Grüner Wasserstoff aus Australien

Energiewende eines Klimasünders

23:22 Minuten
Ein prachtvoller Sonnenuntergang hinter den Bergen. Im Vordergrund im Dunkeln ein Hafen.
Die Hafenstadt Gladstone an der Ostküste Australiens ist weltweit viertgrößter Umschlagplatz für Kohle. In Zukunft soll von hier aus grüner Wasserstoff exportiert werden. © ARD-Studio Singapur
Von Sandra Ratzow |
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Auf dem fünften Kontinent entsteht das weltweit größte Werk für grünen Wasserstoff. 15 Millionen Tonnen sollen hier schon in einigen Jahren produziert werden. Klimaretter ist ausgerechnet ein Bergbaumilliardär. Aber es gibt auch Zweifel.
Dieser Mann will Australiens grüne Revolution anführen. Bergbau-Milliardär Andrew Forrest. In der Konzernzentrale in Perth lenkt und überwacht er sein Imperium von Eisenerz-Minen, die 1600 Kilometer weit weg im Outback liegen.
Ein ältere Mann mit blondem Haar, blauem Jacket und weißem Hemd sitzt in einem Büro.
Vom Saulus zum Paulus? - Bergbaumilliardär Andrew Forrest will Australien von der CO2- Schleuder zur Supermacht der Erneuerbaren Energien umwandeln.© ARD-Studio Singapur
Doch nun setzt ausgerechnet er – der Schwerindustrielle - auf Wind- und Solarenergie und vor allem auf grünen Wasserstoff.
„Wir können Wasserstoff herstellen mit Wind und Sonne und ihr bei Euch auch mit den Gezeiten oder Geothermik. Wir müssen dafür nichts aus der Erde buddeln. Und ihr müsst dafür nicht den Kreml bezahlen. Ihr könnt das alles selbst.“

Investitionen von sechs Milliarden Euro

Seine Eisenerzminen sollen demnächst klimaneutral operieren. Deshalb investiert der Unternehmer umgerechnet sechs Milliarden Euro in die Entwicklung von wasserstoffbetriebenen LKW, Zügen und Schiffen.
“Ich habe kein schlechtes Gewissen. Haben Sie das etwa, weil sie auf diesem Stuhl auf Metall sitzen? Die Welt braucht Metall. Wir müssen nur einen Weg finden, alles, was wir machen, grün zu produzieren.“
Ein Mann sitzt in der Schaltzentrale an einem großen Tisch vor einer Wand von großen und kleinen Bildschirmen.
Sonnige Zukunft? - Vom Headquarter der Konzernzentrale in Perth aus wird das Imperium von Eisenerzminen, die 1600 Kilometer weit weg im Outback liegen, überwacht. © ARD-Studio Singapur
Felicity Underhill ist eine von Forrests wichtigsten Mitarbeiterinnen. Im Moment überwacht sie seine vielversprechende Baustelle in Gladstone, im nordöstlichen Bundesstaat Queensland. Statt Kohle soll Australien in einigen Jahren von hier aus Wasserstoff exportieren.
“Wir bauen hier eine Produktionsstätte für Elektrolyseure. Das Werk steht für umgerechnet zwei Gigawatt im Jahr und wird das größte Werk der Welt sein. Und mit diesen Elektrolyseuren lässt sich grüner Wasserstoff produzieren.“

"Endlich bin ich auf der Seite der Engel"

Das deutsche Unternehmen EON hat angekündigt, bis 2030 fünf Millionen Tonnen abzunehmen. Felicity Underhill hat selbst bis vor wenigen Jahren im Öl und Gassektor gearbeitet. "Endlich bin ich auf der Seite der Engel", sagt sie - ganz Marketing-Frau.
“Australien hat fantastische erneuerbare Energien. In einer Gegend wie hier in Queensland haben wir das Glück, dass Wind und Sonne sich ergänzen. Tagsüber ist es sonnig, nachts windig. Eine konstante Ladung erneuerbarer Energie. Mehr als wir hier in Australien nutzen können. Und der Trick ist jetzt, dieses Potenzial erneuerbarer Energien mit der Welt zu teilen.“
Eine junge Frau mit weißem Helm, Schutzbrille und gelber Warnjacke steht gestikulierend auf einer ebenerdigen Baustelle.
“Australien hat fantastische erneuerbare Energien", sagt Felicity Underhill, eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen von Milliardär Andrew Forrest. © ARD-Studio Singapur
Die Baustelle liegt ausgerechnet in Gladstone. Einer Stadt, die wie ein Symbol ist für Australiens bisheriges „fossiles“ Image: Kohle, Gas, Aluminium. Doch die Zeichen stehen auf Veränderung. Das große Kohlekraftwerk der Stadt soll 2035 vom Netz gehen. Auch andere wie Aluminiumriese Rio Tinto investieren plötzlich in erneuerbare Energien.

Sonne, Wind und Wasserstoff sind die Zukunft

Jaclyn McCosker, Lobbyistin der Umweltorganisation Australian Conservation Foundation , kann es noch nicht richtig glauben. Auch von ihrer Wohnung aus sieht sie die Schornsteine des riesigen Kohlekraftwerks. Dass es in einigen Jahren dort nicht mehr qualmen wird, lange undenkbar. Doch jetzt sehen sie selbst hier Sonne, Wind und Wasserstoff als die Zukunft.
“Das Ende für das Kohlekraftwerk wird so ein symbolischer Schritt sein. Das Kraftwerk ist der Grund, warum die Leute hier so eine tiefe emotionale Beziehung zu fossilen Energien haben. Es ist einfach von überall zu sehen", sagt sie.
"Ich bin auch in einem Viertel ganz in der Nähe aufgewachsen. Und Jahrzehnte später scheint es plötzlich ganz schnell möglich, ein neues Energiesystem aufzubauen, so dass wir das Kohlekraftwerk nicht mehr brauchen.“

Hoffnung auf Jobs durch Energiewende

Und auch an der Gladstone High School: Aufbruchstimmung.
Wie kann mithilfe von Sonnenkollektoren Wasserstoff produziert werden. Elektrolyse im Schulunterricht. Achtklässler wie Lewis Windsor können das inzwischen fast im Schlaf erklären.
„Ich würde gern Ingenieur werden und gern was mit Wasserstoff-Firmen zu tun haben, was uns total helfen würde.“
Fast jeder Schüler hier hat Eltern, die in der Kohle, Gas- oder Aluminiumindustrie arbeiten. Und nun schöpfen sie Hoffnung, dass Australiens Energiewende Fahrt aufnimmt und irgendwann auch Jobs für sie bereithält.
Ein junges Mädchen mit langen blonden Haaren sitzt in einem Sporttrikot in einem Klassenzimmer.
"Wir wissen jetzt, dass wir eine Chance haben, erneuerbare Energien zu produzieren“, sagt Abby Davies aus der 11. Klasse der Gladstone High School.© ARD-Studio Singapur
Die Schule bekommt in den nächsten Jahren ein nigelnagelneues, millionenteures Design- und Technologiezentrum, erzählt Abby Davies aus der 11. Klasse.
“Das Ganze hier macht es so viel realer. Wir verstehen dadurch, dass es eine echte Alternative ist. Wir sehen es mit eigenen Augen. In der Massenproduktion wird das natürlich noch tausendmal größer sein als das.  Wir wissen jetzt, dass wir eine Chance haben, erneuerbare Energien zu produzieren.“

Bewegung in Australiens Klimapolitik

Der Hafen von Gladstone ist weltweit viertgrößter Umschlagplatz für Kohle. In Zukunft soll von hier aus grüner Wasserstoff exportiert werden.
Glenn Butcher ist Sozialdemokrat und Queenslands Minister für regionale Entwicklung. Die Bundesstaaten hätten schon vor Jahren angefangen umzudenken, sagt er. Seit Mai ist nun auch ein Sozialdemokrat Premierminister. Seitdem bewege sich endlich was ins Australiens Klimapolitik.
“Ich glaube, die Leute freuen sich auf die Zukunft von Gladstone, eine traditionelle Industriestadt, die sich in ein Zentrum der erneuerbaren Energien entwickelt. Das hat für einen Aufwind gesorgt und Optimismus für die Zukunft.“
Aber in der Männer-Werkstatt von Gladstone sehen sie den neuen Hype um Solar, Wind und Wasserstoff noch etwas skeptisch. Die meisten hier sind wie Allan Pease Rentner. Der 77-Jährige hat 22 Jahre lang als Elektriker im Kohlekraftwerk gearbeitet:
“Die Welt liebt doch unsere Kohle und wir haben so viel davon. Die Politiker werden das sicher entscheiden, die Kohle auslaufen zu lassen. Aber was passiert dann mit all den Arbeitern? Sollen die alle auf Solarenergie umgeschult werden? Da ist noch so viel unklar."
Ein älterer Mann mit Käppi und Brille steht in einer Werkstatt mit einer Holzlatte in der Hand.
“Die Welt liebt doch unsere Kohle", meint Rentner Allan Pease in der Männer-Werkstatt von Gladstone. Er ist kein Fan der Energiewende.© ARD-Studio Singapur
Sein Kumpel Mal Ford, 78, sorgt sich nicht so sehr um sich, aber um seine Kinder und Enkel. Wasserstoff herzustellen, koste sehr viel Energie. Die Infrastruktur sei ja noch nicht einmal da.
"Was wird wohl aus meiner Enkelin? Was ist, wenn plötzlich bei ihr in der Schule die Lichter ausgehen und die Computer nicht mehr funktionieren, weil sie keinen Strom haben. Weil wir die Kohlekraftwerke alle dicht gemacht haben, aber nicht genügend anderen Strom haben."

Zweifel am Wasserstoff-Hype

Nicht nur ehemalige Arbeiter des Kohlekraftwerks und Rentner haben Zweifel an der Zukunft von Australien als Exportnation von grünem Wasserstoff. Auch der Wissenschaftler und Unternehmer Saul Griffith ist mehr als skeptisch. Für ihn ist das Ganze viel zu viel Hype. Erneuerbaren Wasserstoff hält er allenfalls für ein Nischenprodukt der Energiewende.

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“Ich behaupte, nicht, dass Wasserstoff keine Rolle spielt in der Zukunft, aber wenn die Internationale Energiebehörde in Modellrechnungen annimmt, dass 50 Prozent der Energie in der Welt im Jahr 2050 von Wasserstoff stammt, dann muss jemand sagen, dass dies nicht passieren wird. Bevor sie da zu viel Geld investieren. Es können ein paar Prozent sein, aber nicht 50.“
Aus Sicht von Saul Griffith macht es mehr Sinn, konsequent in Wind- und Solartechnik und die Elektromobilität zu investieren. Australien müsse keine Wind- und Solarenergie in Wasserstoffbatterien speichern, sondern könne diese direkt in die Stromnetze speisen. Das Land habe genug damit zu tun, erst einmal die Elektrifizierung aller Haushalte auf dem riesigen Kontinent hinzubekommen. Statt auf den Export von grünem Wasserstoff zu setzen, so der Wissenschaftler.

"Die Wasserstoffversprechen von Wirtschaftsminister Habeck sind dreist“, sagt  Lasse Thiele vom Verein Konzeptwerk Neue Ökonomie in Leipzig. Der Politikwissenschaftler forscht im Bereich „Wasserstoff und Klimagerechtigkeit“. Er befürchtet einen neuen Wasserstoff-Kolonialismus vor allem auch in den Ländern des globalen Südens. Hören Sie das Gespräch mit Lasse Thiele in diesem Weltzeit-Podcast.

“Ich wäre da sehr vorsichtig. Elektrizität ist so billig. Mit Wind- und Solarenergie. Und das ist in Europa nicht anders als in Australien", meint er.
Und Saul Griffith weiter: "Man muss sich fragen, welche Industrie-Branchen da noch übrig bleiben für den Einsatz von Wasserstoff. Manche Leute sagen: die Stahlproduktion. Aber der Preis für den Energiegehalt von Wasserstoff ist zehnmal so hoch wie der von Gas oder Kohle bei der Stahlherstellung. Das ist der größte Kostenfaktor dabei. Also das ist einfach unwahrscheinlich."
Eine junge blonde Frau sitzt unter blauem Himmel auf einer Couch auf einer Dachterrasse.
Keine komplette Trendwende - die Umweltaktivistin Jaclyn McCosker aus Gladstone kritisiert, dass immer noch neue Gas- und Kohlekraftwerke genehmigt werden.© ARD-Studio Singapur
Auch die Umweltaktivistin Jaclyn McCosker aus Gladstone hat zumindest noch offene Fragen. Und auch wenn ihre Heimatstadt künftig ein Zentrum der grünen Energien sein sollte, sieht sie noch kein grundsätzliches Umdenken der politisch Verantwortlichen. Noch immer werden neue Gas- und Kohlekraftwerke genehmigt, auch unter der neuen, sozialdemokratischen Labour-Regierung. Eine komplette Trendwende sei das nicht, so McCosker.
“Ich glaube nicht, dass die australische Regierung wirklich bereit ist, sich komplett zu verpflichten und zuzugeben, dass die Tage der Kohle gezählt sind. Ich glaube, sie versuchen gerade von beiden Kuchen etwas abzubekommen.
Sie investieren in saubere Energien, reden über Diversifizierung, erleichtern neue Exportmöglichkeiten für neuere, grünere Energien, aber wir sehen noch nicht, dass sie die komplette Planung umstellen: Denn wenn man das Energienetz umstellt von Kohle auf Erneuerbare, dann muss man auch mal den Abbau von Kohle stoppen.“

Australien kann die Energiewende schaffen

Zurück in der Konzernzentrale von Andrew Forrest. 2030 will er 15 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Manche halten seine Ziele für nicht realistisch, aber davon lässt sich der Unternehmer nicht abbringen. Vor kurzem hat er seinen Doktor in Meeresbiologie gemacht, erzählt Forrest.
“Das muss funktionieren. Wir haben keine Wahl. Es gibt keinen anderen Energieträger, der so zu transportieren ist wie Wasserstoff. Ich mache mir Sorgen, dass die Welt zu langsam ist, die naheliegenden Lösungen aufzunehmen."
Aber von einer Sache ist er ganz überzeugt: Kaum ein Land habe so sonnige Aussichten, die Energiewende zu schaffen. Die Zeiten, in denen Australien ganz auf fossile Energien setzte, seien für immer vorbei.
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