Was mir heilig ist

"Es gibt nichts, wofür sich zu kämpfen lohnt"

Rabih Mroué
Rabih Mroué © picture alliance / dpa / epa Wael Hamzeh
Von Rabih Mroué |
Auch wenn Rabih Mroué Atheist ist, haben wir ihn gefragt, was ihm heilig ist. Der in Berlin lebende Theatermacher hat die Folgen des Krieges im Libanon am eigenen Leib erfahren und sagt: "Wir sollten bereit sein, alle unsere Normen abzuschütteln."
"Was ist mir heilig? Das ist eine sehr interessante Frage. Ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo alles heilig ist. Jede Gruppe hat etwas zu verteidigen, was ihr 'heilig' ist. Wir hatten Bürgerkriege − Plural: Kriege −, weil wir unsere 'Heiligkeiten' gegeneinander verteidigten, unsere Ideen, unsere Ideologien, alles mögliche, woran wir glauben. Und es geht immer noch weiter. Und irgendwann denkst du dir: Nehmt euch mal zusammen, können wir nicht ganz einfach daran glauben, den anderen zu respektieren und ganz einfach zu akzeptieren."

Alle Normen hinterfragen

"Mit der Zeit entdeckte ich, dass es nichts gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich habe gelernt, dass wir alle unsere Überzeugungen, unsere Normen hinterfragen sollten und bereit sein sollten, sie einfach abzuschütteln.
Dass ich offen, tolerant und nicht religiös bin, habe ich meiner Familie zu verdanken. Mein Großvater war Theologe, aber dann wurde er Marxist und publizierte viel. Als ich acht war, wurde er ermordet, weil sie das, was er schrieb, nicht ertragen konnten."

Angst vor festen Angewohnheiten

"Auch in meiner Arbeit geht es mir so: Wenn ich merke, dass eine Arbeit Erfolg hat, versuche ich, sie zu dekonstruieren, und in eine andere Richtung zu gehen. Ich habe Angst davor, feste Angewohnheiten anzunehmen, wie jeden Tag im selben Café zu sitzen, oder andere Rituale. Mir gefällt das, aber dann will ich es gleich aufbrechen.
Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin. Ich gehöre zu einer kleinen Minderheit in meinem Land, genau wie die libanesischen Juden. Ich gehöre zu den Atheisten, und so wurde ich auch erzogen. Ich wurde deswegen schon als Kind gehänselt von den anderen Jungs in meiner Straße.
Ich will mich an nichts binden, auch nicht an das Leben. Voilà, that's it."
(Online-Collage: Gerd Brendel)

Rabih Mroué, geboren 1967 in Beirut, ist Schauspieler, Regisseur, Autor und einer der wichtigen libanesischen Gegenwartskünstler. Seine Produktionen zeigen u.a. das Berliner HAU, das Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt a.M. und die Münchner Kammerspiele, wo am 20./21. Januar 2018 auch seine aktuelle Arbeit "Sand in the Eyes" zu sehen ist. Darin beschäftigt er sich mit den Rekrutierungsvideos islamistischer Terroristen und untersucht, welche Resonanz sie in Deutschland gefunden haben. Die Lecture Performance fragt: Was erzählen diese Videos über diejenigen, die sie produzieren? Wieso gelingt es, mit ihnen junge Männer für den Terrorismus zu gewinnen? Fotos von "Sand in the Eyes" zeigt das Hessische Staatstheater Wiesbaden, wo die Produktion am 1. November 2017 Premiere hatte.

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