Warum die Liebe bedroht ist
Der größte Feind der Liebe ist der Egoismus: Der französische Philosoph Alain Badiou räsoniert über zwischenmenschliche Gefühle - und befreit nebenbei den Begriff der Treue von allem ideologischen Ballast.
"Liebe – garantiert": Auf diesen Zusammenhang lassen sich die meisten Anzeigen einschlägiger Partnerschaftsvermittlungen reduzieren. Dass solche Versprechungen unhaltbar sind, ist fast schon ein Allgemeinplatz, aber selten hat jemand so elegant und entschlossen die Liebe als Treue zum Zufall der ersten Begegnung verteidigt wie der französische Philosoph Alain Badiou. In seinem neuen Buch "Lob der Liebe" antwortet er auf die klugen Fragen des Philosophen Nicolas Truong; die sechs Kapitel des schmalen Bandes sind die bearbeitete Abschrift eines Gesprächs, das 2008 im Rahmen eines Theaterfestivals stattfand.
Badiou beginnt seine Ausführungen mit der These, dass die Liebe bedroht sei – nicht nur vom Sicherheitsdenken, für das er eine herrlich punktgenaue Verachtung hat, sondern auch von ihrer Entwertung als bloße Spielart hedonistischen Genießens. Dem stellt der Autor die Liebe als Ereignis entgegen, das den Liebenden lehrt, "dass man die Welt vom Unterschied aus erfahren kann, und nicht nur von der Identität aus". Dieser Austausch geht über das geteilte Genießen hinaus, er ist der Anfang einer "Bühne der Zwei", die entsteht, wenn der andere "mit seinem Sein bewaffnet in mein Leben getreten ist und es damit zerbrochen und neu zusammengesetzt hat".
Mit dieser Bühne der Zwei, die sowohl im Annehmen als auch im Aushalten der Unterschiedlichkeit der Liebenden besteht, wendet sich Badiou explizit gegen die "Rache des Einen" – verstanden als Umlenkung der Liebe der zwei auf einen christlichen Gott oder gar die erstickende Verschmelzung der Liebenden zu einem sprachlosen Wir. Ihm geht es um eine andere Art von Universalität, denn "jede Liebe bietet eine neue Wahrheitserfahrung darüber an, was es bedeutet, zu zweit und nicht einer zu sein".
Das führt Badiou zu Fragen der Dauer, und zu einer immer wieder zu leistenden Liebeserklärung: "Ich werde aus dem, was ein Zufall war, etwas anderes machen. Ich werde daraus eine Dauer, eine Hartnäckigkeit, eine Verpflichtung, eine Treue machen." Dieser Begriff von Treue ist von allem ideologischen Ballast befreit und im radikalen Sinn persönlich, gerichtet auf ein einmaliges Du. So entwirft sich die Liebe als Entscheidung für eine Welt, die vom Unterschied aus erfahren wird – während die Liebenden die immer gleichen Punkte passieren: Kinder, Reisen, Freunde, Ausgehen, Krankheit, Ferien usw. Dabei muss die erste Liebeserklärung von jedem Punkt aus neu formuliert werden. Badiou scheut sich nicht, das Wort "mühsam" auszusprechen und benennt im gleichen Atemzug den größten Feind der Liebe: den Egoismus, verstanden als Identitätshunger des einzelnen Ichs.
Hier spricht ein Liebender, einer, der gelebt und gewagt und gelitten hat und dessen unaufdringliche Weisheit lange nachhallt. An einer Stelle sagt Badiou: "Es gab Dramen, Zerfleischungen und Ungewissheiten, aber ich habe niemals mehr eine Liebe verlassen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diejenigen, die ich geliebt habe, auf ewig geliebt habe und noch liebe." Man möchte ihm glauben. Und es ihm gleichtun.
Besprochen von Ariadne von Schirach
Alain Badiou: Lob der Liebe
Übersetzt von Richard Steurer
Passagen Verlag 2011
89 Seiten, 11,90 Euro
Badiou beginnt seine Ausführungen mit der These, dass die Liebe bedroht sei – nicht nur vom Sicherheitsdenken, für das er eine herrlich punktgenaue Verachtung hat, sondern auch von ihrer Entwertung als bloße Spielart hedonistischen Genießens. Dem stellt der Autor die Liebe als Ereignis entgegen, das den Liebenden lehrt, "dass man die Welt vom Unterschied aus erfahren kann, und nicht nur von der Identität aus". Dieser Austausch geht über das geteilte Genießen hinaus, er ist der Anfang einer "Bühne der Zwei", die entsteht, wenn der andere "mit seinem Sein bewaffnet in mein Leben getreten ist und es damit zerbrochen und neu zusammengesetzt hat".
Mit dieser Bühne der Zwei, die sowohl im Annehmen als auch im Aushalten der Unterschiedlichkeit der Liebenden besteht, wendet sich Badiou explizit gegen die "Rache des Einen" – verstanden als Umlenkung der Liebe der zwei auf einen christlichen Gott oder gar die erstickende Verschmelzung der Liebenden zu einem sprachlosen Wir. Ihm geht es um eine andere Art von Universalität, denn "jede Liebe bietet eine neue Wahrheitserfahrung darüber an, was es bedeutet, zu zweit und nicht einer zu sein".
Das führt Badiou zu Fragen der Dauer, und zu einer immer wieder zu leistenden Liebeserklärung: "Ich werde aus dem, was ein Zufall war, etwas anderes machen. Ich werde daraus eine Dauer, eine Hartnäckigkeit, eine Verpflichtung, eine Treue machen." Dieser Begriff von Treue ist von allem ideologischen Ballast befreit und im radikalen Sinn persönlich, gerichtet auf ein einmaliges Du. So entwirft sich die Liebe als Entscheidung für eine Welt, die vom Unterschied aus erfahren wird – während die Liebenden die immer gleichen Punkte passieren: Kinder, Reisen, Freunde, Ausgehen, Krankheit, Ferien usw. Dabei muss die erste Liebeserklärung von jedem Punkt aus neu formuliert werden. Badiou scheut sich nicht, das Wort "mühsam" auszusprechen und benennt im gleichen Atemzug den größten Feind der Liebe: den Egoismus, verstanden als Identitätshunger des einzelnen Ichs.
Hier spricht ein Liebender, einer, der gelebt und gewagt und gelitten hat und dessen unaufdringliche Weisheit lange nachhallt. An einer Stelle sagt Badiou: "Es gab Dramen, Zerfleischungen und Ungewissheiten, aber ich habe niemals mehr eine Liebe verlassen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diejenigen, die ich geliebt habe, auf ewig geliebt habe und noch liebe." Man möchte ihm glauben. Und es ihm gleichtun.
Besprochen von Ariadne von Schirach
Alain Badiou: Lob der Liebe
Übersetzt von Richard Steurer
Passagen Verlag 2011
89 Seiten, 11,90 Euro