Das sagt der Mieter-Aktivist
Bei der Mietpreisbremse fordert Maximilian Heisler tiefgreifende Nachbesserungen: Damit nicht noch mehr Menschen in den Städten um ihren Wohnraum zittern müssen. Der Aktivist aus München sieht die Politiker in der Pflicht, die bunte Mischung einer Stadtgesellschaft zu erhalten.
Ute Welty: Die großen Themen des Wahlkampfs: mehr Sicherheit, mehr Integration und mehr Pflege. In dieser Woche vor der Wahl am Sonntag sprechen wir mit Menschen aus der Praxis über eben jene Themen, wir wollen herausfinden, was Deutschland wirklich braucht. Geht es nach dem Bündnis Bezahlbares Wohnen, dann steckt die Forderung schon im Namen. Erster Vorsitzender dieses Zusammenschlusses von Mietergemeinschaften und Stadtteilvereinen ist Maximilian Heisler in München, guten Morgen!
Maximilian Heisler: Guten Morgen!
Welty: Herr Heisler, was haben Sie gedacht, als SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in der ARD-Wahlarena einräumte, die Mietpreisbremse funktioniert nicht?
"Wir müssen hier ordentlich nachbessern"
Heisler: Das waren mal ehrliche Worte, sehr direkte Worte. Das hat ja eine ganze Zeit lang gefehlt, weil man dann doch immer wieder gesagt hat, ach, ist doch ganz gut, was wir da gemacht haben. Jetzt hat es hier wenigstens einer mal eingeräumt und gesagt, hey, wir müssen hier ordentlich nachbessern.
Welty: Dieses Nicht-Funktionieren, liegt das an der Mietpreisbremse selbst oder daran, wie sie eingebaut wurde?
Heisler: Eigentlich funktioniert sie aus zwei Gründen nicht. Einmal, weil man mit ihr vom Grundsatz her versucht, das Pferd von hinten aufzusatteln, und zum anderen, weil man damit ein Instrument geschaffen hat, was zu viele Lücken hat. Sie greift nicht da an, wo sie angreifen müsste. Und da, wo sie dann angreift, dort funktioniert sie nicht.
Welty: Was bedeutet das in der Gesamtheit: Am besten abschaffen oder ganz neu machen oder sich was ganz anderes einfallen lassen?
Heisler: Puh, jetzt ist das Gesetz ja eigentlich schon in einem gewissen Maße da. Also, nachbessern muss man auf jeden Fall, das jetzt wieder abzuschaffen und dann noch mal zu überlegen, wie bringen wir das besser noch mal hin, wäre glaube ich ein ganz schwieriger Schritt, der auch viele verunsichert. Deswegen auf jeden Fall noch mal nachbessern. Und in dem Zuge vor allem auch die Gestaltung vom Mietspiegel an sich, also der ortsüblichen Vergleichsmiete mit in Angriff nehmen, das ist ein ganz zentraler Punkt, ohne den die Mietpreisbremse eigentlich gar nicht wirklich funktionieren kann.
Welty: Jetzt ist es ja ein ungeschriebenes Gesetz der Marktwirtschaft, dass mit großer Nachfrage eben auch die Preise steigen, und viele wollen eben in der Stadt wohnen, in München, Berlin, Hamburg oder Köln. Gibt es da überhaupt eine Handhabe, gibt es ein Recht auf Stadt?
Die bunte städtische Mischung erhalten
Heisler: Wir müssen überlegen: Die meisten Leute, die in einer Stadt jetzt um ihren Wohnraum zittern müssen, sind jetzt nicht die, die vor ein, zwei, drei Jahren da hinzugezogen sind und eben schon hohe Mieten in Kauf genommen haben, sondern wir haben es mit Menschen zu tun, die die Städte teilweise wieder mit aufgebaut haben, seit 30, 40, 50 Jahren dort leben, die Rente nicht mehr reicht und plötzlich mit ganz hohen Mietsteigerungen konfrontiert sind.
Und da stellt sich die Frage eigentlich gar nicht, müssen die jetzt aus der Stadt rausziehen, sondern die sind die Stadt. Und für diese Menschen muss man eine Grundlage schaffen. Und da muss man als Politik, als Stadtgesellschaft, vielleicht auch als Kommune sich einfach Instrumente einfallen lassen oder vorhandene so ausschöpfen, dass man eigentlich das Mark einer Gesellschaft und auch diese bunte Mischung eben beibehalten kann.
Welty: Wie könnte diese Grundlage denn Ihrer Meinung nach ausschauen?
Heisler: Thema Nummer eins vor allem in den Ballungszentren ist das Thema energetische Modernisierung. Das heißt, neuer Aufzug, Dachgeschossausbau, Fenster, Türen. Der Außenaufzug kommt mit dazu und größere Balkone. Und diese Kosten können anteilig auf die Mieter umgelegt werden. Und da reden wir von Mietpreissteigerungen, die sich in dem Feld von drei bis zehn Euro im Schnitt bewegen.
Und wer auf den Quadratmeter drei bis zehn Euro pro Monat mehr zahlen muss, der fliegt quasi aus seiner Wohnung raus. Und das müssen wir eben verhindern. Es kann nämlich nicht sein, dass jemand, der sein Leben in einer Altbauwohnung verbracht hat und eigentlich mit dem, was er so an Ausstattung hatte, zufrieden war, dann, weil ein neuer Eigentümer meint, jetzt müssen wir auf den aktuellen Wohnstandard herrichten, dann eben diese Mieter so rauskickt und dann eventuell sogar Eigentumswohnungen macht und noch teurer verkauft.
Welty: München war ja schon immer teuer, auch zu Zeiten, als Berlin noch billig war. Wie haben Sie die Zuspitzung in jüngster Vergangenheit erlebt?
"In den letzten 20 Jahren hat München sehr viel verpennt"
Heisler: Ja, das ist eigentlich ... In den letzten 20 Jahren hat München sehr, sehr viel verpennt. Wir hatten ja kurz vor der Kommunalwahl 2014 ... ist ja noch aufgeploppt, dass wir Tausende von Wohnungen hatten, die der Stadt gehört haben und leer standen, weil die Stadt teilweise vergessen hat, dass sie diese Wohnungen überhaupt besitzt. Und wenn so was erst 2014 aufploppt, da macht man sich schon Gedanken, was eigentlich davor so passiert ist, und dann ziehen solche Argumente eigentlich wie "Ja, wir hatten ja schon immer Wohnraummangel" gar nicht mehr.
Sondern man hat eher das Gefühl, dass man sich eine ganz lange Zeit einem ganz dringenden und wichtigen Problem gar nicht wirklich gewidmet hat. Wenn man jetzt in die aktuelle Zukunft schaut, jetzt gerade sind wieder sehr große Wohnanlagen am Paulaner-Gelände fertig geworden und da werden dann Kaufpreise aufgerufen hauptsächlich, also, das direkte Mieten ist eigentlich eher eine Kleinigkeit. Und die Kaufpreise bewegen sich dann bei 10.000 Euro pro Quadratmeter. Die Frage ist dann: Wer soll sich diese Stadt dann noch leisten können?
Welty: Aber offensichtlich gibt es ja die Menschen, die sich das noch leisten können, denn meistens sind solche Wohnungen auch in null Komma nichts verkauft.
"Es gibt noch diesen Drang, in Betongold zu investieren"
Heisler: Ja, es gibt noch diesen Drang, in Betongold zu investieren. Also, Geld hat man irgendwo über, aus anderen Anlagen, zum Beispiel im Aktienmarkt rausgezogen, und möchte das dann in Immobilien anlegen, weil man das als sehr sicher momentan erwähnt. Und dafür ist noch genug da, gerade im Luxussegment kennt München auch noch kein Nach-Oben. Und gerade die Leute, die nach München zuziehen, also, die sehr gute Ausbildungen haben, die bringen auch entsprechende Gehälter mit, um so was zahlen zu können.
Welty: Wenn Sie so viel über Mieten wissen, über Wohnen, über Immobilienpreise, über die Struktur und die Zusammenhänge, was hindert Sie daran, in die Politik zu gehen und selbst den Hebel anzusetzen?
Heisler: Ach, um Gottes Willen! Wenn ich mir anschaue ... Ich muss immer wieder auch die SPD hernehmen, die ja sich auch selbst immer als Mieterpartei darstellt. Und wenn ich mir das dann angucke, was in den unterschiedlichen Strukturen so einer Partei eigentlich dann wirklich umgesetzt und in Angriff genommen wird und wo anscheinend dann Kompromisse, Abstriche gemacht werden, und wenn ich dann nicht mal mehr dort am Schluss eigentlich das finde, was vom gesunden Menschenverstand her ein faires Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ist – mir geht es ja nicht darum, dass eine Seite bessergestellt wird, ganz im Gegenteil.
Ich gehe davon aus, dass Vermieter und Mieter eigentlich ein gemeinsames Interesse haben, nämlich eine gute Vermietung –, wenn selbst in solchen großen Organisationen, die mit den Mietervereinen ja eng verbandelt sind, wo man ja am Puls des Problems quasi sitzt, wenn da dann quasi nichts Gescheites bei rumkommt, dann bleibe ich lieber in meiner Initiative.
Welty: Was braucht Deutschland? – Antworten auf diese Frage heute von Maximilian Heisler, der in München für bezahlbaren Wohnraum kämpft. Herzlichen Dank, Herr Heisler!
Heisler: Vielen Dank auch!
Welty: Morgen haben wir eine Verabredung mit Altenpflegerin Susanne Apfelbaum, und alle Gespräche der Reihe finden Sie auch online.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.