Musik, Gemeinschaftsgefühl und Literatur
01:44 Minuten
Die Theater, Museen, Galerien und Kinos sind geschlossen. Aber wie geht es den Menschen, die dort sonst täglich arbeiten? In unserer Fazit-Reihe fragen wir Kulturschaffende, was sie in Zeiten des erzwungenen Stillstandes tröstet.
Was tun, wenn der Alltag plötzlich stillsteht? Tourneen abgesagt, Projekte gestoppt: Wir haben Künstler gebeten, uns Sprachnachrichten zu schicken und zu verraten, was sie aktuell tröstet.
Plattensammlung wiederentdeckt
Performer Patrick Wengenroth hat seine alte Plattensammlung wiederentdeckt, Schauspielerin Anita Vulesica hilft der Gedanke an ein sich neu entwickelndes Gemeinschafts- und Mitgefühl. Und den Dramatiker Konstantin Küspert trösten bei Panikattacken Worte aus "Dune" von Frank Herbert:
"I must not fear. Fear is the mind-killer. Fear is the little-death that brings total obliteration. I will face my fear. I will permit it to pass over me and through me. And when it has gone past I will turn the inner eye to see its path. Where the fear has gone there will be nothing. Only I will remain."
Die Fazit-Reihe "Was mich tröstet"
Komponist Hannes Seidl
"Man lernt die Nachbarn plötzlich neu kennen"
"Man lernt die Nachbarn plötzlich neu kennen"
Vor allem die Intensivierung des Nahbereichs tröste ihn, sagt der Komponist Hannes Seidl. Er berichtet von einer öffentlichen Grünfläche hinter dem Mietshaus, in dem er wohnt: "Wir haben angefangen, die zu bepflanzen und schön zu machen. Und dadurch lernt man plötzlich die Nachbarn noch einmal neu kennen, die herüberwinken, sich darüber freuen, die das auch nutzen. Und das ist eigentlich sehr schön."
Regisseurin und Autorin Regine Dura
"Während man schreibt, ist man immer auf jemand anderes ausgerichtet"
"Während man schreibt, ist man immer auf jemand anderes ausgerichtet"
Briefe zu schreiben tröstet Regine Dura. Das sei das Gegenteil zur Corona-Isolation: Obwohl alleine sei man im Gespräch mit Freundinnen und Freunden. "Während man schreibt, ist man immer auf jemand anderes ausgerichtet."
Kulturstaatsminsterin Monika Grütters:
"Wenn Literatur nicht jetzt hilft - wann dann?"
"Wenn Literatur nicht jetzt hilft - wann dann?"
Monika Grütters hat das Vertrauen, dass gerade Kulturschaffende zäh sind und Krisen überwinden können. Vertrauen und Trost können in schlimmen Zeiten auch Gedichte spenden, zum Beispiel Masha Kaléko: "Zerreiß deine Pläne, sei klug und halte dich an Wunder (...)".
HAU-Intendantin Annemie Vanackere:
Fragen zur Zukunft
Fragen zur Zukunft
Für Annemie Vanackere ist es tröstlich, sich mit den praktischen Fragen des französischen Philosophen und Soziologen Bruno Latour auseinanderzusetzen - etwa, welchen Aktivitäten, die jetzt ausgesetzt sind, eher ungünstig sind und verschwinden sollten und welche zukünftig unbedingt weiterentwickelt werden müssen.
Regisseur Hans-Werner Kroesinger:
Chormusik und Filmklassiker
Chormusik und Filmklassiker
Hans-Werner Kroesinger macht Dokumentartheater und braucht keinen Trost, weil er zur Zeit nicht traurig ist, sondern eher überrascht. Gerne hört Kroesinger Bachs Johannes-Passion oder schaut sich "Die sieben Samurai" von Akira Kurosawa an.
Regisseur und Performer Patrick Wengenroth:
Meine alte Plattensammlung
Meine alte Plattensammlung
Der Berliner Theaterregisseur und Performer Patrick Wengenroth findet es derzeit beglückend, seine alten Platten wiederzuhören. Das Spektrum reicht von HipHop bis zu Jazz und Soul.
Schauspielerin Anita Vulesica:
Das neue Gemeinschaftsgefühl
Das neue Gemeinschaftsgefühl
Das Verständnis füreinander wachse dadurch, dass man auch die persönlichen Befürchtungen teile, sagt die Schauspielerin Anita Vulesica. Daneben sei es vor allem der Humor, der sie tröste.
Dramatiker Konstantin Küspert:
Ein Gedicht gegen die Panikattacken
Ein Gedicht gegen die Panikattacken
"I must not fear" – mit diesen Worten beginnt das Gedicht "Litany against fear" im Buch "Dune" des US-amerikanischen Schriftstellers Frank Herbert. Es tröste ihn manchmal nachts, sagt der Dramatiker Konstantin Küspert.
Schauspieldirektorin Anna Bergmann:
Ein Film von Fellini
Ein Film von Fellini
Anna Bergmann ist Schauspieldirektorin am Badischen Staatstheaters in Karlsruhe. Sie bereitet sich in ihrem Heimatdorf in Sachsen-Anhalt gerade auf die nächste Spielzeit vor und freut sich an dem Humor von "Stadt der Frauen" von Federico Fellini.
Autorin und Performerin Laura Naumann:
Yoga-Übungen im Arbeitszimmer
Yoga-Übungen im Arbeitszimmer
Laura Naumann gehört zum feministischen Performance-Kollektiv "Henrike Iglesias". Sie nutzt ihre freie Zeit für Online-Yoga-Kurse. Den ganzen Tag jede Klasse bei sich zu Hause besuchen zu können, sei schöner als im überfüllten Studio.
Schriftsteller Eugen Ruge:
Bücher als Welt in der Tasche
Bücher als Welt in der Tasche
Bücher setzen mit minimalem Aufwand ein Kino im Kopf zusammen, sagt der Schriftsteller Eugen Ruge. Man könne so in Kontakt treten mit Menschen aus längst vergangenen Zeiten.
Intendant Matthias Lilienthal:
Spaziergang auf einem alten Friedhof
Spaziergang auf einem alten Friedhof
In der Nachbarschaft des Intendanten der Münchner Kammerspiele liegt ein 250 Jahre alter Friedhof. Dort sei er jetzt oft mit seiner kleinen Tochter. Der Ort sei im Frühling wie ein unwirkliches Paradies, eine Utopie, die neuen Sinn stifte.
Theaterarzt Axel Othmer:
Ein neuer Blick auf die Gesellschaft
Ein neuer Blick auf die Gesellschaft
Nach einem gelungenen Theaterbesuch habe er einen anderen Blick auf die Gesellschaft, sagt Axel Othmer. Diesen Effekt erhoffe er sich für alle Menschen nach der Krise. Er arbeitet als Theaterarzt am Schauspielhaus in Hamburg.
Galerist Werner Tammen:
Mehr Aufmerksamkeit ist das große Plus
Mehr Aufmerksamkeit ist das große Plus
Der Berliner Galerist Werner Tammen findet Trost in den vielfältigen Formen von Solidarität und Aufmerksamkeit. Er bemerke, dass die Menschen mehr und stärker wieder aufeinander zugehen, zum Beispiel im Verbund der Nachbarschaft. Das alles könnten wir nach der Krise als großes Plus auf die Habenseite stellen und das werde uns auch in der Zukunft helfen.
Schauspieler Milan Peschel:
Explosion von Kreativität
Explosion von Kreativität
Der Berliner Schauspieler Milan Peschel freut sich auf viele neue Bücher, Stücke, Songs und Bilder, die jetzt entstehen werden. Die Krise sei auch eine Chance, unser Zusammenleben anders zu gestalten.
Schauspielerin Sina Martens:
Die Entschleunigung
Die Entschleunigung
Das Wort "Krise" setzt sich im Chinesischen aus den Schriftzeichen "Gefahr" und "Gelegenheit" zusammen, erklärt Sina Martens. Es sei jetzt Zeit, innezuhalten und sich Fragen zu stellen, ist die Schauspielerin am Berliner Ensemble überzeugt.
Schauspielerin Judith Engel:
Der Rückzug entspricht meinem Naturell
Der Rückzug entspricht meinem Naturell
Zuerst dachte sie, dass sie in dieser Krise nichts trösten könne, sagt Schauspielerin Judith Engel. Doch die Zeit des Stillstands sei gut für die Menschen und die Natur. Vielleicht würden wir jetzt erkennen, dass wir viele Dinge gar nicht brauchen.
Schauspieler Fabian Hinrichs:
Wir singen wieder
Wir singen wieder
Die Künste des Alltags: das Zusammensein mit seiner Familie - im Garten, beim Musizieren - tröste ihn, sagt Schauspieler Fabian Hinrichs. Aber es ist kein ungetrübter Trost. Denn diese Pandemie zeige doch auch den weltumspannenden trostlosen Zustand der Welt.
Schauspieler Marcel Kohler:
Erkenntnisse über das Theater
Erkenntnisse über das Theater
Marcel Kohler tröstet, dass er bei den täglichen Proben über die Webcam in die Gesichter seiner Schauspielschüler blicken kann, um eine virtuelle Aufführung einzustudieren. Und es tröstet ihn, dass er jetzt ein noch stärkerer Verfechter des Theaters ist, weil ihm noch deutlicher wird, dass es zum Theaterspielen unbedingt einem gemeinsamen Ort mit gemeinsamer Luft brauche.
Regisseur Christopher Rüping:
Der gerettete Straßenhund
Der gerettete Straßenhund
Den Theaterregisseur Christopher Rüping tröstet sein Hund. Der ist ihm in Griechenland bei den Proben zum zehnstündigen Bühnen-Marathon "Dionysos Stadt" zugelaufen und erinnert Rüping daran, dass dieser Planet schon größere Verheerungen als Corona überstanden hat.
Schauspieler Andreas Döhler:
Fantasie und Kreativität
Fantasie und Kreativität
Der Schauspieler Andreas Döhler findet Trost im Wissen um Fantasie und Kreativität. Und er hofft, dass wir vielleicht am Ende eine finanziell etwas ärmere Gesellschaft bekommen, aber dafür eine menschlich reichere.
Regisseurin Monika Gintersdorfer:
Frühling, lange Telefongespräche und gute Filme
Frühling, lange Telefongespräche und gute Filme
Stundenlange Spaziergänge in der blühenden Natur trösten die Regisseurin Monika Gintersdorfer. Danach telefoniert sie gerne ausführlich mit Freunden oder entdeckt im Fernsehen zufällig einen guten Film.
Schauspieler Burghart Klaußner:
Ein Gedicht von Friedrich Hölderlin
Ein Gedicht von Friedrich Hölderlin
Burghart Klausner spielt sowohl in Filmen ("Die fetten Jahre sind vorbei", "Der Novembermann"), als auch auf Theaterbühnen (Staatsschauspiel Dresden, Schiller Theater Berlin). Trost bringt ihm ein Gedicht von Friedrich Hölderlin aus "Die Titanen".