Das perfekte Nicht-Produkt
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Wasser ist perfekt für unsere auf korrekte Ernährung fixierte Gesellschaft. Veganer werden damit ebenso glücklich wie Lebensmittelallergiker. Die Wahl des richtigen Trinkwassers sei wie ein "soziales Tattoo", sagt der Nahrungsforscher Gunther Hirschfelder.
Glutenfrei, koscher, halal und selbstverständlich absolut vegan – Wasser ist all das und damit das perfekte Nicht-Produkt. "Und wenn man korrekt essen und trinken will, ist Wasser das korrekteste aller Produkte", sagt der Kulturwissenschaftler und Nahrungsforscher Gunther Hirschfelder. In einer Gesellschaft, die in vielen Dingen überkorrekt sei und Angst davor habe, sich an dem, was sie zu sich nehme, zu vergiften, sei Wasser ein ideales Lebensmittel – und Lifestyle-Produkt.
Tatsächlich gibt es zahllose in Flaschen abgefüllte Wassersorten – das reicht vom abgefüllten Leitungswasser und Sprudelwasser vom Discounter über das aus Italien importierte Edelwasser bis hin zum Wasser aus der isländischen Urzeitquelle oder dem nur bei Mondschein abgefüllten Mineralwasser. Sie bescheren der Branche gute Verkaufszahlen.
Essen und Trinken ist heute ein Leitthema
Welches Wasser wir bevorzugten, sage auch viel über uns selbst aus, so Hirschfelder, der eine Professur an der Universität Regensburg innehat. Das lasse sich sehr schön im Hörsaal beobachten: Dort säßen die Studierenden mit Discounterwasser neben denen mit Wasser in der Edel-Designerflasche oder auch in der umweltfreundlicheren Aluflasche. "Das sind so etwas wie soziale Tatoos. Was man sagen kann: Ich stelle meine Flasche auf den Tisch, und liebe Mitstudierende, ihr könnt mich dann ganz gut einordnen. Seht mal, zu welcher Fraktion ich gehöre."
"Emotionalität und Essen und Trinken gehören zusammen", sagt Hirschfelder. Während man vor einigen Jahrzehnten für bewusste Ernährung noch belächelt worden sei, sei Essen und Trinken heute zum Leitthema avanciert. Dazu passe auch der "Wasserirrsinn".
(mkn)