Warum Fachkräfte im Ausland suchen, wenn Migranten bereits da sind?
Wie kann es sein, dass Menschen mit einem Migrationshintergrund bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung gegenüber Einheimischen benachteiligt werden? Das fragt sich der Politologe und Profi-Eishockey-Spieler Martin Hyun und fordert, qualifizierten Menschen eine realistische Chance zu geben.
Vor einigen Jahren wurde ich zu einem Bewerbungsgespräch nach Bonn eingeladen. Es ging um die Stelle eines deutschen Vertreters bei den Vereinten Nationen im Bereich Sport und Entwicklung. Ein Tribunal von vier Personen saß mir gegenüber. Das Gespräch verlief so weit ganz gut, bis mich ein Mann vom Auswärtigen Amt fragte: "In Ihrem Lebenslauf steht sehr viel über Korea. Sie haben sich aber für eine deutsche Stelle beworben. Wie steht es mit ihrer Loyalität?"
Ich verteidigte mich damit, dass ich deutscher Staatsbürger sei – und verließ das Gespräch und die Geburtsstadt Beethovens mit einem schlechten Gefühl. Einige Tage später erhielt ich die Absage per E-Mail.
Ähnliches ist mir schon häufig passiert. Und langsam ging mir ein Licht auf. Die Organisationen, bei denen ich mich bewarb, wollten anscheinend keinen Deutschen, der wie ein Asiate aussieht, sondern einen lupenreinen Landsmann.
Meine Freunde nannten mich "hoch qualifizierter Obdachloser" oder "Wanderarbeiter", weil ich mich nach dem Studium durch unentgeltliche Praktika durchschlug und nie länger als ein Jahr angestellt war – bis heute. Mittlerweile bin ich 33 Jahre alt.
Deutsche aus koreanischen Familien werden als Musterbeispiele gelungener Integration bezeichnet, als sogenannte "Academic-High-Achievers", als akademische Erfolgstypen. Und doch findet man sie nicht in den Führungsetagen – weder bedeutender Unternehmen noch wichtiger Institutionen.
Aufstieg durch Bildung ist eine Illusion. Es ist ein Mythos zu glauben, dass ein akademischer Titel vor Arbeitslosigkeit schützt. Auch das Qualitätssiegel, ein koreanischstämmiger Erfolgstyp in Sachen Bildung und Integration zu sein, garantiert keinen Start in die reale Arbeitswelt. In Deutschland bestimmt viel zu häufig der Zufall, der richtige Name, das Geschlecht, das Alter und die soziale Herkunft, wer durch die gläserne Decke nach oben gelangt. Eine Art Gnadenakt.
Wie kann es sein, dass gut ausgebildete Menschen mit ausländischen Abschlüssen keine angemessene Tätigkeit finden, weil ihre Qualifikationen in Deutschland nicht anerkannt werden? Wie kann es sein, dass Menschen mit einem Migrationshintergrund bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung gegenüber Einheimischen benachteiligt werden?
Warum werden Migranten, aber nur sie, auch Menschen mit Behinderung oder ab 50 oder Frauen, warum werden sie als Menschen mit Defiziten angesehen: als Risiko, weniger leistungsfähig und langsam, als Störenfriede der homogenen Unternehmenskultur? Anscheinend dürfen Fachkräfte nicht über 40 Jahre alt sein, nicht weiblich sein, nicht über einen Migrationshintergrund verfügen, nicht einen ausländisch klingenden Namen tragen.
Wir kritisieren den Fachkräftemangel und verschließen die Augen vor den vielen talentierten Menschen in unserem Lande. Wir werben um Experten aus dem Ausland, versprechen den viel diskutierten Indern eine "Greencard", sind enttäuscht, wenn sie lieber nach England oder in die USA gehen, aber Deutschen aus einer indischen Familie trauen wir nichts zu. Wundert es da, dass viele junge Leute ihr Glück nicht mehr hierzulande, sondern irgendwo anders in Europa oder Übersee suchen?
Deutschland rühmt sich damit, ein Land der Dichter und Denker zu sein. Doch das ist ein Ruf vergangener Tage. Heute sind wir ein Land des mangelnden Willens, mit einem der ungerechtesten Bildungssysteme westlicher Industriestaaten. In Deutschland herrscht kein Fachkräftemangel. Es herrscht der Mangel an Bereitschaft, sich für Menschen einzusetzen, die qualifiziert sind und Arbeit suchen, ihnen eine realistische Chance zu geben.
Der Mangel liegt an Vorurteilen und menschlichem Versagen. Das müssen wir anprangern. Denn wie Martin Luther King jr. einst sagte: "Verzögerte Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit" und keiner hat von uns die Zeit, sich auf weitere drei bis vier Jahrzehnte vertrösten zu lassen.
Martin Hyun wurde 1979 in der nordrhein-westfälischen Samt- und Seidenstadt Krefeld geboren. Hyun ist Sohn koreanischer Gastarbeiter und studierte Politik sowie International Relations in den USA und Belgien. Er war der erste koreanischstämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey Liga sowie Junioren Nationalspieler Deutschlands. Seit 1993 ist er glücklicher deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.
Ich verteidigte mich damit, dass ich deutscher Staatsbürger sei – und verließ das Gespräch und die Geburtsstadt Beethovens mit einem schlechten Gefühl. Einige Tage später erhielt ich die Absage per E-Mail.
Ähnliches ist mir schon häufig passiert. Und langsam ging mir ein Licht auf. Die Organisationen, bei denen ich mich bewarb, wollten anscheinend keinen Deutschen, der wie ein Asiate aussieht, sondern einen lupenreinen Landsmann.
Meine Freunde nannten mich "hoch qualifizierter Obdachloser" oder "Wanderarbeiter", weil ich mich nach dem Studium durch unentgeltliche Praktika durchschlug und nie länger als ein Jahr angestellt war – bis heute. Mittlerweile bin ich 33 Jahre alt.
Deutsche aus koreanischen Familien werden als Musterbeispiele gelungener Integration bezeichnet, als sogenannte "Academic-High-Achievers", als akademische Erfolgstypen. Und doch findet man sie nicht in den Führungsetagen – weder bedeutender Unternehmen noch wichtiger Institutionen.
Aufstieg durch Bildung ist eine Illusion. Es ist ein Mythos zu glauben, dass ein akademischer Titel vor Arbeitslosigkeit schützt. Auch das Qualitätssiegel, ein koreanischstämmiger Erfolgstyp in Sachen Bildung und Integration zu sein, garantiert keinen Start in die reale Arbeitswelt. In Deutschland bestimmt viel zu häufig der Zufall, der richtige Name, das Geschlecht, das Alter und die soziale Herkunft, wer durch die gläserne Decke nach oben gelangt. Eine Art Gnadenakt.
Wie kann es sein, dass gut ausgebildete Menschen mit ausländischen Abschlüssen keine angemessene Tätigkeit finden, weil ihre Qualifikationen in Deutschland nicht anerkannt werden? Wie kann es sein, dass Menschen mit einem Migrationshintergrund bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung gegenüber Einheimischen benachteiligt werden?
Warum werden Migranten, aber nur sie, auch Menschen mit Behinderung oder ab 50 oder Frauen, warum werden sie als Menschen mit Defiziten angesehen: als Risiko, weniger leistungsfähig und langsam, als Störenfriede der homogenen Unternehmenskultur? Anscheinend dürfen Fachkräfte nicht über 40 Jahre alt sein, nicht weiblich sein, nicht über einen Migrationshintergrund verfügen, nicht einen ausländisch klingenden Namen tragen.
Wir kritisieren den Fachkräftemangel und verschließen die Augen vor den vielen talentierten Menschen in unserem Lande. Wir werben um Experten aus dem Ausland, versprechen den viel diskutierten Indern eine "Greencard", sind enttäuscht, wenn sie lieber nach England oder in die USA gehen, aber Deutschen aus einer indischen Familie trauen wir nichts zu. Wundert es da, dass viele junge Leute ihr Glück nicht mehr hierzulande, sondern irgendwo anders in Europa oder Übersee suchen?
Deutschland rühmt sich damit, ein Land der Dichter und Denker zu sein. Doch das ist ein Ruf vergangener Tage. Heute sind wir ein Land des mangelnden Willens, mit einem der ungerechtesten Bildungssysteme westlicher Industriestaaten. In Deutschland herrscht kein Fachkräftemangel. Es herrscht der Mangel an Bereitschaft, sich für Menschen einzusetzen, die qualifiziert sind und Arbeit suchen, ihnen eine realistische Chance zu geben.
Der Mangel liegt an Vorurteilen und menschlichem Versagen. Das müssen wir anprangern. Denn wie Martin Luther King jr. einst sagte: "Verzögerte Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit" und keiner hat von uns die Zeit, sich auf weitere drei bis vier Jahrzehnte vertrösten zu lassen.
Martin Hyun wurde 1979 in der nordrhein-westfälischen Samt- und Seidenstadt Krefeld geboren. Hyun ist Sohn koreanischer Gastarbeiter und studierte Politik sowie International Relations in den USA und Belgien. Er war der erste koreanischstämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey Liga sowie Junioren Nationalspieler Deutschlands. Seit 1993 ist er glücklicher deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.