Klaus Englert ist Journalist und Buchautor. Er schreibt für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und den Hörfunk, vornehmlich über architektonische und philosophische Themen. Des Weiteren ist er als Kurator für Architektur-Ausstellungen tätig. Seine letzten Bücher sind "Jacques Derrida" (2009), "New Museums in Spain" (2010) und "Barcelona" (DOM Publishers, 2018). 2019 ist bei Reclam sein neuestes Buch erschienen: "Wie wir wohnen werden: Die Entwicklung der Wohnung und die Architektur von morgen".
Die Stadt gehört nicht den Autofahrern!
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Mit dem Geländewagen durch den Großstadtdschungel. Das liebt der deutsche Autofahrer - und sorgt in den Städten für chronisch verstopfte Straßen. Da hilft nur, Autofahren teurer zu machen, meint Klaus Englert. Eine City-Maut wäre für ihn nur der Anfang.
171 Millionen Tonnen. So viel CO² wurde nach der letzten Schätzung des Bundesumweltamtes allein im Jahre 2017 durch den privaten Personenverkehr emittiert. Der höchste Wert seit 19 Jahren und einer, der allen Bekenntnissen zum ökologischen Wandel Hohn spricht.
Und der deutsche Autofahrer? Für ihn gilt nach wie vor: "Freie Fahrt für freie Bürger." Das zeigt auch die steigende Zahl der zugelassenen PKW. Autohersteller wie Volkswagen, die werbewirksam den Schwenk zur Elektromobilität verkünden, setzen zugleich vermehrt auf den wuchtigen Geländewagen für den städtischen Dschungel. Dort ist es allerdings ohnehin schon eng.
Den Innenstädten droht der Erstickungstod
Weil es so nicht weitergehen kann, hat nun der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums den Kommunen empfohlen, eine City-Maut für den PKW-Verkehr einzuführen. Die ist dringend erforderlich – aus ökologischer, sozialer und städtebaulicher Sicht.
Ansonsten droht den Innenstädten der Erstickungstod, weil die Emissionen von Treibhausgasen, Feinstaub und Stickoxiden weiterhin zunehmen. Ohne dass die Verursacher dafür die entsprechenden Kosten tragen.
Bei der Städte-Maut geht es nicht darum, die Autofahrer zu schröpfen oder Fahrverbote auszusprechen, sondern um den Schutz des bedrohten öffentlichen Stadtraums. Mehr noch: man könnte ihn durch Einnahmen aus den Mautgebühren verbessern. Dann könnten endlich der ÖPNV ausgebaut, die Fuß- und Radwege erweitert und vergünstigte Sozialtickets für Bedürftige finanziert werden.
Die City-Maut würde die Attraktivität alternativer Verkehrsmittel mit geringeren Schadstoffemissionen steigern. Metropolen wie London und Stockholm haben bereits seit Jahren gute Erfahrungen mit der Maut gemacht.
Auch wenn die ritualhaften Klagen der Autofahrer schon jetzt zu hören sind: etwa der Einwand, das Ganze sei ungerecht und mache die Innenstadt zum Ort für Reiche. Dem lässt sich entgegnen, dass der Besitzer eines kleinen Smarts oder eines massigen SUV natürlich unterschiedlich belangt werden, weil die Maut gestaffelt nach Entfernung und Schadstoffemission erhoben würde. Digitale automatisierte Systeme machen es möglich, eine Vielzahl physikalischer Daten zu berücksichtigen.
Das Autofahren muss teurer werden
Die Steuerung der Verkehrsströme ist absolut notwendig, um den bedrohten Stadtraum nicht weiter den individualistischen Interessen der Autofahrer zu opfern. Damit sind natürlich nicht alle Mobilitätsprobleme gelöst. Die City-Maut muss durch flankierende Regelungen ergänzt werden, denn es gilt, nicht allein den fließenden, sondern auch den ruhenden Verkehr zu steuern.
Auch er ist ein Beispiel für die allgemeine Bevorzugung des privaten Personenverkehrs. Das Flächen vieler Städte sind versiegelt durch die bereitgestellten öffentliche Parkplätze, die einzig dem Individualverkehr vorbehalten sind. An den städtischen Randgebieten gibt es riesige öffentliche Asphaltflächen, wo kostenfreies Parken möglich ist.
Wenn man wirklich weg will vom Auto, muss man auch dies ausreichend bepreisen. Selbst die immer noch vielgelobten "Park and Ride"-Systeme verlängern im Grunde nur die Vorherrschaft des Autos und machen aus den suburbanen Räumen Lagerstätten für tonnenschwere ruhende Transportmaschinen.
Andere Ideen müssen her. Und wenn es nur darum geht, die Asphalt-Esplanaden zurückzubauen, um an ihre Stellen Bäume anzupflanzen. Dagegen dürfte auch kein Stadtkämmerer etwas einzuwenden haben. Zur urbanen Renaissance der Städte gehören die Aufwertung öffentlicher Räumen und die endgültige Abkehr von der Idee der autogerechten Stadt. Eine City-Maut wäre da zumindest ein Anfang.