Wir fangen so langsam an zu begreifen, im besten Fall, was Klimawandel jetzt eigentlich bedeutet.
Micha Dietze, Geomorphologe
Wir werden das Wasser schon noch brauchen! Wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir das Wasser bevorraten, dass wir in den trockenen Zeiten genug haben.
Thomas Bröcker, Obstbauer in Brandenburg
Sie werden es wohl in Zukunft zumindest am Geldbeutel spüren. Die Leute wollen weiter versorgt werden und es geht ja mittlerweile um sehr hohe Kosten.
Bruno Verst, Betreiber der Watzmannhütte
Wasser ist unser kostbarstes Gut. Der Klimawandel ruft uns das wieder ins Gedächtnis und führt es uns in diesem Sommer vor Augen: Wochenlang Temperaturen über 30 Grad und dazu wenig Regen, woraufhin in der italienischen Po-Ebene einigen Gemeinden die Wasserversorgung gekappt wird oder der Wasserstand des Rheins so stark absinkt, dass die Schifffahrt eingeschränkt werden muss.
Steigende Temperaturen und Wassermangel sind nicht mehr nur Probleme in weitentfernten Ländern, sondern auch in Deutschland. Von den Alpen bis zur Küste, von Berchtesgaden bis Rügen, verändert der Klimawandel unseren Alltag und gefährdet die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen.
Ein Schutzhaus auf 1930 Metern Höhe
„Servus! Grias di!“ In Berchtesgaden begrüßt Paul am Tresen des Watzmannhauses die Bergsteiger freundlich. Für seinen Vater Bruno Verst und seine Frau Anette ist es bereits die 24. Saison als Hüttenwirt. Jede ist ein bisschen anders, diese ist vor allem von Wassermangel geprägt.
„Dieses Jahr war von Anfang an das Problem, dass wir sparen müssen, damit wir die Speicher halbwegs voll bekommen“, erzählt er. „Weil wenig Schnee plus Verwehung. Der Wind hat den Schnee wegtransportiert auch noch. Ja und so ging‘s vom ersten Tag an nur ums Wasser.“
Das Schutzhaus auf 1930 Höhenmetern bezieht seit seiner Erbauung vor über 100 Jahren das Wasser aus dem Schnee, der im Winter rings herum auf die Hänge und Felsen fällt. Während der Bergsteigersaison im Sommer schmelzen die Schneefelder ab und bilden einen natürlichen Speicher in einer Senke neben dem Haus. Von dort pumpt Bruno das Wasser in den Wasserspeicher.
Watzmannhaus auf 1930 Metern Höhe: Nur wenn Wirt Bruno Verst genug Wasser hat, kann er die Schutzhütte mit den 200 Schlafplätzen weiter offenhalten.© Deutschlandradio / Philipp Landauer
„Da gehen wir in der Regel Ende April, Anfang Mai rauf und du schaust, ob überhaupt was rinnt“, erklärt er. „Aber die Quelle ist nur schwach gelaufen. Der erste Schritt, das Haus zu befüllen, das dauert statt ein paar Stunden, vier, fünf Tage.“
Die warmen Temperaturen, selbst in diesen Höhenlagen, haben dazu geführt, dass im Winter immer weniger Schnee fällt. Das macht sich dann im Sommer bemerkbar: In diesem Jahr schmolz gerade so viel Wasser ab, um den Bedarf der Hütte zu decken.
Wasser sparen ist die wichtigste Regel
Die wichtigste Regel für diese Saison heißt deshalb: Sparsam mit dem Wasser umgehen.
„Vom ersten Tag an im Waschraum die Hähne drosseln. Das Personal anflehen: Bitte, bitte jeden Tropfen sparen! Tun sie auch, weil im Grunde kann ja jeder was lernen hier oben“, sagt Bruno Verst. „Viele von unseren Angestellten sind schon gegangen, haben uns dann wieder besucht und haben gesagt: Ja, zu Hause die Wasserrechnung ist nur noch halb so hoch, weil ich mache das, das und das. Wunderbar!“
Auch wenn man die Wasserhähne in den Waschräumen voll aufdreht, kommt nur ein Rinnsal heraus, gerade genug, um die Hände zu waschen.
Das ist für mich das größte Ärgernis, dass viele, viele Gäste kein Verständnis für unsere Situation haben. Ich verstehe das deshalb nicht, weil die Leute schauen Fernsehen, sie hören Radio, lesen Nachrichten – was denkt sich da jemand, wenn er hört: Diese Gemeinde muss mit Tankwagen versorgt werden, weil die Quellen versiegen.
Wenn du hörst, dass die Grundwasserspiegel zum Teil bis zu 15 Meter gesunken sind, dann müsste doch langsam der Dümmste kapieren, dass da was nicht in Ordnung ist. Dass der Verbrauch zu hoch ist, dass jeder einen anderen Umgang mit dem Element haben sollte!
Bruno Verst
Schutzhütten in den Alpen sind nach einem geschlossenen Prinzip aufgebaut: Wasser beziehen sie aus Quellen in der nächsten Umgebung. Mit UV-Anlagen wird es zu Trinkwasser aufbereitet.
Gleichzeitig gibt es noch einen Brauchwasserspeicher: Hier wird beispielsweise Regenwasser für die Toiletten gesammelt. Schließlich ist die Schutzhütte auch dafür verantwortlich, das Abwasser in einer kleinen Kläranlage zu reinigen, bevor es wieder in die Umwelt eingeleitet wird.
Kampf um jeden Wassertropfen
Sogar beim Bau der Kläranlage entdeckte Verst Möglichkeiten, Wasser zu sparen.
„Da bin ich mit dem damaligen Architekten auf der Terrasse gestanden“, erzählt er, „und habe gesagt: Du Stefan, schau dir mal das Dach an! Was fehlt da? Er schaut, schaut mich an und sagt: Bruno, ist doch alles da! Da fehlt doch nichts! Habe ich gesagt: Doch! Da fehlt ein Schneefang. Er meinte: Der kann doch ruhig runterrutschen, ist doch egal! Habe ich gesagt: Nein, der soll in die Dachrinne tröpfeln, denn die wiederum tröpfelt in meinen Brauchwasserspeicher. Warum soll ich die Klospülung da runterrutschen lassen?“
Watzmannwirt Bruno Verst kämpft um jeden Tropfen. Nur wenn er genug Wasser hat, kann er die Schutzhütte mit den 200 Schlafplätzen weiter offenhalten. Die Situation ist kritisch.
Verst hofft, dass es bald regnet – und sich die Wasserspeicher ein wenig füllen. „Im Moment sind wir so weit, wir haben jetzt die nächsten 14 Tage jeden Tag das Haus quasi voll, plus Tagesgäste. In den nächsten 14 Tagen sollte von oben was kommen! Sonst wird es heftig: Waschräume schließen, Toiletten schließen, Dixie-Klos mit dem Hubschrauber rauf bringen und dann müssen die Leute auf diese Toiletten.“
Auch Wasser müsste der Helikopter dann zum Watzmannhaus bringen. Es ist eine Schutzhütte der Kategorie eins: Unter allen Umständen muss sie als Stützpunkt in Extremlage erhalten bleiben und für ausreichend Verköstigung sorgen.
Bis zuletzt spart Bruno dabei Trinkwasser für die Küche und die Versorgung. „Die Reserve muss ich aufheben. Also an die letzten 20 Kubik lass ich niemanden mehr ran!“ Mittlerweile liegt diese Verantwortung aber bei seinem Sohn Paul. Er hat angekündigt, das Haus weiterzuführen.
Sonne und Rapsöl für die Stromerzeugung
“Ich lass ihn machen. Er macht sehr vieles sehr gut. Kläranlage ist er topfit. Beim Wasser mittlerweile auch. Strom, da muss er noch ein bisschen üben. Je nachdem was die Solaranlage gerade hergibt“, sagt Bruno Verst.
Als Wirt einer Schutzhütte braucht Bruno fließendes Wasser, Strom und ein Abwassersystem. Ohne geht es nicht.
Den Strom bezieht er aus der Solaranlage auf dem Dach und einem Blockheizkraftwerk, das mit Rapsöl betrieben wird. Im Notfall kann er immer noch auf ein Dieselaggregat umstellen. Verschiedene Quellen für Strom, nur eine für Wasser. Die Senke, in der sich das Schmelzwasser sammelt, und das wird immer weniger.
Bruno Verst sieht seit Jahren, wie der Klimawandel sein Leben verändert. „Da laufen 24 Stunden lang, nicht durchgehend, aber immer intervallmäßig 15, 20 Pumpen. Dann läuft die Waschmaschine, der Trockner, brauchen wir die Spülmaschine? Brauchen wir das, brauchen wir das? Das muss man alles im Kopf haben und auch ständig schauen.“
Familie Verst hat Glück, nach zwei Tagen ist der ersehnte Regen da. Es ist, wie so oft in letzter Zeit, Starkregen. Innerhalb von wenigen Stunden fällt enorm viel Niederschlag. Auch das eine Folge des Klimawandels. Weil die Temperaturen steigen, nimmt die Luft mehr Wasserdampf auf, der dann auch abregnen muss.
Starkregen wird zum Problem
Der vermehrte Starkregen hat in den Alpen noch eine weitere Folge: Es kommt häufiger zu Steinschlägen, die auch stärker ausfallen als in der Vergangenheit. Grund dafür sind zum einen die erhöhten Temperaturen, die das Eis der Gletscher und den Permafrost schmelzen lassen.
Zum anderen werden die nun blanken Felsen vom heftig einprasselnden Regen freigespült, die dann – ohne den nötigen Halt – ins Rutschen geraten und auseinanderbrechen. Der Geomorphologe Micha Dietze hat die Geräusche, die dabei entstehen, aufgenommen. Zum Beispiel beim Hochvogel, einem Berg in den Alpen, 2600 Meter hoch.
„Das ist ein riesiger Riss, also der geht einmal quer durch. Der ist sechs, sieben Meter breit und 30 Meter lang, da passt ein großer Sattelschlepper rein. Vor 20 Jahren gab es den Riss noch nicht. Das heißt, der Berg geht im Monat einen halben bis Zentimeter auseinander“, sagt Micha Dietze vom Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam.
„Wir verknüpfen die Ereignisse mit den auslösenden Mechanismen. Also, es wird häufiger Starkniederschlagsereignisse geben und wenn wir wissen, dass Starkniederschlagsereignisse in 80 Prozent aller Fälle zu einem Steinschlag führen, dann wissen wir, dass die Steinschläge zunehmen werden“, erklärt er.
Auf dem Areal des Geoforschungszentrums hat Micha Dietze einen Versuch aufgebaut: Ein massiver, menschengroßer Felsblock liegt auf der Wiese und ist mit Drähten versehen.
„Man sieht schon, dass hier in der Mitte ein Riss durchgeht. Außen dran sitzen Abstandsmesser, die im tausendstel Millimeter-Bereich messen, wie weit sich das öffnet. Und was wir machen werden, ist einfach, den Stein auseinanderzuziehen. Also versuchen, ihn auseinanderzuziehen“, erzählt er.
Ein Warnsystem für Felsstürze
Er möchte ein Warnsystem für Felsstürze bauen. Denn aufgrund des Klimawandels werden abrutschende Felsen und Steinschlag in den Alpen für Bewohner wie Touristen zu einer zunehmenden Gefahr. Dietze will mit seinem Versuch herausfinden, wie man Felsstürze frühzeitig erkennen kann.
„Wir wollen herauskriegen, wie sich die Gesteinseigenschaften ändern, kurz bevor so ein Felsblock auseinanderreißt, bevor so ein Hangversagen eintritt. Dazu gibt es meist sogenannte akustische Emissionen“, erklärt er. „Also wenn man jetzt irgendetwas zerbricht, eine Packung Spaghetti zum Beispiel, dann fangen die nach und nach an zu knacken und irgendwann bricht der ganze Balg auseinander. Diese einzelnen kleinen Knacke, wenn so ein Stückchen Fels zerbricht, das messen wir mit unseren Seismometern.“
Als Geomorphologe versucht Dietze zu verstehen, was zu Felsstürzen führt: Gab es Sturm, Regen oder ein Erdbeben?
Steinschläge werden zur Gefahr in den Alpen
Dietze ist nicht nur an spektakulären Veränderungen wie Hangbewegungen und Steinschlägen interessiert, sondern untersucht im Allgemeinen die Prozesse, die unsere Erdoberfläche formen.
Warum ich das mache? Weil wir in einer dynamischen Umwelt wohnen. Das merken wir immer mal wieder dann, wenn es extremer wird. Wenn beispielsweise ein Gewitter kommt und wir merken: Die Bäume bewegen sich ja viel mehr als sonst. Oder wenn wir an der Kliffküste stehen und laufen auf einmal über ein abgebrochenes Stück drüber, dann sehen wir: Vor zwei drei Tagen war das noch da oben.
Also man sieht immer mal wieder episodisch, wie aktiv und dynamisch die Oberfläche der Welt ist.
Micha Dietze
In den Alpen, an den Flüssen in der Ebene bis hin zur Küste, Wasser ist es, das diese Landschaften formt und auch katastrophale Folgen haben kann. „Weil jeder Steinschlag ist per se eine Gefahr für den Menschen, jedes Hochwasser ist eine Gefahr für den Menschen, jeder Küstenabbruch ist eine Gefahr für den Menschen“, sagt er.
Auf dem Areal des Geoforschungszentrums arbeitet Micha Dietze an einem Felssturz-Warnsystem.© Deutschlandradio / Philipp Landauer
Mit seinen Messgeräten will Dietze Bewegungen im Gestein rechtzeitig erkennen, um so Menschen warnen zu können.
In den Alpen schmelzen die Gletscher und die felsigen Berge bröckeln wegen der erhöhten Temperaturen. Im Flachland sinken die Pegel von Flüssen und Seen, die Sommer werden trockener. Das macht den Landwirten zu schaffen.
Ärger mit Blütenfrost
Die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik in Großbeeren, 40 Kilometer südlich von Berlin. Obstbauern aus verschiedenen Bundesländern sind hier hingekommen. Sie suchen Rat, wie sie mit den klimabedingten Veränderungen umgehen sollen. Mit den steigenden Temperaturen und dem Wassermangel.
„Bei 40 Jahren Obstbau hat man viele Wetterextreme rauf und runter gesehen. Aber was man definitiv merkt, ist, dass die Blüte jedes Jahr früher wird. Der Trend ist eindeutig und es ist so, dass wenn die Bäume früher blühen, wir Ärger mit Blütenfrost haben“, erzählt Thomas Bröcker.
Er betreibt in Frankfurt an der Oder einen privaten Obstbaubetrieb mit 40 Hektar. Zu DDR-Zeiten war das ein Staatsbetrieb, nach der Wende wurde er privatisiert. Bröcker übernahm die Flächen mit anderen Landwirten, die jetzt in einer Genossenschaft zusammenarbeiten.
„Holländischer Winter“ nennt Bröcker den Trend, der sich für die Winter in Deutschland abzeichnet: Es ist nicht richtig kalt, die Temperaruten können schon mal im Januar oder Februar so hoch sein, dass seine Apfel- und Birnbäume Knospen und Blüten entwickeln. Sinken die Temperaturen dann wieder unter null, ist die Ernte des gesamten Jahres in Gefahr.
Die Ernten sind in Gefahr
Späte Frosteinbrüche, auch Eisheilige genannt, sind nichts Ungewöhnliches. Sie kommen zuverlässig Mitte Mai. Mittlerweile sind die Blüten dann schon weit entwickelt, manchmal tragen die Bäume sogar schon Früchte. Ein großes Problem für Obstbauern wie Thomas Bröcker.
Wir hatten in den 30 Jahren zuvor, also von 1980 bis 2010 insgesamt vier bis fünf Frostereignisse, wo wir wirklich schwere Schäden hatten. Wir hatten in den letzten zehn Jahren fünfmal schwere Schäden, davon dreimal ein Totalausfall im Betrieb.
Das deutet darauf hin, dass der Klimawandel dazu führt, dass die Pflanzen denken, wir können jetzt eher losmachen und das Wetter sagt dann irgendwann: Bis hier aber weiter nicht. Gerade vorheriges Jahr sind wieder 90 Prozent der Blüten beim Apfel erfroren.
Thomas Bröcker
Erleidet die Blüte oder Frucht einmal einen Frostschaden, stirbt sie ab und die Ernte für ein Jahr ist verloren. Kein Ertrag, kein Einkommen.
Über Jahrhunderte haben sich Obstbauern mit Wärmefeuern in den Obstgärten beholfen: Zwischen den Reihen der Bäume wurden kleine Feuer gemacht, die vor den Kälteeinbrüchen schützen sollten.
Künstliche Beregnung zum Schutz
Heute nutzen die Obstbauern eine intelligentere Methode: Frostschutzberegnung. Über die gesamte Plantage sind kleine Sprinkler verteilt, mit denen die Bäume beregnet werden. Wenn die Temperaturen sinken, gefrieren die feinen Wassertropfen. Das stetige Gefrieren von Wasser setzt Wärme frei und schützt die Blüten. Dafür braucht Bröcker aber Wasser, große Mengen an Wasser.
„Das ist das Problem, das muss man organisieren! Die oben in Hamburg, die können den Rüssel in den Graben hängen, weil da ist sehr viel Wasser. Also erst mal muss man eine Entnahmegenehmigung haben für solche Mengen. Das ist schon mal schwierig heutzutage.“
Wasser ist in Deutschland Allgemeingut. Wir machen uns wenig Gedanken um seine Verfügbarkeit. Seit diesem Sommer aber schon. Die Böden verdorrten, die Flusspegel sanken, weil es so wenig Regen gab. Ein einmaliger Ausreißer? Oder eine Folge des Klimawandels?
„Also wirklichen Wassermangel haben andere Länder. Die staunen immer, was bei uns noch geht: Wenn man einen Fluss in der Nähe hat, kann man im Frühjahr große Becken anlegen, wo man es rein pumpen kann, damit man es im Sommer hat“, erklärt Thomas Bröcker. „Das kostet aber Geld und im Moment wird diese Leistung von niemanden direkt bezahlt. Das ist unser großes Problem, dass Leistungen, die von keinem direkt bezahlt sind, in der Regel nicht zustande kommen. Das heißt also, ich als Bauer kann es nicht bezahlen, Wasser von der Oder hochzupumpen.“
Statistisch gesehen gibt es keinen Grund zur Sorge: Über das Jahr gesehen fällt laut Umweltbundesamt sogar mehr Niederschlag als vor 30 Jahren. Es fällt nur mehr im Winter als im Sommer.
Trockene Sommer lassen Verdienst schrumpfen
„Deswegen brauchen wir im Sommer, wo bei uns die Vegetation ist, Speichermöglichkeiten. Wir müssen wieder mehr Wasser in die Landschaft bringen, weil auch vieles dichtgemacht worden ist, aber das Wasser ist im Winter da. Es muss dann reingebracht werden, wenn es da ist“, sagt der Obstbauer. „Nicht anfangen, aus dem Grundwasser zu pumpen, wenn der Baum brennt, sag ich mal.“
Das veränderte Klima, die trockenen und wasserarmen Sommer – das alles hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die Früchte, die Obstbauer Bröcker erntet, sind über die Jahre kleiner geworden, das schmälert den Ertrag. Bröckers Verdienst schrumpft.
Obstbauern aus verschiedenen Bundesländern suchen in Großbeeren südlich von Berlin Rat, wie sie mit den klimabedingten Veränderungen umgehen sollen.© Deutschlandradio / Philipp Landauer
„Es ist frustrierend! Weil letztendlich ist es so, dass derjenige, der die höchste Produktivität oder die geringsten Stückkosten hat, bestimmt, wie der Preis am Markt ist. Da ist es dann am Schluss frustrierend, wenn man mit dem normalen Ertrag, mit dem du vor 20 Jahren noch klargekommen bist, jetzt nicht mehr klarkommst“, sagt er. „Wer dieses Spiel der ständigen Effektivitätssteigerung nicht mitmachen kann, also mehr zu produzieren, billiger zu produzieren oder aber ein besonderes Produkt zu haben, der fliegt raus.“
Den Pink Lady Äpfeln aus Australien, Neuseeland oder Südamerika ist ein Platz im Supermarkt garantiert. Den heimischen Sorten nicht unbedingt.
„Meine Tochter und Schwiegersohn sind 2009 miteingestiegen und haben von einem Kollegen den Betrieb übernommen, der aufgegeben hat. Jedenfalls sind sie da mutig rangegangen, sind dann im ersten Jahr in ein absolutes Niedrigpreisjahr gekommen, im zweiten Jahr 2010 ist etwa die Hälfte erfroren. 2012 sind sie komplett verhagelt – gut, da waren sie versichert und 2013 war aufgrund des Hagels ein niedriger Ertrag und 2014 haben sie den Stecker gezogen. Haben gesagt: Wir suchen uns einen Job in der Wirtschaft!“, erzählt er.
Damit ist für mich die Perspektive für meinen Betrieb als Familienbetrieb auch erledigt. Für mich ist eher die Option, dieses Gesamtsystem, das wir aus diesem DDR-Betrieb entwickelt haben, tragfähig zu machen. Das ist das, was ich noch leisten kann. Meinen Betrieb selbst, da fiel der Beschluss 2014, wir bauen zurück!
Thomas Bröcker
In den kommenden zwei Jahren wird Bröcker seinen Betrieb ganz aufgeben.
Dieser Sommer hat ihn in seiner Entscheidung mit Blick auf die Oder wieder bestätigt: Auch sie führte kaum noch Wasser mit sich, das Niedrigwasser mitsamt seinen Schadstoffen konnte sich stärker erhitzen als zuvor und war mitverantwortlich für das verheerende Fischsterben. Dieses Wasser erreicht die Ostsee.
Die Küste – ein sensibler Landschaftraum
„Küsten sind mit die sensibelsten Landschaftsräume, die wir haben. 80 Prozent der Weltbevölkerung lebt in direkter Küstennähe. Küsten sind in zweifacher Hinsicht problematisch: Zum einen wird ihre Stabilität vom Land her bestimmt. Wir reden davon, was die Flüsse aus dem Hinterland heranbringen. Zum anderen wird die Küste auch von Meeresseite beeinflusst. Da reden wir über große Wellen, wir reden über den ansteigenden Meeresspiegel. Von daher ist der Küstenabschnitt eben ein sehr sensibler Landschaftsteil“, sagt Micha Dietze.
Auf Rügen und Hiddensee beobachtet der Geomorphologe, wie sich die Klimaveränderungen auf die Steilküste auswirken.
„Auf Rügen hatten wir durch Glück ein trockenes Jahr erwischt und dort haben wir gerade mal elf Kliffrutschungen auf acht Kilometer Küstenlänge. Das Jahr danach war ein überdurchschnittlich feuchtes Jahr, da waren es nicht elf sondern 84 Kliffrutschungen. Tausende, zum Teil 10.000 Leute sind es, die da jeden Tag ein, zwei, drei Meter oben am Kliff entlanglaufen.“, erklärt er.
„Die sind hochgradig gefährdet, wenn so ein Abbruch kommt. Unvernünftigerweise laufen die Leute auch unten am Strand entlang, wo natürlich akute Lebensgefahr besteht, auch an einem schönen Tag. Wie gesagt, 80 Prozent der Ereignisse finden nach Regen statt. Die anderen 20 nicht.“
Auch hier, weit weg von den Alpen, sorgt Starkregen dafür, dass die Felsen an der Steilküste bröckeln. Von der Forschungsplattform in der Ostsee vor Nienhagen sieht man das ziemlich gut. Das kleine Häuschen steht auf drei acht Meter hohen gelben Säulen 1,5 Kilometer von der Küste entfernt. Das Landesforschungsamt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern forscht, wie man den Fischbestand in der Ostsee stabilisieren kann.
Denn das Binnenmeer gerät immer wieder aus der Balance: Die Flüsse, die in Ostsee münden, leiten in den Dürreperioden nur noch wenig Süßwasser in das Gewässer, was den Salzgehalt in der Ostsee zeitweise ansteigen lässt. Die Ostsee ist im Schnitt nur 52 Meter tief und kann sich bei lang anhaltenden Hitzeperioden schnell erwärmen. Und schließlich kommt noch die Verschmutzung dazu.
Fischbestand in der Ostsee geht zurück
Alles Stressfaktoren für die Fische, sagt der Meeresbiologe Florian Peine. „Letztendlich unterliegen die ja auch einer sogenannten Osmoregulation. Das löst bei ihnen ja Stress aus. Wenn das dann sehr salzig wird oder schlagartig sehr süß, dann haben die schon zu tun physiologisch.“
Gemeinsam mit zwei Tauchern will der er an der Wasseroberfläche ein Netz an den Pfeilern der Plattform anbringen, um darin gezielt Fische zu züchten.
Sensoren sollen dabei die Lebensraumbedingungen für die Fische überwachen: „Das sind zwei Sensoren. Einer für Salzgehalt, einer für Sauerstoff. Das soll dann noch mit einer Kamera kombiniert werden, dann kann man die Fische auch sehen.“
Trotz Fangquoten und Schutzmaßnahmen, der Fischbestand in der Ostsee geht seit Jahren zurück. Das hat die Existenz vieler Küstenfischer zerstört. Anfang der 1990er-Jahre gab es in Mecklenburg-Vorpommern noch 1200 Betriebe, heute nur noch 200. Sogar Freizeitangler bekamen dieses Frühjahr Beschränkungen beim Fischen auferlegt. Der Hering auf den Tellern in den Restaurants entlang der ganzen deutschen Ostseeküste, meist kommt er von ganz woanders her.
Das Landesforschungsamt will deshalb herausfinden, ob Aquakulturen, die besonders in den skandinavischen Ländern verbreitet sind, auch eine Alternative für die Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern sein können.
Versuche mit Aquakulturen
„Hier vor der Küste wurde es schon zu DDR-Zeiten ausprobiert, dann aber nicht weitergeführt. Wieso, weiß ich nicht. Vielleicht war es nicht rentabel, im Vergleich zur eigentlichen Fischerei. Es gab einen Betrieb, der hier über die letzten 20 Jahre einen Netzkäfig hatte. Das ist das Gerät, das da hinten steht“, erzählt Florian Peine. „Die haben das so im Nebenerwerb gemacht. Dadurch wussten wir auch, dass es im Grunde genommen funktioniert. Wir versuchen es jetzt, auszureifen, dass es wirklich wirtschaftlich ist, allein davon auch leben zu können.“
Vor allem Dorsch, der sich gerne in Küstennähe aufhält und daher ideal für die Küstenfischer ist, soll hier gezüchtet werden.
Taucher Justus springt zu seinem Kollegen ins Wasser und taucht ab. Bereits in den letzten Tagen haben sie begonnen, das Netz zu fixieren. Nun soll der Rest folgen. Eine voll automatisierte Aquakultur, bei der die Fische per Knopfdruck am Handy von zu Hause gefüttert werden können, soll hier entstehen, um den Folgen des Klimawandels zu trotzen. Doch die Voraussetzungen sind nicht die besten.
„In diese Richtung geht es, dass es stark automatisiert ist. Das ist hier draußen bei uns vor der Küste schwierig. Wir haben hier 13 Meter Wassertiefe. Wenn jetzt hier ein steifer Wind weht, dann baut sich eine sehr steile kurze Welle auf. Also bei den heftigen Winterstürmen im Januar, Februar, März mittlere Wellenhöhe von 2 Meter 50 gemessen, bei einer Periode von fünf Sekunden. Das heißt, es geht alle fünf Sekunden 2 Meter 50 hoch und 2 Meter 50 wieder runter“, erklärt er.
„Das macht im Grunde genommen alles kaputt. Schön wäre es, wenn man über das ganze Jahr kultivieren könnte. Aber das müssen wir noch hinbekommen und von daher ist eine Automatisierung so schwierig. Weil die Technik hier draußen so zu verankern und zu verbauen, dass sie keinen Schaden nimmt, ist eine große Aufgabe.“
Die beiden Taucher sind mittlerweile wieder aus dem Wasser. Sie verstauen Sauerstoffflaschen, Neoprenanzüge und Schnorchel in ihrem Boot. Weiter geht es zur nächsten Station.
Miesmuscheln als Alternative
In Sichtweite der Forschungsplattform startet der Meeresbiologe Peine einen weiteren Versuch, den Küstenfischern eine Alternative zu bieten: die Miesmuschelzucht.
Wie Perlen hängen Bojen an einer langen Leine und treiben auf dem Wasser. An der Leine zwischen den Bojen hängen weitere Leinen, auch Kollektoren genannt. Sie hängen bis zu sieben Meter in die Tiefe.
Vor allem die Fähigkeit der Miesmuschel, Wasser zu reinigen, ist für die Forscher interessant. Eine ausgewachsene Muschel filtert einen Liter Wasser pro Stunde. „Also haben wir uns überlegt, wie bekommen wir den Stickstoff und den Phosphor wieder raus und da kam eben die Miesmuschel ins Spiel. Es ist ein natürlicher Organismus, der hier vorkommt. Man muss ihn nicht einsetzen."
Dabei reagiert sie auch nicht so empfindlich auf Schwankungen von Temperatur und Salzgehalt des Wassers.
Das schwarze Gold der Ostsee! Man muss Miesmuscheln nur ein Substrat geben, auf dem sie sich ansiedeln und dann wachsen sie von allein, weil sie die ganze Zeit filtrieren und ihre Nahrung aus dem Wasser holen. Die kleinen, die man jetzt hier dran sieht, die sind etwa von August und die wachsen jetzt bis November auf zwei Zentimeter Größe und nächstes Jahr im Herbst sind sie dann bei vier Zentimeter Größe. Dann sind sie erntereif.
Florian Peine, Meeresbiologe
So die Hoffnung des Meeresbiologen, eine Alternative für die Küstenfischerei zu schaffen. „Ich habe mich jetzt nicht mit allen Fischern an der Küste unterhalten. Das müsste ich vielleicht noch tun. Ich weiß es von zwei, drei Betrieben, dass sie weiter machen wollen und Interesse an dem Verfahren haben. Aber dafür müssen wir noch ganz viel arbeiten.“
Giftige Blaualgen in der Ostsee
Um die Miesmuschel in Mecklenburg-Vorpommern für Fischereibetriebe wirtschaftlich zu machen, gibt es noch Hürden zu nehmen. Um sie als Speisemuschel oder als Futtermittel einzusetzen, ist ein veterinärmedizinisches Monitoring Voraussetzung. Wenn die Werte gut sind, so hofft Peine, kann er bald ein Muschelerzeugungsgebiet initiieren.
„Meiner Ansicht nach ist die Muschel das am stärksten kontrollierte Lebensmittel auf dem EU-Binnenmarkt. Also wenn ich mir das immer im Vergleich zu anderen Lebensmitteln ansehe, was ich in den zwei Jahren alles machen muss, damit ich damit überhaupt auf den Markt darf – das ist schon sehr aufwendig“, sagt er.
„Aber dadurch, dass es ein filtrierender Organismus ist, ist das auch wichtig! Also alles, was im Wasser ist, pumpt sie durch sich durch. Im Sommer können zum Beispiel auch Algentoxine eine Rolle spielen. Es gibt diese Regel, in den Monaten ohne ‚R‘ soll man keine Muscheln essen. Das sind die Sommermonate.“
Dann lassen die erhöhten Temperaturen und der geringere Sauerstoffgehalt im Wasser die Algen besonders rasant wachsen. Giftige Blaualgen trieben auch in diesem Sommer an der Küste der Ostsee vorbei. Während die Voraussetzungen für eine Miesmuschelzucht zunehmend schwerer werden, hofft Peine, hier trotzdem irgendwann die Genehmigung für ein Muschelerzeugungsgebiet zu bekommen, und damit den Fischern an der Ostsee neue wirtschaftliche Perspektiven aufzuzeigen.
Suche nach wirtschaftlichen Perspektiven
Danach suchen auch Obstbauern in Brandenburg wie Thomas Bröcker und Hüttenwirte in den Alpen wie Bruno Verst. Der Klimawandel zwingt sie dazu. Wassermangel, steigende Temperaturen und Extremwetter machen ihnen zu schaffen. Die Beispiele zeigen, wie stark der Klimawandel bereits in unseren Alltag eingreift und die Grundlagen verändert, auf denen unser Wohlstand aufgebaut ist.
„Wir fangen so langsam an zu begreifen, im besten Fall, was Klimawandel jetzt eigentlich bedeutet. Egal, ob das jetzt ein Grad oder eineinhalb Grad im Schnitt wärmer wird, das klingt völlig belanglos“, sagt Micha Dietze.
„Wenn man aber sieht, was passieren kann und was damit im Zusammenhang steht: Die brennenden Wälder hier rund um Brandenburg, letztes Jahr dieses extreme Hochwasser im Ahrtal, dann sieht man, dass es immer diese Spitzen sind, die dann zu gewaltigen Schäden führen und zu gewaltigen Verlusten an Menschenleben“, so der Geomorphologe.