super, wirklich leistungsstark, gut im Anfahren. Und das ist auch durchaus das Problem, wie ich jetzt gerade mitbekomme."
Er hat schon eine Testrunde gedreht, inklusive Schnellstart und Vollbremsung. "Super, wirklich leistungsstark, gut im Anfahren. Und das ist auch durchaus das Problem, wie ich jetzt gerade mitbekomme."
Der Motor ist zu stark, das Gefährt zu schnell – und damit nach der Straßenverkehrszulassungsordnung kein Fahrrad mehr, sondern ein sogenanntes S-Pedelec.
"Dieses Ding, wie es jetzt aufgebaut ist, bräuchte es einen zusätzlichen Versicherungsschein, eben sagte ein Polizist, kleinsten Motorradführerschein brauchst du im Grunde." Friedrich Stachwitz wird sich also nach einem anderen Modell umsehen müssen.