WM 1974

Als ein Fußballspiel zur Wasserschlacht wurde

04:58 Minuten
Drei Männer mit einer "Wasserkehrmaschine" beim Spiel Deutschland gegen Polen bei der WM 1974 im Frankfurter Waldstadion
Ein Bild, das sich von der Frankfurter Wasserschlacht eingeprägt hat: drei Männer mit einer "Wasserkehrmaschine". © dpa / picture alliance / Baumann
Von Florian Felix Weyh · 23.06.2024
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Forsche Dribblings, überlegte Spielzüge, kühne Pässe: Bei einem Fußballspiel mit starkem Regen ist dies kaum möglich. Bei der WM 1974 ging das deutsche Spiel gegen Polen als „Wasserschlacht von Frankfurt“ in die Fußballgeschichte ein.
Nähern wir uns dem Thema auf leisen Sohlen.

Fußballreporter Kurt Brumme: "Wasserball! Sie merken, wie der Ball liegenbleibt, wie er nicht weiterspringt. Man muss also sehr vorsichtig sein. Er bleibt regelrecht in den Wasserpfützen liegen."

Was Thomas Müller noch nicht wusste

Was zumindest am 3. Juli 1974 nur für nasse und nicht zugleich für erfrorene Füße sorgte, bei der berühmten „Wasserschlacht von Frankfurt“, die als Legende in die Fußballannalen eingeschrieben ist. Wobei, dem Müller Thomas aus München scheint das unbekannt zu sein:

"Ich weiß ungefähr, was 1974 fußballerisch passiert ist, aber von einer Wasserschlacht in Frankfurt habe ich wirklich noch nichts gehört!"
Eingeprägt von diesem entscheidenden WM-Spiel 1974 hat sich vor allem ein ikonisches Bild: drei Männer, die im Frankfurter Waldstadion eine „Wasserkehrmaschine“ vor sich herschoben, was nichts weiter war als eine überbreite Walze mit einem ziemlich kleinen Auffangbehälter.
Ein eher rührendes Unterfangen angesichts von 14 Litern Wasser auf den Quadratmeter, die anderthalb Stunden vorm Anpfiff aus den Wolken gepläddert kamen.

„Sofern vorhanden, sollten handgeführte Wasserabroller oder Saugwalzen mit Sammeltank verwendet werden, um das Wasser vom Spielfeld zu schieben ...“

 … steht auch heute noch in den gültigen „UEFA-Richtlinien zur Spielfeldqualität“, als habe man noch nicht so recht begriffen, dass 14 Liter auf den Quadratmeter im Angesicht des Klimawandels keine Seltenheit bleiben werden. Aber gemach, man ist gewappnet:

„Steht infolge von Starkregen während eines Spiels Wasser auf dem Platz, sollte der Chef-Platzwart ein Team von etwa acht Personen zusammenstellen, die mit Gartengabeln die nassen Bereiche einstechen, um das Wasser in die unter den 15 Zentimetern Rasentragschicht liegende Kiesschicht abzuleiten (unter der Voraussetzung, dass eine solche vorhanden ist).“

Der Sieger kam ins Finale

Das hätte beim Spiel Deutschland-Polen 1974 – der Sieger zog ins Finale ein und wurde Weltmeister – freilich auch nicht geholfen, denn die Rasendrainage war schon mit den 14 Litern überfordert. Es rückte dann die Frankfurter Feuerwehr mit Schläuchen und Pumpen an, um Fußball ohne Schwimmwesten zu ermöglichen. Aber … auch nicht mehr!

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Das Wasser blieb trotzdem da und vereitelte all das, was man mit einem WM-Spiel – noch dazu einem entscheidenden – eigentlich assoziiert: forsche Dribblings, überlegte Spielzüge, kühne Pässe.
Sportphilosoph Gunter Gebauer erinnert sich:

Ein Fußballspiel, das mit überschwemmten Rasen gespielt werden muss, bedeutet natürlich, dass man die Bälle nicht mehr kontrollieren kann! Dass man den Halt verliert oder dass man nicht mehr kalkulieren kann, ob man noch an den Ball kommt, weil man ausrutscht und Ähnliches. Das kriegt ja skurrile Züge! Und diese Wasserschlacht von Frankfurt war wirklich ein sehr, sehr skurriles Spiel, das wir ja vielleicht nur deshalb gut in Erinnerung haben, weil die deutsche Mannschaft 1:0 gegen Polen gewonnen hat.

Sportphilosoph Gunter Gebauer

Der Philosoph und Sporsoziologe Gunter Gebauer
Für den Sportphilosophen Gunter Gebauer war es ein "sehr, sehr skurriles Spiel".© dpa / picture alliance / Rolf Vennenbernd
Was durchaus einem Wunder glich, da Uli Hoeneß seiner Spezialbegabung frönte, in Turnieren Elfmeter zu versemmeln. Allerdings machte das Wetter ähnlich wie 1954 im Endspiel gegen Ungarn auch 1974 dem Gegner das Leben entschieden schwerer als einem selbst.

Gerd Müller entschied das Spiel

Die auf kurze Pässe abgestellte polnische Spieltaktik soff buchstäblich ab. Wer sich hingegen wie die deutsche Mannschaft 1974 durchs Turnier geholzt hatte, durchpflügte auch den Sumpfboden im Frankfurter Waldstadion ungerührt, bis sich ein Abstaubertor von Gerd Müller in Minute 74 ergab.
Seither lautet das stabile deutsche Ergebnisorientierungsmantra: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechten Fußball - und der ist guter Fußball bei schlechtem Wetter! 

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