Wassernot in der Elbe

Binnenschiffe auf dem Trockenen

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Wenn nichts mehr geht: Flusskreuzfahrtschiff auf dem Trockenen © Deutschlandradio/ Ernst-Ludwig von Aster
Von Ernst-Ludwig von Aster |
Binnenschiffe bleiben im Hafen, Flusskreuzfahrer müssen auf Busse umsteigen – seit Wochen sinkt der Wasserspiegel der Elbe. Mittlerweile hat er den historischen Tiefststand unterschritten. Und Besserung ist vorerst nicht in Sicht.
Langsam tuckert ein kleines Boot an der 100-Meter langen "River Allegro" vorbei. Auf dem Sonnendeck des Flusskreuzfahrtschiffes lehnt sich Vaiam im Liegestuhl zurück, schiebt die Sonnenbrille ins dunkle, kurze Haar. "Das Wetter ist ja fast wie bei mir zuhause auf Bali", witzelt der junge Indonesier. Und blickt über das leere Deck auf den trostlosen alten Elbe-Hafen von Wittenberg.

"Ich bin hier an Bord der Barkeeper", sagt Vaiam müde lächelnd Doch an der Bar gibt es nichts zu tun. Kein Gast ist an Bord. Nichts bewegt sich. Seit Wochen ist der Wasserstand der Elbe zu niedrig, um weiterzufahren. Das Schiff sitzt fest. Und mit ihm Vaiam und seine 27 Crew-Kollegen.

"Wir putzen immer wieder das Schiff", sagt er. "Und endlich können wir mal alle zusammen Mittag- und Abendessen. Das ist gut für die Gemeinschaft." Aber ohne Gäste gibt es auch kein Trinkgeld. Und das macht einen Großteil seines Lohns aus.

Unter Deck eilt Kapitän Jürgen Luderer von der Lounge ins Restaurant, grüßt kurz eine Mitarbeiterin an der Rezeption. Seit mehr als 30 Jahren steuert der hagere Sachse Schiffe über die Flüsse Europas: "Das ist das Restaurant hier, das ist natürlich schön für die Passagiere, haben 'nen schönen Rundblick, wenn wir fahren."

Wenn. Doch gefahren ist Luderer schon seit fünf Wochen nicht mehr. Die 46 Doppelkabinen sind leer, die Jalousien rund ums Restaurant heruntergelassen. Auf dem Captains-Table wartet glänzend die große Messingglocke. Zwischen Stapeln frisch gefalteter Servietten:

"Die Fahrrinnentiefe Richtung Magdeburg beträgt heute 71 Zentimeter, das bedeutet für niemand geht noch irgendwas. Draußen liegen zwei Viking Schiffe. In Dresden liegen zwei Viking-Schiffe fest, es geht gar nix mehr."
Statt Kreuzfahrt auf der Elbe jetzt Busfahrt auf der Autobahn
Stillstand statt Kreuzfahrt. Auf der Elbe. Sonst schippert Luderer mit seiner Crew US-amerikanische Touristen. Eine Woche Dresden, Meissen, Bad-Schandau. Jetzt müssen die Fluss-Freunde auf den Bus umsteigen.
"Natürlich nicht so schön, die haben ne Schiffsreise gebucht, keine Busreise. Was wollen wir machen, wir sind auch keine Götter."
Der Kapitän zündet sich eine Zigarette an. Und blickt mal wieder aufs Echolot, dass ständig die Wassertiefe misst.
"Hier vorne ist 1,40 unterm Kiel. Vorne ist Wasser, hinten ist Wasser, aber in der Mitte hängen wir fest. Ja."
Jürgen Luderer blickt über das brackigbraune Wasser:
"Letztens haben wir gebadet im Hafen, da stand ich fünf Meter neben dem Schiff bis zum Bauch im Wasser. Das Foto habe ich natürlich gleich zu meinem Büro geschickt, damit sie mir auch glauben, es geht nix mehr... Mein Prognose ist bis Mitte September, ich rechne mal bis Mitte September stecken wir fest hier."
400 Meter weiter, am Anleger des Wasserschiffahrtsamtes, flexen Arbeiter an Schiffsaubauten, rote und grüne Fahrwassertonnen warten auf ihren Einsatz. Astrid Trejdal beugt sich an ihrem Schreibtisch über die aktuellen Wasserstände. Flusskilometer 210 bis 290 - das ist ihr Schifffahrts-Revier. Eine Wasserstraße auf der zur Zeit fast nichts mehr geht.
"91 Zentimeter war der niedrigste Niedrigwasserstand 2003, den haben wir jetzt unterschritten und sind in zwei Tagen sind wir bei 85 Zentimeter. Also sieben Zentimeter schon unter niedrigsten Niedrigwasserstand, der jemals aufgezeichnet worden ist, seit 1817."
Mehr als 1000 Fahrgäste in dieser Saison verloren
Darum müssen viele ihrer Arbeits-Schiffe im Hafen bleiben. Und auch für die Peilschiffe mit nur 65 Zentimeter Tiefgang, die in der Elbe die Wasserstände messen, wird es an einigen Stellen bereits eng.
"Die Freizeitschifffahrt kann fahren, aber alles was Güterschifffahrt und Fahrgastschifffahrt ist, ist eigentlich fast zum Erliegen gekommen."
Im alten Hafen rollt ein bronzener Reisebus auf den Parkplatz. Die Crew der MS-Wittenberg reckt die Hälse. Vorsichtig steigen zwei Dutzend Rentner aus, gehen langsam zur Gangway. Kapitän Jan Harnisch wartet auf der Brücke seines 25 Meter-Ausflugsschiffes. Es ist das einzige, was hier noch auf der Elbe fahren kann. Eine Kurztour - aber immerhin:
"Wir haben jetzt noch so ziemlich genau acht Kilometer, die wir fahren können, Wir haben gesagt bis 80 Zentimeter Pegel Wittenberg können wir es wagen, danach ist auch bei uns Schluss."
Mehr als 1000 Fahrgäste hat Jan Harnisch durch das Niedrigwasser verloren. Das ist eine Menge für einen kleinen Familienbetrieb. Eine Versicherung gibt es nicht. Unterstützung vom Staat auch nicht.
"Natürlich müssen wir uns mit der Bank zusammensetzen, wie wir dieses Loch mal wieder abpuffern können, das ist nichts anderes als das Hochwasser 2013, wir werden ordentlichen Verlust einfahren. Und das tut natürlich weh, klar."
Die Passagiere kommen an Bord. Ihr Kreuzfahrtschiff sitzt fest. Jetzt wollen sie wenigsten noch ein Stückchen über die Elbe tuckern: "Hier gibt es ja noch Wasser." Jan Harnisch nickt. Aber mitlachen kann er nicht.
"Es ist wirklich so, dass man über vieles nicht mehr lachen kann. Also wie zum Beispiel: Sollen wir mal nen Eimer Wasser mit bringen ? Sollen wir Räder unten ranbauen? Sollen wir schieben ? Oder sollen wir vorne reinpullern ? Das kann man nicht mehr hören, die Zeiten sind echt vorbei."
Mehr zum Thema