Was lange währt, wird nicht immer gut
Um eine Attraktion reicher wollte Dresden mit den jetzt gestarteten Zwingerfestspielen werden. Die Premiere mit John von Düffels "Die Mätresse des Königs" war dabei allerdings kein sehr gelungener Start. Insgesamt werden knapp 30.000 Besucher erwartet.
Viel Lärm zuvor. Die Zwingerfestspiele, das Event für Dresden. "Neu, modern, auffallend anders", "hochkarätiges Ensemble", "vor der atemberaubenden Kulisse des Dresdner Zwingers" – so die Ankündigungen im Vorfeld.
Viel Unverständnis aber auch. Warum darf Dieter Wedel, was andere nicht dürfen? Aus Gründen der Denkmalpflege waren die Formate der Veranstaltungen im Zwinger immer weiter reduziert worden. Zuletzt nur noch Konzerte und Ballette der Landesbühnen unter strengsten Auflagen. Und jetzt ist ein Drittel des Zwingers verbaut. Spät erst, nach langem Hin und Her, hat es alle Genehmigungen gegeben für den Aufbau der großen Bühne (39 Meter breit, 20 Meter tief) samt Zuschauertribüne mit insgesamt 32 Reihen für 1.863 Besucher, die an jedem Abend bis zum 21. August erwartet werden.
Stolze Preise, von 53,34 bis 91 Euro, kräftige Zuschläge für die Wochenenden. Und am Morgen der Premiere als Aufmacher einer Dresdner Tageszeitung: "Wedel beutet Komparsen aus", Sachsens DGB-Chefin Iris Loppich kritisiert: "Gagen wie im Mittelalter". Grund sind die Vergütungen für die Statisten, die auch als Kulissenschieber agieren, 10 Euro für den Probentag, 25 Euro für die Vorstellungen.
Wirbel auf beiden Seiten, jetzt hat die Premiere stattgefunden. Und die gute Nachricht zuerst: Es hat nicht geregnet.
Aber ist die Inszenierung von Dieter Wedel, wie angekündigt, eine fesselnde Liebesgeschichte, eine menschliche Tragödie, ein modernes Drama, das durch brillante Schärfe besticht?
Das wohl weniger. Auf jeden Fall ist diese Geschichte um Sachsens barocken Herrscher August der Starke, seine intriganten Höflinge und seine berühmte Mätresse Gräfin Cosel um richtig spannend zu sein viel zu lang geraten. Da wird aus der zeitlichen Länge Langatmigkeit. Das Intrigenspiel ist rasch erklärt und wird noch dann in etlichen Variationen weiter erklärt. Was spannend wie ein guter Krimi sein sollte, wird zur Demonstration.
Dabei geht es ja wirklich um eine menschliche Tragödie - zwei Menschen, die eigentlich zusammengehören müssten, aber nicht zusammengehören können, zu autonom, zu absolut sind die Ansprüche des Königs und die seiner Mätresse. Er, ein mittelmäßiger Feldherr, der lieber in Italien wäre, sich um den Preis des Staatsbankrotts Italien mit Künsten und Bauwerken nach Dresden holt. Die Cosel ist die Liebe seines Lebens und er ist ihre. Ganz aufgegeben haben sie sich nie.
Weiblicher Anspruch aber und männliche Hilflosigkeit, gepaart mit Furcht vor unbekannten Konsequenzen, gehen nicht zusammen. Er geht nach Warschau, sie in die lebenslange Haft nach Stolpen in Sachsen in die Burg. Der Turm, in dem sie bis zum Tode lebte, ist ein kleiner Wallfahrtsort.
Dass es diesem Abend bei so einem Stoff dennoch an Brillanz, Schärfe, vor allem Spannung fehlt, liegt zum einen an der riesigen Bühne mit ungeeigneter Ausstattung von Jens Kilian. Teilweise ist die Sicht auf die viel gerühmte Zwingerkulisse verdeckt. Da müssen beständig riesige Stellwände umständlich bewegt werden, da schuften die Komparsen hart als Kulissenschieber, beabsichtigte Intimität stellt sich dennoch nicht her.
Der historisch sicher ganz und gar "richtige", so aber recht undramatische Text John von Düffels hätte vielleicht einer stringenten dramaturgischen Überarbeitung bedurft und scheint ohnehin eher für ein Kammerspiel oder einen Film geeignet zu sein.
Was die Regie angeht, so scheint der Filmregisseur Dieter Wedel dem Theaterregisseur im Wege zu stehen. Hier kann auf der riesigen Bühne kein Ausschnitt gezeigt werden, hier gibt es keine Nahaufnahmen, es ist immer die ganze Person da und eben auch alle, die gerade nichts zu sagen oder nichts zu tun haben, stehen oder sitzen in voller Größe herum. Der Abend folgt zu oft alter Opernmanier: kommen, stehen, singen (hier eben sprechen), gehen. Große Emotionen werfen ihre Darsteller buchstäblich um oder führen zu feierlichem Deklamationsstil.
Erstaunlich ist aber, dass die zugespielten Filmszenen höfischer Ereignisse, die im Vorfeld auf Schloss Albrechtsberg hergestellt wurden, auch nicht überzeugen und sich auch keine schlüssige Korrespondenz zwischen der Leinwand und der Bühne herstellt. Die Leinwand ist zudem unverhältnismäßig klein und klebt wie eine Briefmarke über der linken Bühnenhälfte an der Zwingerfassade. Das sieht nicht gut aus, zeugt auch nicht von besonderer ästhetischer Kompetenz oder gar Achtung vor dem Bauwerk.
Götz Schubert ist August der Starke. Der Mann hat etliche Facetten. Sein August ist zerbrechlich, verletzbar, letztlich einsam, gewissenlos aus Leidenschaft. Kostüm und Maske machen August den Starken mitunter zum Spielmeister der Nation, er sieht dann etwas aus wie Thomas Gottschalk, aber er hat das Spiel, das Kriegsspiel und das Liebesspiel, eben nicht in der Hand, die Fäden ziehen andere. Das sind die Oberintriganten, die die schöne Gräfin von Hoym, spätere Cosel, erst aus reinem Eigeninteresse in den Mätressenstand erheben und dann daraus entfernen.
Der Sekretär, Reichsgraf Fürstenberg, wird direkt, kräftig geradezu, in fast komischer Selbstüberschätzung, von Tom Quaas gespielt, warum er aussehen muss wie eine Kreuzung aus Karl Lagerfeld und Heino bleibt eines der wenigen Geheimnisse des Abends.
Roland Renner, mehr im Hintergrund als Außenminister Flemming, stellt seine Fallen leiser und letztlich viel erfolgreicher.
Teresa Weissbach ist die Gräfin Cosel. Sie steht ein wenig auf verlorenem Posten, sie ist eine tolle Erscheinung, legt zu Beginn des zweiten Teiles mit August eine Fechtszene hin, sonst aber bleibt sie eher unscharf in der Charakterisierung dieser außergewöhnlichen Frau. Dirk Bach als Hofnarr Fröhlich, Fremdenführer und bescheidener Sänger lacht über seine Scherze lieber gleich selbst und wenn er's nicht tut, dann haben wir wieder eine Pause. Mit dem Humor geht man ja ohnehin sehr sparsam um.
Ganz und gar nicht gespart an Ideen hat die Kostümbildnerin Ella Späte, ihrem Megapensum verdanken wir eine Vielzahl von Kostümen, ein opulenter Streifzug durch die Zeiten, vom Barock bis fast in die Gegenwart, ein optischer Kommentar zur dramatischen Absicht, Sinnlichkeit statt Zeigefinger.
Mit der ersten Auflage der Zwingerfestspiele ist Dresden noch nicht um die angekündigte Attraktion reicher geworden. Viel Mühe, harte Arbeit für einen Versuch, der so nicht aufgegangen ist. Ein Bauwerk wie der Zwinger ist eben doch mehr als eine Kulisse, das man nicht per Lichterketten zum Weihnachtsmarkt im August machen sollte.
Viel Unverständnis aber auch. Warum darf Dieter Wedel, was andere nicht dürfen? Aus Gründen der Denkmalpflege waren die Formate der Veranstaltungen im Zwinger immer weiter reduziert worden. Zuletzt nur noch Konzerte und Ballette der Landesbühnen unter strengsten Auflagen. Und jetzt ist ein Drittel des Zwingers verbaut. Spät erst, nach langem Hin und Her, hat es alle Genehmigungen gegeben für den Aufbau der großen Bühne (39 Meter breit, 20 Meter tief) samt Zuschauertribüne mit insgesamt 32 Reihen für 1.863 Besucher, die an jedem Abend bis zum 21. August erwartet werden.
Stolze Preise, von 53,34 bis 91 Euro, kräftige Zuschläge für die Wochenenden. Und am Morgen der Premiere als Aufmacher einer Dresdner Tageszeitung: "Wedel beutet Komparsen aus", Sachsens DGB-Chefin Iris Loppich kritisiert: "Gagen wie im Mittelalter". Grund sind die Vergütungen für die Statisten, die auch als Kulissenschieber agieren, 10 Euro für den Probentag, 25 Euro für die Vorstellungen.
Wirbel auf beiden Seiten, jetzt hat die Premiere stattgefunden. Und die gute Nachricht zuerst: Es hat nicht geregnet.
Aber ist die Inszenierung von Dieter Wedel, wie angekündigt, eine fesselnde Liebesgeschichte, eine menschliche Tragödie, ein modernes Drama, das durch brillante Schärfe besticht?
Das wohl weniger. Auf jeden Fall ist diese Geschichte um Sachsens barocken Herrscher August der Starke, seine intriganten Höflinge und seine berühmte Mätresse Gräfin Cosel um richtig spannend zu sein viel zu lang geraten. Da wird aus der zeitlichen Länge Langatmigkeit. Das Intrigenspiel ist rasch erklärt und wird noch dann in etlichen Variationen weiter erklärt. Was spannend wie ein guter Krimi sein sollte, wird zur Demonstration.
Dabei geht es ja wirklich um eine menschliche Tragödie - zwei Menschen, die eigentlich zusammengehören müssten, aber nicht zusammengehören können, zu autonom, zu absolut sind die Ansprüche des Königs und die seiner Mätresse. Er, ein mittelmäßiger Feldherr, der lieber in Italien wäre, sich um den Preis des Staatsbankrotts Italien mit Künsten und Bauwerken nach Dresden holt. Die Cosel ist die Liebe seines Lebens und er ist ihre. Ganz aufgegeben haben sie sich nie.
Weiblicher Anspruch aber und männliche Hilflosigkeit, gepaart mit Furcht vor unbekannten Konsequenzen, gehen nicht zusammen. Er geht nach Warschau, sie in die lebenslange Haft nach Stolpen in Sachsen in die Burg. Der Turm, in dem sie bis zum Tode lebte, ist ein kleiner Wallfahrtsort.
Dass es diesem Abend bei so einem Stoff dennoch an Brillanz, Schärfe, vor allem Spannung fehlt, liegt zum einen an der riesigen Bühne mit ungeeigneter Ausstattung von Jens Kilian. Teilweise ist die Sicht auf die viel gerühmte Zwingerkulisse verdeckt. Da müssen beständig riesige Stellwände umständlich bewegt werden, da schuften die Komparsen hart als Kulissenschieber, beabsichtigte Intimität stellt sich dennoch nicht her.
Der historisch sicher ganz und gar "richtige", so aber recht undramatische Text John von Düffels hätte vielleicht einer stringenten dramaturgischen Überarbeitung bedurft und scheint ohnehin eher für ein Kammerspiel oder einen Film geeignet zu sein.
Was die Regie angeht, so scheint der Filmregisseur Dieter Wedel dem Theaterregisseur im Wege zu stehen. Hier kann auf der riesigen Bühne kein Ausschnitt gezeigt werden, hier gibt es keine Nahaufnahmen, es ist immer die ganze Person da und eben auch alle, die gerade nichts zu sagen oder nichts zu tun haben, stehen oder sitzen in voller Größe herum. Der Abend folgt zu oft alter Opernmanier: kommen, stehen, singen (hier eben sprechen), gehen. Große Emotionen werfen ihre Darsteller buchstäblich um oder führen zu feierlichem Deklamationsstil.
Erstaunlich ist aber, dass die zugespielten Filmszenen höfischer Ereignisse, die im Vorfeld auf Schloss Albrechtsberg hergestellt wurden, auch nicht überzeugen und sich auch keine schlüssige Korrespondenz zwischen der Leinwand und der Bühne herstellt. Die Leinwand ist zudem unverhältnismäßig klein und klebt wie eine Briefmarke über der linken Bühnenhälfte an der Zwingerfassade. Das sieht nicht gut aus, zeugt auch nicht von besonderer ästhetischer Kompetenz oder gar Achtung vor dem Bauwerk.
Götz Schubert ist August der Starke. Der Mann hat etliche Facetten. Sein August ist zerbrechlich, verletzbar, letztlich einsam, gewissenlos aus Leidenschaft. Kostüm und Maske machen August den Starken mitunter zum Spielmeister der Nation, er sieht dann etwas aus wie Thomas Gottschalk, aber er hat das Spiel, das Kriegsspiel und das Liebesspiel, eben nicht in der Hand, die Fäden ziehen andere. Das sind die Oberintriganten, die die schöne Gräfin von Hoym, spätere Cosel, erst aus reinem Eigeninteresse in den Mätressenstand erheben und dann daraus entfernen.
Der Sekretär, Reichsgraf Fürstenberg, wird direkt, kräftig geradezu, in fast komischer Selbstüberschätzung, von Tom Quaas gespielt, warum er aussehen muss wie eine Kreuzung aus Karl Lagerfeld und Heino bleibt eines der wenigen Geheimnisse des Abends.
Roland Renner, mehr im Hintergrund als Außenminister Flemming, stellt seine Fallen leiser und letztlich viel erfolgreicher.
Teresa Weissbach ist die Gräfin Cosel. Sie steht ein wenig auf verlorenem Posten, sie ist eine tolle Erscheinung, legt zu Beginn des zweiten Teiles mit August eine Fechtszene hin, sonst aber bleibt sie eher unscharf in der Charakterisierung dieser außergewöhnlichen Frau. Dirk Bach als Hofnarr Fröhlich, Fremdenführer und bescheidener Sänger lacht über seine Scherze lieber gleich selbst und wenn er's nicht tut, dann haben wir wieder eine Pause. Mit dem Humor geht man ja ohnehin sehr sparsam um.
Ganz und gar nicht gespart an Ideen hat die Kostümbildnerin Ella Späte, ihrem Megapensum verdanken wir eine Vielzahl von Kostümen, ein opulenter Streifzug durch die Zeiten, vom Barock bis fast in die Gegenwart, ein optischer Kommentar zur dramatischen Absicht, Sinnlichkeit statt Zeigefinger.
Mit der ersten Auflage der Zwingerfestspiele ist Dresden noch nicht um die angekündigte Attraktion reicher geworden. Viel Mühe, harte Arbeit für einen Versuch, der so nicht aufgegangen ist. Ein Bauwerk wie der Zwinger ist eben doch mehr als eine Kulisse, das man nicht per Lichterketten zum Weihnachtsmarkt im August machen sollte.