Was mir heilig ist

"Die Haut des anderen ist unantastbar"

Der Autor Klaus Theweleit in seinem Arbeitszimmer in Freiburg
Der Autor Klaus Theweleit in seinem Arbeitszimmer in Freiburg © dpa / picture alliance / Patrick Seeger
Von Klaus Theweleit |
Klaus Theweleit ist Kulturtheoretiker, Literaturwissenschaftler und einer der wichtigsten deutschen Intellektuellen, seit er 1977/78 mit "Männerphantasien" für Aufsehen sorgte. Wir haben ihn gefragt, ob ihm etwas heilig ist.
"Was mir heilig ist: Erst mal, ich würde diesen Begriff nicht benutzen, obwohl ich schon weiß, was damit gemeint ist. Also: heilig. Das ganze Leben hat sich ja theoretisch gedreht um die Erforschung von Gewalt, von Gewaltausübung, politische, persönliche Gewalt, faschistische Gewalt, dann untereinander. Und daraus hat sich so ein Satz gebildet, so wie es im Grundgesetz heißt oder bei den Menschenrechten: Die Würde des Menschen ist unantastbar, dass ich das übersetzen würde in, abstrakt, die Haut. Die Haut ist unantastbar, die Haut des anderen, der anderen ist zu respektieren. Der Nicht-Eingriff in den anderen Körper.
Und das gilt zuerst einmal für die Leute, mit denen man lebt, mit denen man liebt, die eigene Familie, die Freunde drumrum, dann aber auch eigentlich in allen Gruppen, in denen ich mich bewege. Ich könnte mich in keiner Gruppe bewegen, in der das nicht akzeptiert ist."

Beziehungen, die nicht brechen sollen

"Und das sind dann, wie soll man sagen, die Beziehungen, die unantastbar sind, die auch nicht brechen sollen. Also ich habe in meinem Leben nicht sehr viele solcher großer Brüche, sei es in Liebschaften, sei es in Freundschaften, sei es mit Gruppen hinter mir, sondern was sich einmal herausgestellt hat als lebbar, liebbar, akzeptabel, das gilt. Davon abzuweichen auch selber im Verhalten, das wäre nicht nur ein Widerspruch, das wäre sträflich, das wäre eine Übertretung, die möglichst nicht passieren soll. Und das in den Zusammenhängen, was man macht mit Leuten.
Ich spiele zum Beispiel seit 1970/71 in einer Musikgruppe, die improvisiert, nach wie vor mit wechselnden und gleichbleibenden Personen, über Jahre sich trifft, und wir machen unsere Free Jazz-artigen Improvisationen, hören auch solche Musik. Also ein bestimmter Umgang mit Kunst, Film, Musik gehört dazu, die auch unverletzlich sind. Wenn jemand ankäme und sagen würde, Albert Ayler oder Sun Ra oder Hendrix sind musikalische Arschlöcher, dann war das das letzte Wort, das ich mit ihm gewechselt hätte."
(Online-Collage: Georg Gruber)
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