Was mir heilig ist

"Alte Geräte, die mir treue Dienste geleistet haben"

Der Künstler Jim Avignon malte 2014 auf dem Innenhof des "Tagesspiegels" in Berlin ein Wandbild.
Der Künstler Jim Avignon malte 2014 auf dem Innenhof des "Tagesspiegels" in Berlin ein Wandbild. © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Jim Avignon |
Er ist Maler, Illustrator, Pop-Art-Künstler und Musiker. 2017 blickte Jim Avignon im Buchformat auf seine ungewöhnliche und kurvenreiche Karriere zurück: "Business as Unusual". Wir haben ihn gefragt, was ihm heilig ist.
"Ich bin jemand, der mit dem Begriff 'heilig' sehr wenig umgeht. Ich fühle mich nicht heilig, es fällt mir schwer, den Begriff 'heilig' überhaupt zu beschreiben. Ich bin ein Freund alles Menschlichen und das Heilige ist an sich nicht so menschlich. Wenn ich es ersetze durch 'Was ist mir wichtig' und 'was ist mir wertvoll' − mir sind Freunde sehr wichtig. Ich bin, glaube ich, eine sehr treue Person. Ich frage mich auch 20 Jahre später, was ist eigentlich aus dem geworden? Und versuche, wieder Kontakt aufzunehmen. Also ich glaube, ja, es klingt vielleicht ein bisschen blöd, aber mir ist der Mensch heilig. Oder alle Lebewesen.
Als Maler hab ich mir sehr viel Menschen angeschaut, in der U-Bahn. Ich fahre sehr gerne U-Bahn, einfach um die Menschen zu studieren. Ich versuche in den Gesichtern zu lesen, die Linien, die kleinen Details. Ich versuche mir vorzustellen, was der für ein Leben gelebt hat. Und inzwischen bin ich soweit, dass ich sage, es gibt kein Gesicht, das ich nicht schön finde. Jedes Gesicht hat eine eigene Schönheit, jeder Mensch hat irgendwie eine eigene Würde.

Eine große Schublade voller Abspielgeräte

Das geht bei mir sogar so weit, dass ich auch zu Gegenständen, die mich lange begleitet haben, die mir treue Dienste geleistet haben, eine persönliche Beziehung aufbaue. Es fällt mir immer extrem schwer, Gegenstände oder Geräte, die kaputt sind oder die ich nicht mehr brauche, wegzuschmeißen, wenn sie mich lange begleitet haben.
Ich habe eine ganze große Schublade zu Hause mit alten Abspielgeräten, die mir irgendwann treue Dienste geleistet haben. Ich kann die nicht weg schmeißen. Die waren mit mir auf der ganzen Welt, auch in Krisenzeiten, sind oft runter gefallen, Alkohol ist drüber gekippt, ich habe sie am Flughafen vergessen, noch geholt und diese Geräte sind ein Teil von mir. Die sind mir 'heilig'.

Eine geliebte Tasche, die scheußlich aussieht

Am extremsten ist es vielleicht mit einer großen blauen Tasche, die ich mir 1992 von der Band Quickspace gekauft habe, die ist inzwischen längst vergessen, da waren 20 Besucher und die hatten als Merchandise so eine große blaue Tasche. Und diese Tasche ist seitdem mein Reisebegleiter. Ich habe ein Papierformat gefunden, das sich so gut falten lässt, dass die Bilder genau in diese Tasche reinpassen.
Ich gehe eigentlich nie auf Tour oder auf Reisen ohne diese Tasche. Sie ist tausendfach geklebt inzwischen, sie sieht wirklich scheußlich aus, ich werde bei jedem Hotel erst mal misstrauisch angekuckt, warum ich mit so einem Ding unterwegs bin. Aber ich liebe sie einfach. Sie gehört zu mir, sie ist ein Teil von mir. Ich habe mein Leben sogar nach ihr ausgerichtet. Und das ist mir mein wertvollster Gegenstand."
(O-Ton-Collage: Georg Gruber)
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