Was Darwin noch nicht wusste
Bis heute befassen sich Biologen mit den Konzepten Charles Darwins. Dabei gab es Vieles, was Darwin noch nicht wusste. Auch darum geht es Ulrich Kutschera in seinem neuen Buch "Tatsache Evolution". Dazu gehören DNA und Genetik, moderne Methoden zur Erforschung des Alters der Erde oder ausgestorbene Organismen.
Bis heute befassen sich Biologen mit den Konzepten Charles Darwins, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Dabei gab es Vieles, was Darwin noch nicht wusste. Darauf weist Ulrich Kutschera in seinem neuen Buch "Tatsache Evolution" hin.
Auf gut 300 Seiten arbeitet der Professor für Evolutionsbiologie heraus, in welchen Aspekten die Evolutionsforschung selbst sich weiter entwickelt hat. Darwin wusste noch nichts von DNA und Genetik, von modernen Methoden zur Erforschung des Alters der Erde oder ausgestorbener Organismen.
Die Plattentektonik war ihm unbekannt, und so hatte er keine Ahnung, welche dramatischen Veränderungen die Geografie der Erde durchlaufen kann. Darwins begrenztes Faktenwissen ließ ihn in vielen Details irren. Dennoch hatte der Brite im Prinzip recht, betont Ulrich Kutschera: Alle Organismen der Erde haben sich aus bakteriellen Urformen entwickelt - eben das nennen wir heute "Evolution".
Der Artenwandel vollzog sich in der Regel graduell, obgleich es im Verlauf der Erdgeschichte auch Evolutionsschübe gab. Auch die von Darwin behauptete Vervielfachung der Arten im Laufe der Erdgeschichte ist heute in vielen Fällen belegt, so bei Käfern, Säugetieren und Blütenpflanzen. Vorangetrieben wurden all diese Evolutionsprozesse von der natürlichen Selektion, deren Bedeutung schon Darwin betonte.
Doch nicht Darwin allein: Auch dem britischen Naturforscher Alfred Russel Wallace, gebührt die Ehre, das Prinzip des natürlichen Wettbewerbs um begrenzte Ressourcen als Evolutionsfaktor erkannt zu haben. Wie in anderen Büchern zeigt sich Ulrich Kutschera wissenschaftshistorisch interessiert und stellt zu Unrecht in Vergessenheit geratene Forscher der Vergangenheit ausführlich vor.
Wie Darwin reiste auch Wallace über die Meere, sammelte Fossilien und exotische Lebewesen und erfuhr bei einem Schiffbruch, was Darwin erspart bliebt: den ganz persönlichen Daseinskampf ums Überleben. Unabhängig von Charles Darwin entwickelte er Ideen zur Evolutionstheorie, die denen des großen Meisters überaus ähnlich waren, wenn auch längst nicht so detailliert ausgearbeitet.
Dass Wallace bis heute im Schatten Darwins steht, liegt, wie Kutschera berichtet, auch an seinen spiritistischen Überzeugungen: Begeistert beschäftigte er sich mit Hypnose und Phrenologie, glaubten an Geister und Tischerücken. Die wissenschaftliche Gemeinde behandelte ihn fortan als Abtrünnigen und ignorierte auch die wissenschaftlich fundierten Teile seines Lebenswerkes. "Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn außer im Lichte der Evolution" - viel mehr als dieser Satz ist auch von dem russisch-amerikanischen Genetiker und Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky nicht allgemein bekannt geblieben.
Dabei gilt er in der Fachwelt als einer der führenden Vertreter der synthetischen Evolutionstheorie, die Genetik und Evolutionstheorie zusammenführte. Dobzhansky brachte zudem mit bahnbrechenden Experimenten die genetische Forschung an Drosophila-Fliegen voran.
Am Ende seines Buches fasst Kutschera die weiterentwickelte Evolutionstheorie in einem Konzept zusammen, das er "Synade-Modell" nennt. Es beinhaltet alle übergeordneten Prozesse, die den Artenwandel und die Vervielfachung der Lebensformen auf der Erde erklären: die Symbiogenese, also die Aufnahme von kernlosen Bakterien in Zellkern-haltige Urzellen; die natürliche Selektion und die Jahrmillionen alte dynamische Erde, die durch Plattentektonik und Vulkanismus immer wieder tiefgreifend verändert wird.
Nicht von Darwinismus sollten wir heute sprechen, fordert Kutschera: So wie es viele Gründungspersönlichkeiten der Evolutionsforschung gebe, müssten auch die Grundprinzipien viele Namen erhalten. Kutschera schlägt vor: das "Merezhkowsky-Wallin"- oder "Symbiogenese-Prinzip", Das "Darwin-Wallace-" oder "Natürliche-Selektion-Prinzip" und drittens das "Snider-Wegener"- oder "Dynamische-Erde-Prinzip".
Das klingt kompliziert und bietet nicht wirklich neue Erkenntnisse. Überhaupt wirkt Kutscheras Buch in vielen Teilen fragmentarisch und kleinteilig. Er springt von einem zum anderen Gedanken, scheint immer wieder den roten Faden zu verlieren, spickt seinen Text mit Seitenhieben gegen kreationistische Theorien, die doch jenseits der Wissenschaften agieren und dort theologisch diskutiert werden sollten. So wertvoll das wissenschaftshistorische Resümee von fast 200 Jahren Evolutionstheorie ist - mehr Klarheit und Struktur hätten dem Buch nicht geschadet.
Rezensiert von Susanne Billig
Ulrich Kutschera: Tatsache Evolution.
Was Darwin nicht wissen konnte
Deutscher Taschenbuch-Verlag, 339 Seiten
14,90 Euro
Auf gut 300 Seiten arbeitet der Professor für Evolutionsbiologie heraus, in welchen Aspekten die Evolutionsforschung selbst sich weiter entwickelt hat. Darwin wusste noch nichts von DNA und Genetik, von modernen Methoden zur Erforschung des Alters der Erde oder ausgestorbener Organismen.
Die Plattentektonik war ihm unbekannt, und so hatte er keine Ahnung, welche dramatischen Veränderungen die Geografie der Erde durchlaufen kann. Darwins begrenztes Faktenwissen ließ ihn in vielen Details irren. Dennoch hatte der Brite im Prinzip recht, betont Ulrich Kutschera: Alle Organismen der Erde haben sich aus bakteriellen Urformen entwickelt - eben das nennen wir heute "Evolution".
Der Artenwandel vollzog sich in der Regel graduell, obgleich es im Verlauf der Erdgeschichte auch Evolutionsschübe gab. Auch die von Darwin behauptete Vervielfachung der Arten im Laufe der Erdgeschichte ist heute in vielen Fällen belegt, so bei Käfern, Säugetieren und Blütenpflanzen. Vorangetrieben wurden all diese Evolutionsprozesse von der natürlichen Selektion, deren Bedeutung schon Darwin betonte.
Doch nicht Darwin allein: Auch dem britischen Naturforscher Alfred Russel Wallace, gebührt die Ehre, das Prinzip des natürlichen Wettbewerbs um begrenzte Ressourcen als Evolutionsfaktor erkannt zu haben. Wie in anderen Büchern zeigt sich Ulrich Kutschera wissenschaftshistorisch interessiert und stellt zu Unrecht in Vergessenheit geratene Forscher der Vergangenheit ausführlich vor.
Wie Darwin reiste auch Wallace über die Meere, sammelte Fossilien und exotische Lebewesen und erfuhr bei einem Schiffbruch, was Darwin erspart bliebt: den ganz persönlichen Daseinskampf ums Überleben. Unabhängig von Charles Darwin entwickelte er Ideen zur Evolutionstheorie, die denen des großen Meisters überaus ähnlich waren, wenn auch längst nicht so detailliert ausgearbeitet.
Dass Wallace bis heute im Schatten Darwins steht, liegt, wie Kutschera berichtet, auch an seinen spiritistischen Überzeugungen: Begeistert beschäftigte er sich mit Hypnose und Phrenologie, glaubten an Geister und Tischerücken. Die wissenschaftliche Gemeinde behandelte ihn fortan als Abtrünnigen und ignorierte auch die wissenschaftlich fundierten Teile seines Lebenswerkes. "Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn außer im Lichte der Evolution" - viel mehr als dieser Satz ist auch von dem russisch-amerikanischen Genetiker und Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky nicht allgemein bekannt geblieben.
Dabei gilt er in der Fachwelt als einer der führenden Vertreter der synthetischen Evolutionstheorie, die Genetik und Evolutionstheorie zusammenführte. Dobzhansky brachte zudem mit bahnbrechenden Experimenten die genetische Forschung an Drosophila-Fliegen voran.
Am Ende seines Buches fasst Kutschera die weiterentwickelte Evolutionstheorie in einem Konzept zusammen, das er "Synade-Modell" nennt. Es beinhaltet alle übergeordneten Prozesse, die den Artenwandel und die Vervielfachung der Lebensformen auf der Erde erklären: die Symbiogenese, also die Aufnahme von kernlosen Bakterien in Zellkern-haltige Urzellen; die natürliche Selektion und die Jahrmillionen alte dynamische Erde, die durch Plattentektonik und Vulkanismus immer wieder tiefgreifend verändert wird.
Nicht von Darwinismus sollten wir heute sprechen, fordert Kutschera: So wie es viele Gründungspersönlichkeiten der Evolutionsforschung gebe, müssten auch die Grundprinzipien viele Namen erhalten. Kutschera schlägt vor: das "Merezhkowsky-Wallin"- oder "Symbiogenese-Prinzip", Das "Darwin-Wallace-" oder "Natürliche-Selektion-Prinzip" und drittens das "Snider-Wegener"- oder "Dynamische-Erde-Prinzip".
Das klingt kompliziert und bietet nicht wirklich neue Erkenntnisse. Überhaupt wirkt Kutscheras Buch in vielen Teilen fragmentarisch und kleinteilig. Er springt von einem zum anderen Gedanken, scheint immer wieder den roten Faden zu verlieren, spickt seinen Text mit Seitenhieben gegen kreationistische Theorien, die doch jenseits der Wissenschaften agieren und dort theologisch diskutiert werden sollten. So wertvoll das wissenschaftshistorische Resümee von fast 200 Jahren Evolutionstheorie ist - mehr Klarheit und Struktur hätten dem Buch nicht geschadet.
Rezensiert von Susanne Billig
Ulrich Kutschera: Tatsache Evolution.
Was Darwin nicht wissen konnte
Deutscher Taschenbuch-Verlag, 339 Seiten
14,90 Euro