Warum ein Qualitätsblatt der "Mogelei eine Plattform bietet"
Gar nicht neidisch auf das große Guttenberg-Interview der Hamburger Kollegen ist FAZ-Redakteur Jürgen Kaube. Er sieht "Die Zeit" eher in Verlegenheit, denn sie gestatte dem Ex-Doktor, sein Comeback "wieder mit einem Schwindel" zu beginnen.
Frank Meyer: "Mein ungeheuerlicher Fehler", das prangt heute ganz groß auf der neuen "Zeit", der Wochenzeitung aus Hamburg. Mein ungeheuerlicher Fehler, das sagt Karl-Theodor zu Guttenberg zu seiner Doktorarbeit voller Plagiate. Aber wenn man die "Zeit" dann beim Dossier aufschlägt, dann liest man genau so groß gedruckt "Es war kein Betrug", wieder O-Ton Guttenberg zum gleichen Thema. Und dann folgen vier Seiten großes Interview mit ihm, unter anderem über die mögliche Rückkehr Guttenbergs in die deutsche Politik.
Über diese Guttenberg-Initiative der "Zeit" reden wir mit Jürgen Kaube, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seien Sie willkommen, Herr Kaube!
Jürgen Kaube: Hallo!
Meyer: Was halten Sie denn von diesem Guttenberg-Special der "Zeit" in dieser Woche?
Kaube: Nun, was die Versuche von Herrn Guttenberg angeht, seine Dissertations-Machenschaften zu rechtfertigen beziehungsweise zu sagen, es war eine Dummheit, das ist mir passiert, es war fahrlässig, würde man vielleicht im Strafrecht sagen, und keine Tat, sind sie nicht sehr befriedigend. Also im Grunde genommen hätte man ja gedacht, dass die Wiederkehr eines Politikers, die ja möglich sein muss, natürlich – wenn jemand einen Fehler begangen hat, dann ist das ja nicht das Ende seiner Biografie, auch nicht seiner politischen Biografie – dass die Wiederkehr, wenn man so will, wieder mit einem Schwindel beginnt, das macht einen doch einigermaßen fassungslos.
Meyer: Und wenn Sie auf die Rolle der "Zeit" dabei schauen, dass sie Guttenberg so eine Plattform bietet mit diesem Rieseninterview, damit auch der Werbung für das Buch, das nächste Woche erscheinen soll, was halten Sie davon?
Kaube: Na, ich würde das auseinanderhalten. Also das Interview mit ihm zu führen, ein Gespräch auch über seine Rückkehrabsichten, die ja so ein bisschen nebulös formuliert werden, fast so in Form so einer kleinen Drohung und pünktlich zur Eurokrise, da würde ich sagen, gut, das mag journalistische Praxis sein, dass man dann sagt: Wir machen so etwas. Aber es ist ja im Grunde genommen ein Vorabdruck, eine Art Vorab-Reklame für diesen Gesprächsband. Und da, finde ich, sind vielleicht Grenzen erreicht.
Man muss sagen, Giovanni di Lorenzo, der das Gespräch geführt hat und dieses Buch mit Guttenberg gemacht hat, war schon damals in einem Leitartikel der "Zeit" der Meinung, dass er Minister bleiben soll, dass das so schlimm nun auch wieder nicht ist, dass die Schwindeleien im Bereich der Wissenschaft seine Glaubwürdigkeit als Politiker oder seine Leistungsfähigkeit als Politiker nicht tangieren. Insofern ist es vielleicht gar kein Zufall, dass es jetzt derselbe Journalist ist.
Aber man ist doch ein bisschen erstaunt, denn auch "Die Zeit" hat ja ein Publikum, das sich ein wenig auskennen dürfte mit den Standards in der Wissenschaft, an den Universitäten. "Die Zeit" unternimmt ja sehr viel auch erfreulicherweise für Studenten und Berichterstattung über deren Leben und deren Tätigkeit an der Universität. Und da steht das dann doch ein bisschen quer dazu, dass man ihnen so etwas durchgehen lässt, dass man zwar fragt, wie das di Lorenzo tut, und nachhakt und sagt, ist denn das glaubwürdig, aber am Ende dann doch irgendwie dieser Art von Mogelei eine Plattform bietet.
Meyer: Nun muss man jetzt dazusagen, wenn wir Ihre Kritik an der "Zeit" hören, dass die "FAZ" und die "Zeit" ja schon lange eine herzliche Feindschaft verbindet. Sie sind ja schließlich auch Konkurrenten, und deshalb: So einen Scoop, dieses Interview mit dem früheren Politikstar nach dessen Rückzug, hätten Sie vielleicht auch gerne in Ihrem Blatt gehabt, weil das so viel Aufmerksamkeit nach sich zieht?
Kaube: Sie dürfen davon ausgehen, dass es abgelehnt worden ist.
Meyer: Das heißt, es wurde Ihnen auch angeboten?
Kaube: Das ist das, was man hört… Nicht mir persönlich! Aber ich würde das auch mit der Feindschaft gar nicht so stehen lassen wollen. Wir haben ein großes Interesse daran, dass es allen Zeitungen, die versuchen, Qualitätsjournalismus zu machen, gut geht. Insofern, ich bin nicht sehr neidisch auf sie, im Gegenteil, ich würde sagen, es steht jetzt eine gewisse Verlegenheit auf Seiten der "Zeit", weil, wie gesagt, das sich-Einsetzen, und das ist es doch irgendwie für einen Politiker, der so viele Standards, die wir teilen unter den Zeitungen, verletzt hat und wieder verletzt und wieder die Mär in die Welt setzt, er habe das unabsichtlich, es sei ihm unterlaufen, er habe am vier Computern gearbeitet und den Überblick verloren…
Wer das einmal in der Hand hatte, das Buch von Herrn Guttenberg – und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, es von vorne bis hinten zu lesen –, der weiß, dass es von Anfang bis Ende zusammengeschustert ist, dass es nicht sein kann, dass jemand so etwas unabsichtlich tut. Das hat übrigens ja auch die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth festgestellt, dass es bewusste Täuschung ist. Und er kann sich das offenbar nicht eingestehen, und vor allem, er kann es den anderen nicht eingestehen, dass das eben so war. Da, an dieser Hürde scheitert sozusagen diese Person.
Meyer: Interessant ist ja nun auch auch das Timing für diese momentane Guttenberg-Welle, die wir haben. Wir haben darüber heute schon gesprochen in dieser Sendung mit Stefan Weber, Medienwissenschaftler und ein Spezialist für Plagiate in der Wissenschaft, und der hat dazu folgendes gesagt:
"Die Entscheidung und vor allem der Zeitpunkt der Verkündigung der Entscheidung sind sicherlich Teil einer medialen Gesamtinszenierung von Guttenberg und Weggefährten. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung verkündigt und parallel dazu Guttenberg in den Medien und in Form eines Interviewbuches wieder präsent ist. Und ich finde das einfach degoutant."
Meyer: Ja, Teil einer medialen Gesamtinszenierung – jetzt die angesehene Wochenzeitung "Die Zeit". Würden Sie auch so weit gehen, Jürgen Kaube, das so einzuordnen?
Kaube: Es ist sicherlich so, dass das Verfahren, das jetzt eingestellt worden ist, gegen eine Zahlung einer Summe, dass just in dem Moment dann auch dieses Buch erscheint, das wird man womöglich nicht als Zufall dastehen lassen können. Auch die Schlagzeile "Es war kein Betrug", die bezieht sich ja darauf, auf unter anderem Äußerungen des Verfassungsrechtlers Oliver Lepsius der Universität Bayreuth, der Guttenberg einen Betrüger genannt hat, natürlich nicht im strafrechtlichen Sinne, Herr Lepsius ist ja Jurist, er kennt sich aus, und ich würde sagen, er ist im Vergleich wahrscheinlich der bessere Jurist im Vergleich zu Guttenberg, deshalb, den muss man nicht belehren, dass das nicht im strafrechtlichen Sinne ein Betrug ist.
Aber wir haben natürlich auch noch einen umgangssprachlichen, allgemeinsprachlichen Ausdruck "Betrüger", und darüber könnte man dann schon reden, wie man diese Schwindeleien nennen soll. Sodass also wie gesagt man den Eindruck haben kann, Guttenberg möchte ein bisschen abgreifen, dass jetzt eine juristische Instanz gesagt hat, im strafrechtlichen Sinne wird das nicht weiterverfolgt.
Meyer: Uns treibt ja auch die Frage um, warum macht die Wochenzeitung "Die Zeit" so etwas. Wir hätten das natürlich auch gern mit dem Chefredakteur der "Zeit" besprochen, eben mit Giovanni di Lorenzo, der auch dieses Guttenberg-Interview geführt hat, der hat aber ein Interview abgelehnt, die Frage also an Sie: Warum macht "Die Zeit" so etwas, also über den Grund hinaus, dass so etwas natürlich Aufmerksamkeit und damit Auflage schafft?
Kaube: Na ja, das wird halt der Grund sein. Ich bin nicht sicher, ob "Die Zeit" komplett intern ganz einig ist in diesem Punkt. Da gibt es sicherlich auch Kollegen, die das mit gemischten Gefühlen betrachten. Also ich könnte mir vorstellen, die Wissenschaftsredaktion oder die Hochschulredakteure, die ja durchaus sehr scharf, sehr kritisch auch geschrieben haben, dass die das vielleicht nicht teilen, was die Chefredaktion da gemacht hat. Natürlich, klar ist das ein Scoop, sonst würden wir ja jetzt gar nicht darüber reden. Aber es ist ein bisschen die Frage, wie man nachher dasteht.
Aufmerksamkeit erzeugen ist ja nur ein Gesichtspunkt von Medien, ja, neben anderen. Es muss auch noch irgendwie stimmen, es müssen Maßstäbe gesellschaftlichen Anstandes irgendwie gewahrt werden, es muss auch irgendwie eine Gewichtung vorgenommen werden, dass man sagt: Was hat man nun eigentlich davon zu halten? Und da sich dann nur für die Aufmerksamkeit zu entscheiden, halte ich für, sagen wir mal, kurzsichtig.
Meyer: Diese kurzsichtige Aktion steht ja nicht alleine da. Es gab vor Kurzem schon einmal eine eigentlich noch größere konstatierte Aktion von Politik und Medien, als "Die Zeit" eben wieder zusammen mit Günther Jauch in der ARD und "Der Spiegel" gemeinsam das Gespann Helmut Schmidt und Peer Steinbrück ganz nach vorne geschoben haben mit ihrem gemeinsamen Buch und mit der Kanzlerkandidatur-Bewerbung für Peer Steinbrück. Muss man da bei diesen beiden Vorgängen von ausgehen, dass so eine Gefahr da ist, dass die großen Medien Maßstäbe verlieren, den nötigen Abstand zur Politik nämlich?
Kaube: Das wäre bedauerlich, denn es gibt immer eine gewisse Gefahr im Journalismus, nicht mehr über die Dinge zu sprechen, nicht mehr sie zu analysieren im Sinne des Publikums, der Leserschaft, sondern irgendwie die Plattform zu bieten. Wir kennen das so aus dem Sport, dass also der Sportjournalist im Fernsehen eigentlich doch eher ein Moderator ist, die Sache toll findet und an der Begeisterung teil hat und das irgendwie auch rüberbringen will, sozusagen. Und dieses Rüberbringen ist eigentlich keine originäre Aufgabe des Journalismus. Das ist die originäre Aufgabe von Reklame und PR.
Und diese Trennung finde ich, auf die muss man achten, insbesondere im Bereich von Medien, öffentlicher Rundfunk, Fernsehen, Qualitätszeitung, die die Möglichkeit dazu haben, weil sie eine gewisse Unabhängigkeit haben, weil sie eigentlich nicht wirtschaftlich davon abhängig sind, alles zu machen, was geht. Also da würde ich schon sagen, das ist eine ständige Gefahr, eigentlich nur die Plattform zu bieten und dem muss man irgendwie bewusst sein.
Meyer: Und, Herr Kaube, hat in diesem konkreten Fall die Zeitung "Die Zeit" die Grenze zur PR für Guttenberg überschritten?
Kaube: Das ist eine schwierige Frage. Wie gesagt, das Interview, der Wortlaut des Interviews enthält ja Passagen, wo nachgebohrt wird – leider nicht insistent genug meiner Ansicht nach, aber das sind vielleicht Geschmacksfragen. Ich finde die Kombination von Interview und Interview-Buch oder Gesprächs-Buch, die finde ich irgendwie schwierig. Also wenn man praktisch dran verdient an dem Auftritt, an dieser Kulisse – er kommt jetzt wieder, nachdem er lange Zeit der Buße … Ich meine, das Ganze fand ja im Februar diesen Jahres statt. Das sind ein paar Monate, also die normalen Bußfristen sind, wenn man so will, noch nicht erfüllt …
Meyer: Sind eigentlich länger, ja. Jürgen Kaube, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Causa Guttenberg und die Haltung der Medien dazu, insbesondere der Wochenzeitung "Die Zeit". Vielen Dank für das Gespräch!
Kaube: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Über diese Guttenberg-Initiative der "Zeit" reden wir mit Jürgen Kaube, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seien Sie willkommen, Herr Kaube!
Jürgen Kaube: Hallo!
Meyer: Was halten Sie denn von diesem Guttenberg-Special der "Zeit" in dieser Woche?
Kaube: Nun, was die Versuche von Herrn Guttenberg angeht, seine Dissertations-Machenschaften zu rechtfertigen beziehungsweise zu sagen, es war eine Dummheit, das ist mir passiert, es war fahrlässig, würde man vielleicht im Strafrecht sagen, und keine Tat, sind sie nicht sehr befriedigend. Also im Grunde genommen hätte man ja gedacht, dass die Wiederkehr eines Politikers, die ja möglich sein muss, natürlich – wenn jemand einen Fehler begangen hat, dann ist das ja nicht das Ende seiner Biografie, auch nicht seiner politischen Biografie – dass die Wiederkehr, wenn man so will, wieder mit einem Schwindel beginnt, das macht einen doch einigermaßen fassungslos.
Meyer: Und wenn Sie auf die Rolle der "Zeit" dabei schauen, dass sie Guttenberg so eine Plattform bietet mit diesem Rieseninterview, damit auch der Werbung für das Buch, das nächste Woche erscheinen soll, was halten Sie davon?
Kaube: Na, ich würde das auseinanderhalten. Also das Interview mit ihm zu führen, ein Gespräch auch über seine Rückkehrabsichten, die ja so ein bisschen nebulös formuliert werden, fast so in Form so einer kleinen Drohung und pünktlich zur Eurokrise, da würde ich sagen, gut, das mag journalistische Praxis sein, dass man dann sagt: Wir machen so etwas. Aber es ist ja im Grunde genommen ein Vorabdruck, eine Art Vorab-Reklame für diesen Gesprächsband. Und da, finde ich, sind vielleicht Grenzen erreicht.
Man muss sagen, Giovanni di Lorenzo, der das Gespräch geführt hat und dieses Buch mit Guttenberg gemacht hat, war schon damals in einem Leitartikel der "Zeit" der Meinung, dass er Minister bleiben soll, dass das so schlimm nun auch wieder nicht ist, dass die Schwindeleien im Bereich der Wissenschaft seine Glaubwürdigkeit als Politiker oder seine Leistungsfähigkeit als Politiker nicht tangieren. Insofern ist es vielleicht gar kein Zufall, dass es jetzt derselbe Journalist ist.
Aber man ist doch ein bisschen erstaunt, denn auch "Die Zeit" hat ja ein Publikum, das sich ein wenig auskennen dürfte mit den Standards in der Wissenschaft, an den Universitäten. "Die Zeit" unternimmt ja sehr viel auch erfreulicherweise für Studenten und Berichterstattung über deren Leben und deren Tätigkeit an der Universität. Und da steht das dann doch ein bisschen quer dazu, dass man ihnen so etwas durchgehen lässt, dass man zwar fragt, wie das di Lorenzo tut, und nachhakt und sagt, ist denn das glaubwürdig, aber am Ende dann doch irgendwie dieser Art von Mogelei eine Plattform bietet.
Meyer: Nun muss man jetzt dazusagen, wenn wir Ihre Kritik an der "Zeit" hören, dass die "FAZ" und die "Zeit" ja schon lange eine herzliche Feindschaft verbindet. Sie sind ja schließlich auch Konkurrenten, und deshalb: So einen Scoop, dieses Interview mit dem früheren Politikstar nach dessen Rückzug, hätten Sie vielleicht auch gerne in Ihrem Blatt gehabt, weil das so viel Aufmerksamkeit nach sich zieht?
Kaube: Sie dürfen davon ausgehen, dass es abgelehnt worden ist.
Meyer: Das heißt, es wurde Ihnen auch angeboten?
Kaube: Das ist das, was man hört… Nicht mir persönlich! Aber ich würde das auch mit der Feindschaft gar nicht so stehen lassen wollen. Wir haben ein großes Interesse daran, dass es allen Zeitungen, die versuchen, Qualitätsjournalismus zu machen, gut geht. Insofern, ich bin nicht sehr neidisch auf sie, im Gegenteil, ich würde sagen, es steht jetzt eine gewisse Verlegenheit auf Seiten der "Zeit", weil, wie gesagt, das sich-Einsetzen, und das ist es doch irgendwie für einen Politiker, der so viele Standards, die wir teilen unter den Zeitungen, verletzt hat und wieder verletzt und wieder die Mär in die Welt setzt, er habe das unabsichtlich, es sei ihm unterlaufen, er habe am vier Computern gearbeitet und den Überblick verloren…
Wer das einmal in der Hand hatte, das Buch von Herrn Guttenberg – und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, es von vorne bis hinten zu lesen –, der weiß, dass es von Anfang bis Ende zusammengeschustert ist, dass es nicht sein kann, dass jemand so etwas unabsichtlich tut. Das hat übrigens ja auch die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth festgestellt, dass es bewusste Täuschung ist. Und er kann sich das offenbar nicht eingestehen, und vor allem, er kann es den anderen nicht eingestehen, dass das eben so war. Da, an dieser Hürde scheitert sozusagen diese Person.
Meyer: Interessant ist ja nun auch auch das Timing für diese momentane Guttenberg-Welle, die wir haben. Wir haben darüber heute schon gesprochen in dieser Sendung mit Stefan Weber, Medienwissenschaftler und ein Spezialist für Plagiate in der Wissenschaft, und der hat dazu folgendes gesagt:
"Die Entscheidung und vor allem der Zeitpunkt der Verkündigung der Entscheidung sind sicherlich Teil einer medialen Gesamtinszenierung von Guttenberg und Weggefährten. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung verkündigt und parallel dazu Guttenberg in den Medien und in Form eines Interviewbuches wieder präsent ist. Und ich finde das einfach degoutant."
Meyer: Ja, Teil einer medialen Gesamtinszenierung – jetzt die angesehene Wochenzeitung "Die Zeit". Würden Sie auch so weit gehen, Jürgen Kaube, das so einzuordnen?
Kaube: Es ist sicherlich so, dass das Verfahren, das jetzt eingestellt worden ist, gegen eine Zahlung einer Summe, dass just in dem Moment dann auch dieses Buch erscheint, das wird man womöglich nicht als Zufall dastehen lassen können. Auch die Schlagzeile "Es war kein Betrug", die bezieht sich ja darauf, auf unter anderem Äußerungen des Verfassungsrechtlers Oliver Lepsius der Universität Bayreuth, der Guttenberg einen Betrüger genannt hat, natürlich nicht im strafrechtlichen Sinne, Herr Lepsius ist ja Jurist, er kennt sich aus, und ich würde sagen, er ist im Vergleich wahrscheinlich der bessere Jurist im Vergleich zu Guttenberg, deshalb, den muss man nicht belehren, dass das nicht im strafrechtlichen Sinne ein Betrug ist.
Aber wir haben natürlich auch noch einen umgangssprachlichen, allgemeinsprachlichen Ausdruck "Betrüger", und darüber könnte man dann schon reden, wie man diese Schwindeleien nennen soll. Sodass also wie gesagt man den Eindruck haben kann, Guttenberg möchte ein bisschen abgreifen, dass jetzt eine juristische Instanz gesagt hat, im strafrechtlichen Sinne wird das nicht weiterverfolgt.
Meyer: Uns treibt ja auch die Frage um, warum macht die Wochenzeitung "Die Zeit" so etwas. Wir hätten das natürlich auch gern mit dem Chefredakteur der "Zeit" besprochen, eben mit Giovanni di Lorenzo, der auch dieses Guttenberg-Interview geführt hat, der hat aber ein Interview abgelehnt, die Frage also an Sie: Warum macht "Die Zeit" so etwas, also über den Grund hinaus, dass so etwas natürlich Aufmerksamkeit und damit Auflage schafft?
Kaube: Na ja, das wird halt der Grund sein. Ich bin nicht sicher, ob "Die Zeit" komplett intern ganz einig ist in diesem Punkt. Da gibt es sicherlich auch Kollegen, die das mit gemischten Gefühlen betrachten. Also ich könnte mir vorstellen, die Wissenschaftsredaktion oder die Hochschulredakteure, die ja durchaus sehr scharf, sehr kritisch auch geschrieben haben, dass die das vielleicht nicht teilen, was die Chefredaktion da gemacht hat. Natürlich, klar ist das ein Scoop, sonst würden wir ja jetzt gar nicht darüber reden. Aber es ist ein bisschen die Frage, wie man nachher dasteht.
Aufmerksamkeit erzeugen ist ja nur ein Gesichtspunkt von Medien, ja, neben anderen. Es muss auch noch irgendwie stimmen, es müssen Maßstäbe gesellschaftlichen Anstandes irgendwie gewahrt werden, es muss auch irgendwie eine Gewichtung vorgenommen werden, dass man sagt: Was hat man nun eigentlich davon zu halten? Und da sich dann nur für die Aufmerksamkeit zu entscheiden, halte ich für, sagen wir mal, kurzsichtig.
Meyer: Diese kurzsichtige Aktion steht ja nicht alleine da. Es gab vor Kurzem schon einmal eine eigentlich noch größere konstatierte Aktion von Politik und Medien, als "Die Zeit" eben wieder zusammen mit Günther Jauch in der ARD und "Der Spiegel" gemeinsam das Gespann Helmut Schmidt und Peer Steinbrück ganz nach vorne geschoben haben mit ihrem gemeinsamen Buch und mit der Kanzlerkandidatur-Bewerbung für Peer Steinbrück. Muss man da bei diesen beiden Vorgängen von ausgehen, dass so eine Gefahr da ist, dass die großen Medien Maßstäbe verlieren, den nötigen Abstand zur Politik nämlich?
Kaube: Das wäre bedauerlich, denn es gibt immer eine gewisse Gefahr im Journalismus, nicht mehr über die Dinge zu sprechen, nicht mehr sie zu analysieren im Sinne des Publikums, der Leserschaft, sondern irgendwie die Plattform zu bieten. Wir kennen das so aus dem Sport, dass also der Sportjournalist im Fernsehen eigentlich doch eher ein Moderator ist, die Sache toll findet und an der Begeisterung teil hat und das irgendwie auch rüberbringen will, sozusagen. Und dieses Rüberbringen ist eigentlich keine originäre Aufgabe des Journalismus. Das ist die originäre Aufgabe von Reklame und PR.
Und diese Trennung finde ich, auf die muss man achten, insbesondere im Bereich von Medien, öffentlicher Rundfunk, Fernsehen, Qualitätszeitung, die die Möglichkeit dazu haben, weil sie eine gewisse Unabhängigkeit haben, weil sie eigentlich nicht wirtschaftlich davon abhängig sind, alles zu machen, was geht. Also da würde ich schon sagen, das ist eine ständige Gefahr, eigentlich nur die Plattform zu bieten und dem muss man irgendwie bewusst sein.
Meyer: Und, Herr Kaube, hat in diesem konkreten Fall die Zeitung "Die Zeit" die Grenze zur PR für Guttenberg überschritten?
Kaube: Das ist eine schwierige Frage. Wie gesagt, das Interview, der Wortlaut des Interviews enthält ja Passagen, wo nachgebohrt wird – leider nicht insistent genug meiner Ansicht nach, aber das sind vielleicht Geschmacksfragen. Ich finde die Kombination von Interview und Interview-Buch oder Gesprächs-Buch, die finde ich irgendwie schwierig. Also wenn man praktisch dran verdient an dem Auftritt, an dieser Kulisse – er kommt jetzt wieder, nachdem er lange Zeit der Buße … Ich meine, das Ganze fand ja im Februar diesen Jahres statt. Das sind ein paar Monate, also die normalen Bußfristen sind, wenn man so will, noch nicht erfüllt …
Meyer: Sind eigentlich länger, ja. Jürgen Kaube, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Causa Guttenberg und die Haltung der Medien dazu, insbesondere der Wochenzeitung "Die Zeit". Vielen Dank für das Gespräch!
Kaube: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.