Parlament in Wartestellung
Das Land wartet auf eine neue Bundesregierung. Und auch der Bundestag tut nicht das, was er normalerweise vier Monate nach der Wahl tun würde. Viele Parlamentarier sind mittlerweile ungeduldig angesichts anstehender Entscheidungen.
Solms: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich begrüße Sie zur konstituierenden Sitzung des 19. Deutschen Bundestages."
Mit diesen Worten eröffnet der Alterspräsident, der FDP-Politiker Herrmann Otto Solms, die erste Sitzung am 24. Oktober. Drei Monate später wartet das Land zwar immer noch auf eine neue Bundesregierung, das Parlament allerdings will nicht länger warten, sondern richtig loslegen.
Bereits im November hat der Bundestag einen Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung eingesetzt und einen Petitionsausschuss. Sowie als Provisorium: einen Hauptausschuss mit je 47 ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern. Der sollte sich - wie schon nach der Wahl 2013 - während der laufenden Regierungsbildung um dringende und eilige Anliegen kümmern; solange, bis sich das Parlament auf reguläre Ausschüsse verständigt. Deren Zuschnitt hängt auch davon ab, wie viele Ministerien mit welcher Verantwortung es gibt, insofern war es sinnvoll abzuwarten.
Ausschüsse werden im Januar besetzt
Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen in der zweiten Novemberhälfte aber wurden die Parlamentarier ungeduldig. Ohne die Ausschüsse geht wenig im Parlament, denn dort werden Gesetze vorbereitet und bis zur "Abstimmungsreife" beraten. Die Fraktionen verständigten sich also darauf, im Januar die Ausschüsse einzusetzen. Damit wird der Hauptausschuss nun überflüssig. Carsten Schneider, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion zieht eine grundsätzlich positive Bilanz über dessen Arbeit:
"Wir haben die Auslandsmandate der Bundeswehr dort intensiv beraten, wir auch Vorlagen des Finanzministerium, die sich mit dem europäischen Stabilitätsmechanismus betrafen, wir haben, weil absehbar war, dass die Ausschüsse nächste Sitzungswoche eingesetzt werden, manche Anträge, die inhaltlicher Art waren, zurückgestellt, um sie in den Fachausschüssen beraten zu können."
"Wir haben die Auslandsmandate der Bundeswehr dort intensiv beraten, wir auch Vorlagen des Finanzministerium, die sich mit dem europäischen Stabilitätsmechanismus betrafen, wir haben, weil absehbar war, dass die Ausschüsse nächste Sitzungswoche eingesetzt werden, manche Anträge, die inhaltlicher Art waren, zurückgestellt, um sie in den Fachausschüssen beraten zu können."
Für den neu in den Bundestag eingezogenen Linken-Abgeordneten Michel Brandt aus Karlsruhe kommt das Ende des Hauptausschusses zu spät. Der 27-Jährige empfand dort die Vorbereitung der Auslandsmandate als ungenügend:
"Da wurde alles durchgewunken, was hier parlamentarisch passiert und dann gab es nur eine zweimalige Debattenzeit von 45 Minuten und einmal 35 Minuten, was ich z.B. um einen Auslandseinsatz zu beschließen, einen Kriegseinsatz, für völlig unzureichend halte, gerade vor dem Hintergrund, dass hier so viele neue MdBs sind. Dann heißt es, das sind die wichtigsten die großen Gewissensentscheidungen und die parlamentarische Vorbereitung dafür ist eigentlich gleich null."
"Da wurde alles durchgewunken, was hier parlamentarisch passiert und dann gab es nur eine zweimalige Debattenzeit von 45 Minuten und einmal 35 Minuten, was ich z.B. um einen Auslandseinsatz zu beschließen, einen Kriegseinsatz, für völlig unzureichend halte, gerade vor dem Hintergrund, dass hier so viele neue MdBs sind. Dann heißt es, das sind die wichtigsten die großen Gewissensentscheidungen und die parlamentarische Vorbereitung dafür ist eigentlich gleich null."
Von Bundeswehreinsätzen und Diätenanpassungen
Um jeweils drei Monate hat der Bundestag sieben Bundeswehreinsätze verlängert, eine nur kurze Zeitspanne, um der neuen Bundesregierung nicht vorzugreifen.
Auch andere Entscheidungen sind fällig geworden: so die Frage nach einer Anpassung der Diäten der Bundestagsabgeordneten; ob diese weiterhin an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt bleiben sollten. Nach einer hitzigen Debatte - vor allem zwischen AfD und Grünen - stimmte der Bundestag dem Automatismus zu.
Eile auch beim Thema Glyphosat: Nach einer neuen Genehmigung für das Unkrautvernichtungsmittel auf EU-Ebene haben Hersteller noch bis März Zeit, ihr Pflanzenschutzmittel neu anzumelden. Anlass genug für mehrere Fraktionen, Vorschläge zum nationalen Umgang mit Glyphosat zu machen.
Das Thema Pflege ist seit dem Bundestagswahlkampf stark in den Vordergrund gerückt. Es herrscht Konsens bei den politischen Parteien, dass sich dort schnell die Situation bessern muss. Warum also nicht gleich? So argumentiert die Grünen-Bundestagsfraktion in ihrem Antrag für ein Sofortprogramm, den sie in den Bundestag einbringt:
Schulz-Asche: "Seit Langem wird in Deutschland über den Pflegenotstand gesprochen, wenig getan und nun stehen wir kurz vor einer Pflegekatastrophe und deswegen muss jetzt sofort gehandelt werden!"
Schulz-Asche: "Seit Langem wird in Deutschland über den Pflegenotstand gesprochen, wenig getan und nun stehen wir kurz vor einer Pflegekatastrophe und deswegen muss jetzt sofort gehandelt werden!"
Anträge und Anfragen im Tagesgeschäft
Die Botschaft der grünen Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche ist klar: Die Parteien sollen angetrieben werden, auch ohne neue Regierung. Aber nicht nur mit Anträgen hält das Parlament den Betrieb weiter am Laufen. Michel Brandt von der Linkspartei ergänzt:
"Ich finde die kleinen Anfragen sind sehr gutes Instrument, um an Informationen zu kommen oder wenn man Informationen hat, sich diese offiziell bestätigen zu lassen. Wenn NGOs z.B. auf uns zukommen, wir brauchen, die und die Information, um weiterarbeiten zu können, kriegen die aber selbst nicht von der Bundesregierung und uns gegenüber ist die Bundesregierung aussageverpflichtet, dafür ist das ein gutes Mittel."
"Ich finde die kleinen Anfragen sind sehr gutes Instrument, um an Informationen zu kommen oder wenn man Informationen hat, sich diese offiziell bestätigen zu lassen. Wenn NGOs z.B. auf uns zukommen, wir brauchen, die und die Information, um weiterarbeiten zu können, kriegen die aber selbst nicht von der Bundesregierung und uns gegenüber ist die Bundesregierung aussageverpflichtet, dafür ist das ein gutes Mittel."
Schon mehrfach Informationen erhalten wollte auch die erst neu in den Bundestag eingezogene Grünen-Abgeordnete Lisa Badum aus Oberfranken. Sie wollte wissen, wie die Bundesregierung zum Bericht einer britischen Forschungsinstitution steht, der den wirtschaftlichen Schaden von Kohlenenergie illustriert:
"Momentan sind die Antworten glaube ich noch weniger zufriedenstellend als sonst, weil die Regierung immer sagt, wir sind geschäftsführend im Amt. Alles, was kommt, muss die nächste Regierung entscheiden, aber angesichts dessen, dass momentan die Parteien verhandeln, die auch in der geschäftsführenden Regierung sind, kann man auch schon bisschen erahnen, was kommt."
"Momentan sind die Antworten glaube ich noch weniger zufriedenstellend als sonst, weil die Regierung immer sagt, wir sind geschäftsführend im Amt. Alles, was kommt, muss die nächste Regierung entscheiden, aber angesichts dessen, dass momentan die Parteien verhandeln, die auch in der geschäftsführenden Regierung sind, kann man auch schon bisschen erahnen, was kommt."
Darauf, was kommt, bereiten sich gerade alle Fraktionen vor, ungeachtet der Unwägbarkeiten. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, bleibt gelassen:
"Wir haben jetzt in der nächsten Sitzungswoche, die Festlegung der neuen Ausschussmitglieder, da werden die neuen Kollegen dazukommen, das sind 25, die wir in Teilen schon zugeordnet hatten und dann geht hier der ganz normale Rhythmus los, den es hier seit 60 Jahren im Parlament gibt."
"Wir haben jetzt in der nächsten Sitzungswoche, die Festlegung der neuen Ausschussmitglieder, da werden die neuen Kollegen dazukommen, das sind 25, die wir in Teilen schon zugeordnet hatten und dann geht hier der ganz normale Rhythmus los, den es hier seit 60 Jahren im Parlament gibt."