Was können wir noch essen?
BSE, Gammelfleisch, Nitrofen, Dioxin: Die Liste der Fleisch- und Lebensmittelskandale wird immer länger. Die Verbraucher sind verunsichert, Bauern geraten unter Generalverdacht. Die Forderung nach einer Agrarwende wird lauter.
Sie wird auch an diesem Samstag gestellt werden, wenn um 12 Uhr in Berlin gegen Massentierhaltung, Dumpingpreise und den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft demonstriert wird. Motto: Wir haben es satt!
Einer der Redner wird Felix Prinz zu Löwenstein sein - Öko-Landwirt aus dem südhessischen Otzberg und Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Er bewirtschaftet den Familienhof Gut Habitzheim mit einer 500-jährigen Tradition, den er Anfang der 90er Jahre auf Ökolandbau umgestellt hat.
Der Landwirt will eine gesellschaftspolitische Diskussion anstoßen:
"Der aktuelle Dioxin-Skandal sollte uns Anlass sein, zu diskutieren: a) Wie dürfen wir mit Tieren umgehen?, b) Welche Belastung der Natur wollen wir dafür in Kauf nehmen?, c) Wie sollen wir mit den Ressourcen der Welt umgehen, die nicht uns gehören?"
Europa benötige schon jetzt allein rund 25 Millionen Hektar Ackerfläche in Südamerika, um die hiesige Viehwirtschaft zu versorgen – Tendenz steigend.
"Unsere deutsche Agrarwirtschaft ist stark exportorientiert, und dafür wiederum müssen wir stark importieren: Eiweiß, Soja, Mais, Getreide."
In den viel zu niedrigen Fleischpreisen seien zudem wichtige Kosten nicht berücksichtigt:
"Erstens der Preis, den ich dafür zahle, dass ich auch das Leid des Tieres zahle, wenn ich das überhaupt will. Zweitens zahlen wir auch nicht die Folge mit, dass 20 Prozent des Ostseebodens biologisch tot sind. Das hängt stark mit den Nährstoffen zusammen, die aus der konventionellen Landwirtschaft und aus den Großställen der Massentierhaltung stammen: 600.000 Tonnen Phosphor und 1,5 Millionen Tonnen Stickstoff geraten jährlich in die Ostsee!"
Nur, lässt sich eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft – wie sie derzeit gefordert wird – überhaupt flächendeckend realisieren? Werden die Deutschen von Öko total auch satt?
"Die Frage unterstellt, dass dies eine Frage der Produktivität ist. Das ist sie aber nicht. 30 Prozent der Lebensmittel, die wir einkaufen, schmeißen wir weg. Wenn wir die dazu nehmen, die vorher weggeworfen werden, kommen wir auf rund 50 Prozent. In den USA gehen allein 30 Prozent der Maisproduktion für die Energieproduktion weg. Wir verlieren jedes Jahr zwölf Millionen Hektar Agrarfläche in Deutschland durch Erosion, hinzu kommt das Zubetonieren, 100 Hektar am Tag.
Die zweite Geschichte ist: Selbstverständlich können wir nicht mit dem Lebensstil, den wir aktuell haben, auf Ökolandbau umstellen. Wir können nicht 88 Kilogramm Fleisch pro Kopf verzehren. Damit können wir nicht alle 80 Millionen Menschen satt kriegen. Aber das können wir uns weltweit auch nicht leisten! Aber die Frage ist doch, ist das wirklich ein großer Verzicht – oder nicht möglicherweise doch ein enormer Gewinn an Lebensqualität, wenn es zwar weniger, aber bessere Produkte gäbe?"
Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch Achim Spiller, Professor für Marketing für Agrarprodukte und Lebensmittel an der Georg-August-Universität in Göttingen.
Seine Verbraucherbefragungen fließen unter anderem in die "Nationalen Verzehrsstudie" ein, die das Konsumverhalten der Bundesbürger erforscht.
So liege der Tierschutz vielen Verbrauchern am Herzen.
"Nur, wie soll der Tierschutz sich in der Produktion wiederfinden? Wo gibt es so etwas? Gut, in der Bioproduktion – aber der Bioanteil bei Schweinefleisch macht gerade mal 0,5 Prozent aus. Beim Rindfleisch liegt er etwas höher. Auch beim Biogeflügel liegt der Bioanteil bei unter einem Prozent. Der Hauptgrund sind die Preisunterschiede. Bei Geflügel ist der Biopreis zum Teil viermal so hoch. Entsprechend ist der Marktanteil noch nicht gut entwickelt und Tierschutz kaum verbreitet. Es gibt in Deutschland bisher – im Gegensatz zur Schweiz und Holland – kein Tierschutzlabel für Fleisch."
Der Agrarökonom versucht daher – gemeinsam mit der Fleischwirtschaft und Supermarktketten –, die Kriterien für ein solches Tierschutzlabel festzulegen.
"Deutschland ist in vielen Branchen Marktführer, was hochwertige Produkte anbetrifft, nehmen Sie nur die Autobranche. Bei Agrar- und Ernährungsprodukten ist Deutschland Branchenführer bei den Niedrigpreisen. Deutschland ist Mutterland der Discounter, die Wirtschaft ist gewöhnt an Niedrigpreise und hat sich darauf eingestellt. 50 Prozent der Lebensmittel gehen über Discounterketten, der Anteil von Bioläden liegt unter einem Prozent."
40 Prozent der Verbraucher gäben zwar in Befragungen an, auch mehr Geld für höherwertige Lebensmittel zu bezahlen, 60 Prozent seien eher preisorientiert.
Entscheidend sei aber die Frage: "Ist ein Teil der Verbraucher wirklich bereit, mehr zu bezahlen?"
"Was können wir noch essen?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Öko-Landwirt Felix Prinz zu Löwenstein und dem Agrarökonomen Achim Spiller. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Homepage des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft
Über Achim Spiller
Einer der Redner wird Felix Prinz zu Löwenstein sein - Öko-Landwirt aus dem südhessischen Otzberg und Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Er bewirtschaftet den Familienhof Gut Habitzheim mit einer 500-jährigen Tradition, den er Anfang der 90er Jahre auf Ökolandbau umgestellt hat.
Der Landwirt will eine gesellschaftspolitische Diskussion anstoßen:
"Der aktuelle Dioxin-Skandal sollte uns Anlass sein, zu diskutieren: a) Wie dürfen wir mit Tieren umgehen?, b) Welche Belastung der Natur wollen wir dafür in Kauf nehmen?, c) Wie sollen wir mit den Ressourcen der Welt umgehen, die nicht uns gehören?"
Europa benötige schon jetzt allein rund 25 Millionen Hektar Ackerfläche in Südamerika, um die hiesige Viehwirtschaft zu versorgen – Tendenz steigend.
"Unsere deutsche Agrarwirtschaft ist stark exportorientiert, und dafür wiederum müssen wir stark importieren: Eiweiß, Soja, Mais, Getreide."
In den viel zu niedrigen Fleischpreisen seien zudem wichtige Kosten nicht berücksichtigt:
"Erstens der Preis, den ich dafür zahle, dass ich auch das Leid des Tieres zahle, wenn ich das überhaupt will. Zweitens zahlen wir auch nicht die Folge mit, dass 20 Prozent des Ostseebodens biologisch tot sind. Das hängt stark mit den Nährstoffen zusammen, die aus der konventionellen Landwirtschaft und aus den Großställen der Massentierhaltung stammen: 600.000 Tonnen Phosphor und 1,5 Millionen Tonnen Stickstoff geraten jährlich in die Ostsee!"
Nur, lässt sich eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft – wie sie derzeit gefordert wird – überhaupt flächendeckend realisieren? Werden die Deutschen von Öko total auch satt?
"Die Frage unterstellt, dass dies eine Frage der Produktivität ist. Das ist sie aber nicht. 30 Prozent der Lebensmittel, die wir einkaufen, schmeißen wir weg. Wenn wir die dazu nehmen, die vorher weggeworfen werden, kommen wir auf rund 50 Prozent. In den USA gehen allein 30 Prozent der Maisproduktion für die Energieproduktion weg. Wir verlieren jedes Jahr zwölf Millionen Hektar Agrarfläche in Deutschland durch Erosion, hinzu kommt das Zubetonieren, 100 Hektar am Tag.
Die zweite Geschichte ist: Selbstverständlich können wir nicht mit dem Lebensstil, den wir aktuell haben, auf Ökolandbau umstellen. Wir können nicht 88 Kilogramm Fleisch pro Kopf verzehren. Damit können wir nicht alle 80 Millionen Menschen satt kriegen. Aber das können wir uns weltweit auch nicht leisten! Aber die Frage ist doch, ist das wirklich ein großer Verzicht – oder nicht möglicherweise doch ein enormer Gewinn an Lebensqualität, wenn es zwar weniger, aber bessere Produkte gäbe?"
Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch Achim Spiller, Professor für Marketing für Agrarprodukte und Lebensmittel an der Georg-August-Universität in Göttingen.
Seine Verbraucherbefragungen fließen unter anderem in die "Nationalen Verzehrsstudie" ein, die das Konsumverhalten der Bundesbürger erforscht.
So liege der Tierschutz vielen Verbrauchern am Herzen.
"Nur, wie soll der Tierschutz sich in der Produktion wiederfinden? Wo gibt es so etwas? Gut, in der Bioproduktion – aber der Bioanteil bei Schweinefleisch macht gerade mal 0,5 Prozent aus. Beim Rindfleisch liegt er etwas höher. Auch beim Biogeflügel liegt der Bioanteil bei unter einem Prozent. Der Hauptgrund sind die Preisunterschiede. Bei Geflügel ist der Biopreis zum Teil viermal so hoch. Entsprechend ist der Marktanteil noch nicht gut entwickelt und Tierschutz kaum verbreitet. Es gibt in Deutschland bisher – im Gegensatz zur Schweiz und Holland – kein Tierschutzlabel für Fleisch."
Der Agrarökonom versucht daher – gemeinsam mit der Fleischwirtschaft und Supermarktketten –, die Kriterien für ein solches Tierschutzlabel festzulegen.
"Deutschland ist in vielen Branchen Marktführer, was hochwertige Produkte anbetrifft, nehmen Sie nur die Autobranche. Bei Agrar- und Ernährungsprodukten ist Deutschland Branchenführer bei den Niedrigpreisen. Deutschland ist Mutterland der Discounter, die Wirtschaft ist gewöhnt an Niedrigpreise und hat sich darauf eingestellt. 50 Prozent der Lebensmittel gehen über Discounterketten, der Anteil von Bioläden liegt unter einem Prozent."
40 Prozent der Verbraucher gäben zwar in Befragungen an, auch mehr Geld für höherwertige Lebensmittel zu bezahlen, 60 Prozent seien eher preisorientiert.
Entscheidend sei aber die Frage: "Ist ein Teil der Verbraucher wirklich bereit, mehr zu bezahlen?"
"Was können wir noch essen?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Öko-Landwirt Felix Prinz zu Löwenstein und dem Agrarökonomen Achim Spiller. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Homepage des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft
Über Achim Spiller