Das Beste haben Sie nicht gesehen
In die deutschen Kinos kommen zwar wöchentlich ganze Lastwagenladungen voller Filme. Aber es scheint, als bekäme das wirklich Wahre, Gute, Schöne kein Visum. Deshalb eine kleine Liste von Filmen, die das Kino 2014 revolutioniert haben und in Deutschland noch keinen Verleih gefunden haben.
"Adieu au language 3D" von Jean-Luc Godard: Es gibt keinen Regisseur, der die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Kinos so konsequent auslotet und neu definiert wie der 84-jährige Godard. Jetzt hat er in seinem Filmessay "über alles" auch noch 3D neu gedacht. Großartig!
"Horse Money" von Pedro Costa: Ähnliches gelingt dem Portugiesen Pedro Costa, der sich schon seit Jahren sehr eigensinnig mit der portugiesischen Vergangenheit auseinandersetzt. Ein kaum zu beschreibender Film, in dem sich Tote, Verräter und Hinterbliebene der Nelkenrevolution von 1974 in einem Krankenhaus ohne Fenster begegnen. Ein bitterer Film, der weh tut, der aber auch zeigt, wie man sich mit Vergangenheit in diesem Medium auseinandersetzen sollte.
"From What Is Before" von Lav Diaz: Dieser Film erzählt knappe sechs (!) Stunden lang von dem Schicksal eines philippinischen Dorfes und der Marcos-Diktatur. Verräter, Hexen, Bräuche, Militärs - all das schlägt sich mit der Zeit über diese Einwohner, und das alles hat eine Wucht wie die größten Weltromane von William Faulkner oder Dostojewski. Eine unglaublicher Film, der Mut erfordert, aber jeden reich entlohnt.
Lediglich 60 Minuten lang ist der Film "Princesa de Francia" des Argentiniers Matias Pinero. Und es ist ein Shakespeare Film – im jetzt zu Ende gehenden Shakespeare Jahr. Pinero bringt den Stoff der Komödie "Verlorene Liebesmüh" ins heutige Buenos Aires und guckt zu, wie die Liebe einem Freundeskreis zusetzt. Ein junger Mann und die Frauen. Liebe, Begehren, Leidenschaft – ein Film der nur aus Gefühlen besteht, jede Handlung versteckt sich in Gesten, Blicken, Berührungen. Herzlich, ganz groß, ganz toll.
"Tribe" von Myroslav Slaboshpytskiy dauert fast drei Stunden und bringt uns in ein Internat für Taubstumme in der heutigen Ukraine. Also: Drei Stunden lang wird kein Wort gesprochen. Und diesen Kindern geht es sehr schlecht. Gewalt, Trostlosigkeit, Einsamkeit. So wirft dieser harte, brutale und vielleicht auch ein wenig zynische Film einen kompromisslosen Blick auf eine Gesellschaft, die nicht erst seit diesem Jahr in einer Krise steckt, deren Ursachen "Tribe" versucht zu erkunden.
Ähnlich macht es Sergej Loznitsa in "Majdan". Ein beobachtender Dokumentarfilm von den Protesten auf dem Majdan in Kiew. In langen starren Einstellungen werden die Demonstranten betrachtet. Ein lebendiges Abbild der Revolution, kunstlose Kunst ohne den Einfluss einer emotionalen Manipulation oder Propaganda. Ganz groß, ganz wichtig und eine unglaubliche Leistung.
Ansonsten erschafft das asiatische Kino weiterhin fast unbeachtet ein Talent nach dem anderen. Zum Beispiel einen neuen Eric Rohmer. Jetzt heißt er aber Hong Sang-soo und selbst Martin Scorsese ist sein Fan. Hong Sangsoo ist der Spezialist für leichte, philosophische Komödien über Männer, Frauen und die Liebe. So wie auch in seinem neusten Film "Fredom Hill", in dem ein Japaner in Seoul nach seiner großen Liebe sucht und beim Warten alles in Frage stellt.
Naomi Kawase wiederum ist eine der wenigen asiatischen Filmemacherinnen, die auch international bekannt ist. Ihr Film "Still the Water" ist ein sehr rührender und zärtlicher Blick auf eine Kindheit in einem kleinen Dorf, die Liebe zum Meer und diesen ewigen Konflikt zwischen Tradition und Moderne, der die ganze japanische Gesellschaft und damit auch die Kunst seit Jahren beschäftigt. "Zerrumpelt Herz" von Timm Kröger, Absolvent der Filmhochschule in Ludwigsburg: Kröger dreht einen Film zur Zeit der Weimarer Republik. Drei Freunde besuchen einen großen Komponisten, der sich dort versteckt hält. Doch sie finden ihn nicht. Plötzlich übt aber dieser Wald eine magische Wirkung auf die drei aus und sie verlieren sich an dem deutschesten aller Orte. Ein Kostümfilm mit wenig Budget – aber er ist dabei immer Kunst, immer filmisch gedacht und wirkt nie kalkuliert. Ähnlich ist das bei "Das Hotelzimmer" von Rudi Gaul, in dem ein Interview zwischen einer Autorin und einem Journalisten eskaliert. Es ist sehr clever, wie sich hier die Rollen vertauschen und drehen, wie wir den Boden unter den Füßen verlieren. Clever ist auch die Komödie "Worst Case Scenario" von Franz Müller. Da versucht eine deutsche Filmcrew, auf einem Campingplatz in Polen einen Film zu drehen. Und dann geht das Geld flöten und dann die Crew und dann versucht der Rest das Beste aus dem Mist zu machen. Herrlich, klug und natürlich auch doppeldeutig.