"Was ich sehr gerne habe, ist ein schwarzer Humor"
Der Film beruht auf dem Roman "Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben" - verfasst von einem Juden. Dem Autor Paul Hengge sei es ein starkes Anliegen gewesen, einem jüdischen Protagonisten die Chance zu geben, die Nazis einmal an der Nase herumzuführen, sagt Regisseur Wolfgang Murnberger.
Britta Bürger: "Mein bester Feind", der neue Film von Wolfgang Murnberger, den ich jetzt sehr herzlich bei uns begrüße, schönen guten Morgen!
Wolfgang Murnberger: Guten Morgen!
Bürger: Es ist ja nicht der erste Versuch einer Nazi-Satire im Kino, und doch ist es noch immer irgendwie so ein vermintes Terrain. Hier wird besonders kritisch geguckt, ob sich nicht ein Regisseur verhebt oder auch nicht. Nun sind Sie ja ein gestandener und viel gelobter Satiriker. Gab es dennoch so was wie Schwellenangst, sich jetzt ausgerechnet in dieses Genre hineinzubewegen, hat es Sie Mut gekostet?
Murnberger: Ja, als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mich schon gefragt, ob man das schon darf. Ich kannte natürlich aus der Filmgeschichte jetzt ein paar Filme, die das schon versucht haben. Das eine, "Das Leben ist schön", war eher ein Märchen, und "Mein Führer" war eine Slapstick-Komödie, eine Groteske. Und diese Geschichte war doch sehr nahe an der Realität. Ich habe mich dann mit dem Paul Hengge, dem Drehbuchautor, getroffen, das ist ein Jude, 77 Jahre alt, und der hat mich sehr beruhigt, weil er mir sein Anliegen geschildert hat, warum er überhaupt diesen Film sehen will. Der hat gesagt: Die Juden haben es satt, in diesen Filmen, die in dieser Zeit spielen, immer nur als Opfer dargestellt zu werden, und ihm ist es ein ganz starkes Anliegen gewesen, einem Juden einmal die Chance zu geben, die Nazis einmal an der Nase herumzuführen, und dass der Jude in der Geschichte am Ende doch der Held sein darf.
Bürger: Das Buch, Sie haben es angesprochen, "Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben". Das Geschichtsbild haben Sie auch schon so ein bisschen angesprochen, das er zurechtrücken wollte. Was hat Sie jetzt, Herr Murnberger, daran interessiert?
Murnberger: Auf jeden Fall hat mich dieses Argument von Paul Hengge überzeugt, dass er einmal einen Juden zum Helden machen wollte in einer Geschichte,die in dieser Zeit spielt, und nicht immer nur als abgemagerter Komparse hinterm Stacheldraht zu stehen. Und mir hat daran gefallen natürlich diese Elemente, wo es um diese vertauschten Identitäten geht im Film. Da gibt es auch so Szenen, die nicht im Drehbuch waren: Wie fühlt sich dann der Jude in der SS-Uniform, wenn er sich zum ersten Mal im Spiegel sieht und so.
Bürger: Und wie war das?
Murnberger: Es war für uns sehr spannend. Der Moritz hat gesagt, es ist einfach Wahnsinn, vom Corporate Design her sozusagen …
Bürger: … er hatte ja nun gerade vorher den Goebbels gespielt in Oskar Roehlers "Jud Süß – Film ohne Gewissen".
Murnberger: Ja, das ist auch einer der Gründe, warum wir jetzt doch ein bisschen mit Abstand diesen Film herausbringen, weil diese Nähe, die hat sich zufällig ergeben, dass diese zwei Stoffe gerade zufällig in Österreich ziemlich zur gleichen Zeit gedreht wurden. Da wollten wir natürlich schon ein bisschen Abstand haben, weil es wäre vielleicht ein bisschen komisch, wenn der Moritz mal als Goebbels und mal als Victor Kaufmann gleichzeitig im Kino zu sehen wäre …
Bürger: Warum haben Sie sich aber gerade für ihn als Hauptdarsteller, als Gegenspieler zu dem Österreicher Georg Friedrich entschieden? Was prädestiniert Moritz Bleibtreu für diese Rolle?
Murnberger: Es gibt so Schauspieler, die man immer wieder sieht, und man denkt sich als Regisseur, mit dem würde ich gerne mal arbeiten. Und ich habe mich sehr gefreut, dass er diese Rolle einfach spielen wollte.
Bürger: Überhaupt glänzen in Ihren Filmen ja immer wieder ganz hervorragende Theaterschauspieler. Neben Josef Hader zum Beispiel auch Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr, Udo Samel jetzt auch in dem neuen Film wieder …
Murnberger: … in dem Film auch die Marthe Keller, ist für mich so eine tolle Wiederentdeckung, ich glaube, die habe ich zum letzten Mal gesehen in "Marathon-Mann", mit dem Dustin Hoffman, da spielt sie, und ich habe sie damals schon gekannt. Und es war sehr witzig, wie sich das ergeben hat, dass sie hier diese Rolle übernehmen konnte, die Mutter vom Moritz.
Bürger: Was mir vor allem gefallen hat an dem Film, ist, wie Sie ihn inszenieren. Damit meine ich jetzt nicht nur die Schauspieler, sondern die Bildauflösung, den Schnitt, die Musik, die sehr zeitgemäße Sprechweise. Im Grunde ist das, fand ich, inszeniert wie ein "Tatort" und nicht wie ein alter, historischer Kostümfilm. Was hatten Sie für Überlegungen dazu?
Murnberger: Gut, zu dieser Überlegung ist zu sagen, dass wir natürlich mit einem Budget von drei Millionen Euro jetzt auch von Haus aus keine großen Außenszenen machen konnten. Das heißt, ich habe die ganze Geschichte als Kammerspiel auch anlegen müssen, weil man sich das einfach außen … Außen ist immer viel teurer bei geschichtlichen Filmen, weil da muss man ja sehr viel weg machen. Innenräume kann man viel leichter erzählen.
Und die Beschränkung macht dann auch oft so einen Zwang in der Beschränkung in der Erzählung, die dann auch oft wieder sinnvoll ist, weil es geht ja um die Menschen und nicht so sehr um das ganze Drumherum. Ich habe ein Interview gelesen mit dem Kertész, dem ungarischen Literaturnobelpreisträger, und wenn der sagt, "Schindlers Liste" ist barocker Kitsch … Das hat mich sehr überrascht, von einem Juden zu hören, weil ich immer dachte, das ist der Film, der eigentlich so prädestiniert ist, wie man mit diesem Thema umgeht. Und so denken aber viele Juden. Und ich hatte bei der Geschichte jetzt einfach auch die Möglichkeit, diesen ganzen Kitsch wegzulassen, den barocken Kitsch der Sträflinge zu Hunderten in diesen Kostümen und so.
Bürger: Ja, Sie haben auch Gewaltszenen zum Beispiel etwa im KZ weggelassen. Warum?
Murnberger: Paul Hengger hatte diese Geschichte angelegt als dieses "Verwirrspiel", "Verwechslungskomödie", "Freundschaftskomödie", alles natürlich mit Anführungszeichen. Und ich habe mir gedacht, wir wissen ja alle, was damals passiert ist, oder sehr viele wissen das – und wollen es auch wissen – und da reichen oft ganz wenig Dinge, Requisiten, die Musik, mal ein Stückchen von einem Stachelzaun, und das reicht eigentlich, weil wir schon so viele von diesen Bildern gesehen haben. Man kann ein paar so Dinge nehmen und man weiß sofort, was damit transportiert wird.
Bürger: Sie haben eben den Begriff "Verwechslungskomödie" in Anführungsstriche gesetzt. Mich hat er auch – so wird der Film nämlich angekündigt – erst eigentlich auf eine ganz falsche Fährte gelockt. Ich finde den Film fast gar nicht komisch, wenn überhaupt, dann hat er einen sehr dezenten Humor. Sicher kein Film, bei dem man jetzt laut lacht. Steckt dahinter denn auch etwas von typisch österreichischem Humor, und welches ist Ihre Variante davon?
Murnberger: Also, ich mag Slapstick gar nicht, ich schaue mir das auch wenig an. Und ich glaube, ich kann das nicht, Slapstick. Aber was ich sehr gerne habe, ist ein subtiler Humor oder schwarzer Humor wie in den Brenner-Filmen, und wenn die Komik aus der Situation kommt. Wenn die Situation tragisch ist, wenn die Situation bedrohend ist und trotzdem dann der Moment der Komik auftaucht, wo der Humor dann plötzlich wieder da ist, in dieser ausweglosen Situation. Und gerade der jüdische Humor kann ja das auch hervorragend.
Bürger: Sie haben den Film ja auch gezielt einem jüdischen Publikum gezeigt. Wie waren da die Reaktionen?
Murnberger: Das war für mich das Spannendste. Und sofort, wie der Film fertig war, wollte ich, dass man diesen Film einem jüdischen Publikum zeigt, ob sich da jemand verletzt fühlt. Und das war zu 100 Prozent nicht der Fall. Es war so, dass die alle, die das gesehen haben, sofort gesagt haben, hervorragend, endlich ein Film, in dem wir uns nicht anschauen müssen die Betroffenheit, die die Deutschen und die Österreicher haben bezüglich dieser Geschichte, die da stattgefunden hat, sondern wo man eben auch einmal anders mit dieser Geschichte umgeht.
Bürger: Bei der Berlinale, wo der Film schon außer Konkurrenz im Wettbewerb zu sehen war, da haben Sie auch Kritik einstecken müssen. Wenn Kritiker jetzt schreiben, das sei mal wieder ein lauer, ein misslungener Versuch, die Nazi-Zeit komödiantisch zu bearbeiten, Moritz Bleibtreu zum Beispiel sah manchen nicht ausgemergelt genug aus … Wie gehen Sie mit so einer Kritik um?
Murnberger: Ja, das ist eben genau das, was ich vorher gemeint habe mit dem Naturalismus. Der Moritz wäre bereit gewesen, zehn Kilo abzunehmen und ich wäre auch bereit gewesen, fünf Wochen zu warten, weil das braucht natürlich eine gewisse Zeit. Da muss man sagen, macht man oder macht man es nicht? Wir konnten es uns nicht leisten, budgetär, zu warten, bis der Moritz zehn Kilo abgenommen hat.
Das hätte, glaube ich – wir haben das einmal durchgerechnet –, so 200.000 Euro gekostet, ein Filmteam anzuhalten und dann wieder anzuwerfen. Das sind einfach immense Kosten, die da entstehen. Und dann ist es auch so, dass ich sage, das ist genau das: Wenn man sich an so was stößt, an so ganz naturalistischen Sachen, sage ich, dann kann man überhaupt sagen, der Vater ist ja eh nicht gestorben, weil das hat ja nur der Udo Samel gespielt, und der steht weiterhin am Wiener Burgtheater!
Bürger: Wir haben das eingangs schon kurz berührt: Da ist nicht der erste Film, der über die NS-Zeit mit den Mitteln der Satire und der Farce erzählt, auch das Thema der doppelten Identität hat Tradition, von Chaplins "Der große Diktator" über Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" bis hin zu "Inglourious Basterds". Haben Sie sich all diese Filme eigentlich angeguckt und sich damit auseinandergesetzt oder nur diese zwei, die Sie vorhin schon genannt haben?
Murnberger: Ja, ich habe natürlich, als ich davor stand, so einen Film zu machen, das war mein erster Kostümfilm, in dieser Zeit habe ich mir natürlich noch diese Filme genauer angeschaut. Und was diesen Film von diesen unterscheidet, ist einfach, dass er eher realistisch erzählt ist. Er ist nicht so übertrieben und so geschichtsverfälschend, bewusst, wie "Inglourious Basterds", da ist ja dann alles möglich, das heißt, da kann man dann auch gar nicht mehr wirklich betroffen sein. Weil das ist so überhöht … Wenn man dann sagt, Hitler wird in einem Kino in Paris erschossen … Also, dann ist man ja auch zu nichts mehr verpflichtet. Meine Figuren sind eher realistisch angelegt und wie gesagt sehr nahe an der Realität, und das war eben die Herausforderung bei diesem Projekt.
Bürger: Ich habe bei der Berlinale 20-Jährige erlebt, die den Film gesehen haben und danach die Diskussion aufgeworfen haben, darf man so was machen?! Eine Diskussion, von der ich dachte, die sei eigentlich schon abgeschlossen.
Murnberger: Ja, ich war auch sehr überrascht, dass die 68er-Generation auf mich zukommt und mir vorwirft, dass das eigentlich noch nicht geht. Weil da war es plötzlich mit Liberalität völlig vorbei!
Bürger: Wolfgang Murnberger, danke für Ihren Besuch im Studio!
Murnberger: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der Film "Mein bester Feind" - Rezension von Christian Berndt:
Kino und Film - Verwirrspiel der Identitäten
Wolfgang Murnberger: Guten Morgen!
Bürger: Es ist ja nicht der erste Versuch einer Nazi-Satire im Kino, und doch ist es noch immer irgendwie so ein vermintes Terrain. Hier wird besonders kritisch geguckt, ob sich nicht ein Regisseur verhebt oder auch nicht. Nun sind Sie ja ein gestandener und viel gelobter Satiriker. Gab es dennoch so was wie Schwellenangst, sich jetzt ausgerechnet in dieses Genre hineinzubewegen, hat es Sie Mut gekostet?
Murnberger: Ja, als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mich schon gefragt, ob man das schon darf. Ich kannte natürlich aus der Filmgeschichte jetzt ein paar Filme, die das schon versucht haben. Das eine, "Das Leben ist schön", war eher ein Märchen, und "Mein Führer" war eine Slapstick-Komödie, eine Groteske. Und diese Geschichte war doch sehr nahe an der Realität. Ich habe mich dann mit dem Paul Hengge, dem Drehbuchautor, getroffen, das ist ein Jude, 77 Jahre alt, und der hat mich sehr beruhigt, weil er mir sein Anliegen geschildert hat, warum er überhaupt diesen Film sehen will. Der hat gesagt: Die Juden haben es satt, in diesen Filmen, die in dieser Zeit spielen, immer nur als Opfer dargestellt zu werden, und ihm ist es ein ganz starkes Anliegen gewesen, einem Juden einmal die Chance zu geben, die Nazis einmal an der Nase herumzuführen, und dass der Jude in der Geschichte am Ende doch der Held sein darf.
Bürger: Das Buch, Sie haben es angesprochen, "Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben". Das Geschichtsbild haben Sie auch schon so ein bisschen angesprochen, das er zurechtrücken wollte. Was hat Sie jetzt, Herr Murnberger, daran interessiert?
Murnberger: Auf jeden Fall hat mich dieses Argument von Paul Hengge überzeugt, dass er einmal einen Juden zum Helden machen wollte in einer Geschichte,die in dieser Zeit spielt, und nicht immer nur als abgemagerter Komparse hinterm Stacheldraht zu stehen. Und mir hat daran gefallen natürlich diese Elemente, wo es um diese vertauschten Identitäten geht im Film. Da gibt es auch so Szenen, die nicht im Drehbuch waren: Wie fühlt sich dann der Jude in der SS-Uniform, wenn er sich zum ersten Mal im Spiegel sieht und so.
Bürger: Und wie war das?
Murnberger: Es war für uns sehr spannend. Der Moritz hat gesagt, es ist einfach Wahnsinn, vom Corporate Design her sozusagen …
Bürger: … er hatte ja nun gerade vorher den Goebbels gespielt in Oskar Roehlers "Jud Süß – Film ohne Gewissen".
Murnberger: Ja, das ist auch einer der Gründe, warum wir jetzt doch ein bisschen mit Abstand diesen Film herausbringen, weil diese Nähe, die hat sich zufällig ergeben, dass diese zwei Stoffe gerade zufällig in Österreich ziemlich zur gleichen Zeit gedreht wurden. Da wollten wir natürlich schon ein bisschen Abstand haben, weil es wäre vielleicht ein bisschen komisch, wenn der Moritz mal als Goebbels und mal als Victor Kaufmann gleichzeitig im Kino zu sehen wäre …
Bürger: Warum haben Sie sich aber gerade für ihn als Hauptdarsteller, als Gegenspieler zu dem Österreicher Georg Friedrich entschieden? Was prädestiniert Moritz Bleibtreu für diese Rolle?
Murnberger: Es gibt so Schauspieler, die man immer wieder sieht, und man denkt sich als Regisseur, mit dem würde ich gerne mal arbeiten. Und ich habe mich sehr gefreut, dass er diese Rolle einfach spielen wollte.
Bürger: Überhaupt glänzen in Ihren Filmen ja immer wieder ganz hervorragende Theaterschauspieler. Neben Josef Hader zum Beispiel auch Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr, Udo Samel jetzt auch in dem neuen Film wieder …
Murnberger: … in dem Film auch die Marthe Keller, ist für mich so eine tolle Wiederentdeckung, ich glaube, die habe ich zum letzten Mal gesehen in "Marathon-Mann", mit dem Dustin Hoffman, da spielt sie, und ich habe sie damals schon gekannt. Und es war sehr witzig, wie sich das ergeben hat, dass sie hier diese Rolle übernehmen konnte, die Mutter vom Moritz.
Bürger: Was mir vor allem gefallen hat an dem Film, ist, wie Sie ihn inszenieren. Damit meine ich jetzt nicht nur die Schauspieler, sondern die Bildauflösung, den Schnitt, die Musik, die sehr zeitgemäße Sprechweise. Im Grunde ist das, fand ich, inszeniert wie ein "Tatort" und nicht wie ein alter, historischer Kostümfilm. Was hatten Sie für Überlegungen dazu?
Murnberger: Gut, zu dieser Überlegung ist zu sagen, dass wir natürlich mit einem Budget von drei Millionen Euro jetzt auch von Haus aus keine großen Außenszenen machen konnten. Das heißt, ich habe die ganze Geschichte als Kammerspiel auch anlegen müssen, weil man sich das einfach außen … Außen ist immer viel teurer bei geschichtlichen Filmen, weil da muss man ja sehr viel weg machen. Innenräume kann man viel leichter erzählen.
Und die Beschränkung macht dann auch oft so einen Zwang in der Beschränkung in der Erzählung, die dann auch oft wieder sinnvoll ist, weil es geht ja um die Menschen und nicht so sehr um das ganze Drumherum. Ich habe ein Interview gelesen mit dem Kertész, dem ungarischen Literaturnobelpreisträger, und wenn der sagt, "Schindlers Liste" ist barocker Kitsch … Das hat mich sehr überrascht, von einem Juden zu hören, weil ich immer dachte, das ist der Film, der eigentlich so prädestiniert ist, wie man mit diesem Thema umgeht. Und so denken aber viele Juden. Und ich hatte bei der Geschichte jetzt einfach auch die Möglichkeit, diesen ganzen Kitsch wegzulassen, den barocken Kitsch der Sträflinge zu Hunderten in diesen Kostümen und so.
Bürger: Ja, Sie haben auch Gewaltszenen zum Beispiel etwa im KZ weggelassen. Warum?
Murnberger: Paul Hengger hatte diese Geschichte angelegt als dieses "Verwirrspiel", "Verwechslungskomödie", "Freundschaftskomödie", alles natürlich mit Anführungszeichen. Und ich habe mir gedacht, wir wissen ja alle, was damals passiert ist, oder sehr viele wissen das – und wollen es auch wissen – und da reichen oft ganz wenig Dinge, Requisiten, die Musik, mal ein Stückchen von einem Stachelzaun, und das reicht eigentlich, weil wir schon so viele von diesen Bildern gesehen haben. Man kann ein paar so Dinge nehmen und man weiß sofort, was damit transportiert wird.
Bürger: Sie haben eben den Begriff "Verwechslungskomödie" in Anführungsstriche gesetzt. Mich hat er auch – so wird der Film nämlich angekündigt – erst eigentlich auf eine ganz falsche Fährte gelockt. Ich finde den Film fast gar nicht komisch, wenn überhaupt, dann hat er einen sehr dezenten Humor. Sicher kein Film, bei dem man jetzt laut lacht. Steckt dahinter denn auch etwas von typisch österreichischem Humor, und welches ist Ihre Variante davon?
Murnberger: Also, ich mag Slapstick gar nicht, ich schaue mir das auch wenig an. Und ich glaube, ich kann das nicht, Slapstick. Aber was ich sehr gerne habe, ist ein subtiler Humor oder schwarzer Humor wie in den Brenner-Filmen, und wenn die Komik aus der Situation kommt. Wenn die Situation tragisch ist, wenn die Situation bedrohend ist und trotzdem dann der Moment der Komik auftaucht, wo der Humor dann plötzlich wieder da ist, in dieser ausweglosen Situation. Und gerade der jüdische Humor kann ja das auch hervorragend.
Bürger: Sie haben den Film ja auch gezielt einem jüdischen Publikum gezeigt. Wie waren da die Reaktionen?
Murnberger: Das war für mich das Spannendste. Und sofort, wie der Film fertig war, wollte ich, dass man diesen Film einem jüdischen Publikum zeigt, ob sich da jemand verletzt fühlt. Und das war zu 100 Prozent nicht der Fall. Es war so, dass die alle, die das gesehen haben, sofort gesagt haben, hervorragend, endlich ein Film, in dem wir uns nicht anschauen müssen die Betroffenheit, die die Deutschen und die Österreicher haben bezüglich dieser Geschichte, die da stattgefunden hat, sondern wo man eben auch einmal anders mit dieser Geschichte umgeht.
Bürger: Bei der Berlinale, wo der Film schon außer Konkurrenz im Wettbewerb zu sehen war, da haben Sie auch Kritik einstecken müssen. Wenn Kritiker jetzt schreiben, das sei mal wieder ein lauer, ein misslungener Versuch, die Nazi-Zeit komödiantisch zu bearbeiten, Moritz Bleibtreu zum Beispiel sah manchen nicht ausgemergelt genug aus … Wie gehen Sie mit so einer Kritik um?
Murnberger: Ja, das ist eben genau das, was ich vorher gemeint habe mit dem Naturalismus. Der Moritz wäre bereit gewesen, zehn Kilo abzunehmen und ich wäre auch bereit gewesen, fünf Wochen zu warten, weil das braucht natürlich eine gewisse Zeit. Da muss man sagen, macht man oder macht man es nicht? Wir konnten es uns nicht leisten, budgetär, zu warten, bis der Moritz zehn Kilo abgenommen hat.
Das hätte, glaube ich – wir haben das einmal durchgerechnet –, so 200.000 Euro gekostet, ein Filmteam anzuhalten und dann wieder anzuwerfen. Das sind einfach immense Kosten, die da entstehen. Und dann ist es auch so, dass ich sage, das ist genau das: Wenn man sich an so was stößt, an so ganz naturalistischen Sachen, sage ich, dann kann man überhaupt sagen, der Vater ist ja eh nicht gestorben, weil das hat ja nur der Udo Samel gespielt, und der steht weiterhin am Wiener Burgtheater!
Bürger: Wir haben das eingangs schon kurz berührt: Da ist nicht der erste Film, der über die NS-Zeit mit den Mitteln der Satire und der Farce erzählt, auch das Thema der doppelten Identität hat Tradition, von Chaplins "Der große Diktator" über Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" bis hin zu "Inglourious Basterds". Haben Sie sich all diese Filme eigentlich angeguckt und sich damit auseinandergesetzt oder nur diese zwei, die Sie vorhin schon genannt haben?
Murnberger: Ja, ich habe natürlich, als ich davor stand, so einen Film zu machen, das war mein erster Kostümfilm, in dieser Zeit habe ich mir natürlich noch diese Filme genauer angeschaut. Und was diesen Film von diesen unterscheidet, ist einfach, dass er eher realistisch erzählt ist. Er ist nicht so übertrieben und so geschichtsverfälschend, bewusst, wie "Inglourious Basterds", da ist ja dann alles möglich, das heißt, da kann man dann auch gar nicht mehr wirklich betroffen sein. Weil das ist so überhöht … Wenn man dann sagt, Hitler wird in einem Kino in Paris erschossen … Also, dann ist man ja auch zu nichts mehr verpflichtet. Meine Figuren sind eher realistisch angelegt und wie gesagt sehr nahe an der Realität, und das war eben die Herausforderung bei diesem Projekt.
Bürger: Ich habe bei der Berlinale 20-Jährige erlebt, die den Film gesehen haben und danach die Diskussion aufgeworfen haben, darf man so was machen?! Eine Diskussion, von der ich dachte, die sei eigentlich schon abgeschlossen.
Murnberger: Ja, ich war auch sehr überrascht, dass die 68er-Generation auf mich zukommt und mir vorwirft, dass das eigentlich noch nicht geht. Weil da war es plötzlich mit Liberalität völlig vorbei!
Bürger: Wolfgang Murnberger, danke für Ihren Besuch im Studio!
Murnberger: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der Film "Mein bester Feind" - Rezension von Christian Berndt:
Kino und Film - Verwirrspiel der Identitäten