Nora Kreft: "Was ist Liebe, Sokrates? Die großen Philosophen über das schönste aller Gefühle"
Piper-Verlag 2019, 224 Seiten, 18 Euro
Wie berühmte Philosophen über die Liebe dachten
25:50 Minuten
Kierkegaard, Simone de Beauvoir, Freud: Sieben Denker hat Immanuel Kant in Nora Krefts Buch "Was ist Liebe, Sokrates" eingeladen, um in fiktiven Gesprächen mit ihnen das Wesen der Liebe zu ergründen. Auch der Liebe im Zeitalter der Dating Apps.
Immanuel Kant lädt ein zu einer Dinnerparty. Er will mehr über die Liebe erfahren und bittet Sokrates, Augustinus, Simone de Beauvoir, Søren Kierkegaard, Sigmund Freud, Max Scheler und Iris Murdoch nach Königsberg.
Das ist das Szenario, in dem das Buch der jungen Philosophin Nora Kreft spielt: "Was ist Liebe, Sokrates?" In fiktiven Gesprächen wollen die großen Denker und Denkerinnen dem Wesen der Liebe auf die Spur kommen und bringen dabei ihre jeweiligen Theorien und Überzeugungen ein.
Zunächst einmal aber wundern sie sich über die Einladung, weil Immanuel Kant sich bis dahin nicht sonderlich für das Thema Liebe interessiert hat. "Weil die ihm moralisch suspekt war", erklärt Nora Kreft. "Er dachte, wenigstens in einigen seiner Schriften, dass die Liebe eine reine Neigung ist und als solche weder wirklich rational nachvollziehbar noch moralisch besonders förderlich."
Denn eine gute Entscheidung ist für Kant immer eine aus der Vernunft heraus: "Das wäre eigentlich eine interessante Frage an ihn, ob wir uns eine Situation vorstellen können, in der Liebe so rational ist, dass aus Liebe zu handeln und dem kategorischen Imperativ zu folgen, eigentlich gleich ist."
Sokrates sah die Liebe als Mittel zum Zweck
Durch die Brille Sokrates' betrachtet, erscheint Liebe zwar nicht als etwas moralisch Fragwürdiges. Mit unseren heutigen Vorstellungen von romantischer Liebe hat sie gleichwohl nicht viel zu tun: "Sokrates dachte, dass unser Glück in Weisheit besteht und dass Liebe letztlich ein Streben nach Glück ist – wie eigentlich alles andere Streben und Verlangen beim Menschen überhaupt", so Kreft. Einen anderen Menschen zu lieben, helfe uns Sokrates zufolge dabei, weise zu werden. "Denn andere Menschen, in die wir uns verlieben, meint Sokrates, erinnern uns an die Ideen, die in uns schlummern, die wir vergessen haben."
Wenn wir zum Beispiel einen schönen Menschen sehen, erinnert uns dieser an die Idee der Schönheit selbst.
Dass die Liebe lediglich als ein Mittel betrachtet wird, um die Welt besser zu verstehen, bleibt natürlich nicht unwidersprochen. Gerade von Denkern des 20. Jahrhunderts sei Sokrates mehrmals vorgeworfen worden, er mache die geliebte Person zum Mittel zum Zweck und damit letztlich austauschbar.
So argumentiert bei Kants Dinnergesellschaft beispielsweise der Philosoph und Soziologe Max Scheler (1874 - 1928). Er betont als entscheidenden Faktor der Liebe die Unersetzlichkeit des geliebten Menschen. "Ihm geht es darum, den Finger darauf zu legen, dass, wenn wir jemanden lieben, sein Verlust eigentlich durch nichts wieder gutgemacht werden kann", sagt Nora Kreft. "Wenn wir jemanden verlieren, zum Beispiel wenn Eltern ein Kind verlieren, dann kann schlechterdings nichts diesen Verlust wieder gutmachen. Man kann lernen, damit zu leben. Aber man kann nichts bekommen, was diesen Verlust wie ungeschehen machen kann."
"Dating Apps verändern die Liebe nicht"
Im Zusammenhang mit der Unersetzlichkeit diskutieren die Philosophen dann sogar Dating Apps, weil, wie Kreft betont, "die Personen, die daran teilnehmen, als extrem ersetzbar dargestellt werden auf den ersten Blick. Wie Produkte in einem Supermarkt, sagt, Max Scheler."
Auch wenn im "Modus" von Dating Apps Verlieben erst einmal nicht vorgesehen sei, heiße das nicht, dass man sich nicht in jemanden verlieben könne, den man über eine solche App kennengelernt hat, meint Kreft.
Und so brauche man wohl auch im Zeitalter von Polyamorie und Dating Apps nicht unbedingt einen neuen Begriff von Liebe:
"Ich bin mir nicht sicher, ob wir einen neuen Begriff von Liebe brauchen. Ich glaube eigentlich, dass wir noch genauso lieben, wie wir Menschen immer geliebt haben. Das ist irgendwie so eine Grundkomponente bei Menschen. Und ich glaube auch, dass das eben bedeutet, dass wir unsere Geliebten immer für unersetzbar halten."
(uko)