Watson: Europa muss Führungsrolle beim Klimaschutz behalten
Graham Watson, britischer Vorsitzender der liberaldemokratischen Fraktion im Europaparlament, hat vor dem heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel die Entscheidungen für ein Klima- und Energiepaket als historische Aufgabe bezeichnet. Watson bedauerte zudem, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nicht mehr so funktionierten wie früher.
Christopher Ricke: Der EU-Gipfel, der in Brüssel beginnt, es geht um das Weltklima, die Weltwirtschaft, es geht aber auch um die Macht und um die Einflussverteilung in Europa. Die scheidende EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs hat, so sehen es viele, neue Verbündete gesucht, weg von der Achse Deutschland/Frankreich, vielleicht hin zu einer Achse Frankreich/Großbritannien, auch weil Deutschland wieder stärker nationale Interessen verfolgt.
Das Vorbereitungstreffen in London, zu dem die Bundeskanzlerin nicht eingeladen war, mag man als Bestätigung für diese These deuten. Ich spreche jetzt mit dem britischen Europaparlamentarier Graham Watson. Er ist der Vorsitzende der liberal-demokratischen Fraktion im EU-Parlament. Guten Morgen, Herr Watson.
Graham Watson: Guten Morgen.
Ricke: Deutschland hat sich bei den Auto-Emissionen ordentlich durchgesetzt. Jetzt will Deutschland Erleichterungen für die Industrie. Werden sich dem Großbritannien und Frankreich gemeinsam entgegenstellen?
Watson: Ich glaube, dass wir hier ein Gleichgewicht finden müssen. Wir müssen natürlich annehmen, dass unsere Industrie gewisse Nötigkeit hat. Wir müssen alles tun, um zu versuchen, dass unsere Industrie nicht daran leidet, was wir gegen Klimawandel machen sollen. Aber wenn wir längere Zeit für unsere Industrie geben, um den neuen Standard anzunehmen, dann müssen wir aber sehr ernst für CO2-Abscheidung und Speicherung arbeiten, weil sonst haben wir keine Möglichkeit, unsere Tage, unsere "goals" (Ziele, Anmerk. d. Redaktion) gegen Klimawandel zu erreichen.
Ricke: Europa ist ja überhaupt nicht einheitlich in der Frage und auch Deutschland spielt hier eine ganz besondere Rolle, für uns Deutsche vielleicht besonders interessant, weil wir es ja gewöhnt sind, dass die Deutschen sozusagen die europäischen Musterknaben sind. Haben wir diese Rolle aufgegeben?
Watson: Ich glaube nicht aufgegeben. Und ich bedauere es, dass die Achse Frankreich/Deutschland nicht mehr funktioniert wie früher. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn Herr Sarkozy sich entschieden hat, zusammen mit Angela Merkel und Gordon Brown zu treffen. Die Beziehungen zwischen Sarkozy und Angela Merkel sind vielleicht schlechter, als wir zwischen früheren Staats- und Regierungschefs gekannt haben. Und das ist immer eine schlechte Sache für Europa.
Ricke: Spannend an der Geschichte mit dem Klimaschutz ist ja, dass das Klimaschutzpaket, dass man ursprünglich mal gepackt hat, ja unter der deutschen Ratspräsidentschaft gepackt wurde, jetzt soll es zusammengeschnürt werden unter der französischen, und jetzt bremsen die Deutschen. Wir stehen wir denn da, sowohl als Deutsche als auch letztlich als Europäer?
Watson: Es gibt ein sehr, sehr schwieriges Gleichgewicht zu finden. Wir müssen auf der einen Seite sicher sein, dass wir eine Leitung, eine Führung für die Welt in diesen Sachen behalten. Nur wenn Europa sich entscheidet, eine aktive Politik gegen Klimawandel zu machen, würde es eine Hoffnung geben, dass die Amerikaner hinter uns kommen und dass die Japaner und andere auch mitmachen. Wir haben diesen historischen, meiner Meinung nach, diesen historischen Schutz.
Ricke: Aufgabe?
Watson: Aufgabe, genau. Aber wir müssen auch so tun, dass unsere Industrie nicht benachteiligt dadurch wird. Und das heißt, wir müssen zwischen 27 Ländern und zwischen verschiedenen Industriezweigen eine Balance finden, ein Gleichgewicht finden, um das weiterzubringen. Es wird nicht einfach. Aber ich glaube auch nicht, dass es unmöglich ist. Und Herr Sarkozy hat schon gesagt, wenn wir das diese Woche nicht schaffen, dann könnten wir am 27. Dezember einen außerordentlichen Europäischen Rat machen. Mit diesem Prospekt, mit dieser Aussicht wird es vielleicht unseren Staats- und Regierungschefs gelingen, diese Woche einen Akkord, ein Abkommen zu finden.
Ricke: Die Diskussion über den Klimaschutz wird durch die Weltfinanz- und die Wirtschaftskrise doch sehr belastet. Viele denken jetzt zunächst an die eigenen Arbeitsplätze, an die eigene Industrie, auch die Deutschen denken da innerhalb ihrer deutschen Grenzen und verlassen da vielleicht diesen grünen Pfad des Klimaschutzes, den sie mal selbst beschritten haben. Ist die deutsche Rolle, die deutsche Haltung für die anderen Europäer erträglich?
Watson: Es ist schwierig. Und ich glaube, dass auch Deutschland ein bisschen weitsehend in dieser Sache sein muss. Das heißt, man muss in die Ferne gucken, um zu sagen, wie wird unsere Gesellschaft und unsere Welt in 20, 30 Jahren aussehen, wenn wir nicht jetzt diese schwierige Entscheidung machen. Und es wird schwierig, und das wissen wir alle und man muss auch nach Arbeitsplätzen Sorge haben. Aber ich würde sagen, man muss Mut finden, um solche Sachen zu machen.
Ricke: Was Sie fordern, ist eine politische und eine wirtschaftliche Vision. Wo sind denn die Visionäre zurzeit in Europa? Wo sind denn Charles de Gaulles und Konrad Adenauer von heute?
Watson: Es ist immer einfach zu sagen, in der Vergangenheit war es besser. Ich glaube nicht, dass es immer so ist. Und wenn man Staatsmänner sucht wie Adenauer und andere, die sind vielleicht zu ihrer eigenen Zeit auch nicht als solches bekannt geworden. Es sind Politiker in Europa heutzutage, es sind einige Kommissare, es sind einige nationale Staats- und Regierungschefs. Ich denke zum Beispiel an Anders Fogh Rasmussen, Premierminister von Dänemark, der jetzt eine Gesellschaft hat, wo fast 25 Prozent aller Energieproduktion aus umweltfreundlichen Quellen kommt. Es gibt Leute, die da sehr fleißig arbeiten und wir müssen ihren Ideen folgen.
Ricke: Deutsche haben Sie nicht genannt?
Watson: Deutsche habe ich nicht genannt. Vielleicht kenne ich Deutschland nicht so gut, um zu wissen, wer diese Leute sind. Aber ich kenne auch einige Politiker, einige Industriechefs in der Bundesrepublik, wo man sagen kann, ja, diese Leute haben gute Ideen. Wir müssen die zusammenstellen, um einen neuen Konsens für Europa auszuarbeiten.
Das Vorbereitungstreffen in London, zu dem die Bundeskanzlerin nicht eingeladen war, mag man als Bestätigung für diese These deuten. Ich spreche jetzt mit dem britischen Europaparlamentarier Graham Watson. Er ist der Vorsitzende der liberal-demokratischen Fraktion im EU-Parlament. Guten Morgen, Herr Watson.
Graham Watson: Guten Morgen.
Ricke: Deutschland hat sich bei den Auto-Emissionen ordentlich durchgesetzt. Jetzt will Deutschland Erleichterungen für die Industrie. Werden sich dem Großbritannien und Frankreich gemeinsam entgegenstellen?
Watson: Ich glaube, dass wir hier ein Gleichgewicht finden müssen. Wir müssen natürlich annehmen, dass unsere Industrie gewisse Nötigkeit hat. Wir müssen alles tun, um zu versuchen, dass unsere Industrie nicht daran leidet, was wir gegen Klimawandel machen sollen. Aber wenn wir längere Zeit für unsere Industrie geben, um den neuen Standard anzunehmen, dann müssen wir aber sehr ernst für CO2-Abscheidung und Speicherung arbeiten, weil sonst haben wir keine Möglichkeit, unsere Tage, unsere "goals" (Ziele, Anmerk. d. Redaktion) gegen Klimawandel zu erreichen.
Ricke: Europa ist ja überhaupt nicht einheitlich in der Frage und auch Deutschland spielt hier eine ganz besondere Rolle, für uns Deutsche vielleicht besonders interessant, weil wir es ja gewöhnt sind, dass die Deutschen sozusagen die europäischen Musterknaben sind. Haben wir diese Rolle aufgegeben?
Watson: Ich glaube nicht aufgegeben. Und ich bedauere es, dass die Achse Frankreich/Deutschland nicht mehr funktioniert wie früher. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn Herr Sarkozy sich entschieden hat, zusammen mit Angela Merkel und Gordon Brown zu treffen. Die Beziehungen zwischen Sarkozy und Angela Merkel sind vielleicht schlechter, als wir zwischen früheren Staats- und Regierungschefs gekannt haben. Und das ist immer eine schlechte Sache für Europa.
Ricke: Spannend an der Geschichte mit dem Klimaschutz ist ja, dass das Klimaschutzpaket, dass man ursprünglich mal gepackt hat, ja unter der deutschen Ratspräsidentschaft gepackt wurde, jetzt soll es zusammengeschnürt werden unter der französischen, und jetzt bremsen die Deutschen. Wir stehen wir denn da, sowohl als Deutsche als auch letztlich als Europäer?
Watson: Es gibt ein sehr, sehr schwieriges Gleichgewicht zu finden. Wir müssen auf der einen Seite sicher sein, dass wir eine Leitung, eine Führung für die Welt in diesen Sachen behalten. Nur wenn Europa sich entscheidet, eine aktive Politik gegen Klimawandel zu machen, würde es eine Hoffnung geben, dass die Amerikaner hinter uns kommen und dass die Japaner und andere auch mitmachen. Wir haben diesen historischen, meiner Meinung nach, diesen historischen Schutz.
Ricke: Aufgabe?
Watson: Aufgabe, genau. Aber wir müssen auch so tun, dass unsere Industrie nicht benachteiligt dadurch wird. Und das heißt, wir müssen zwischen 27 Ländern und zwischen verschiedenen Industriezweigen eine Balance finden, ein Gleichgewicht finden, um das weiterzubringen. Es wird nicht einfach. Aber ich glaube auch nicht, dass es unmöglich ist. Und Herr Sarkozy hat schon gesagt, wenn wir das diese Woche nicht schaffen, dann könnten wir am 27. Dezember einen außerordentlichen Europäischen Rat machen. Mit diesem Prospekt, mit dieser Aussicht wird es vielleicht unseren Staats- und Regierungschefs gelingen, diese Woche einen Akkord, ein Abkommen zu finden.
Ricke: Die Diskussion über den Klimaschutz wird durch die Weltfinanz- und die Wirtschaftskrise doch sehr belastet. Viele denken jetzt zunächst an die eigenen Arbeitsplätze, an die eigene Industrie, auch die Deutschen denken da innerhalb ihrer deutschen Grenzen und verlassen da vielleicht diesen grünen Pfad des Klimaschutzes, den sie mal selbst beschritten haben. Ist die deutsche Rolle, die deutsche Haltung für die anderen Europäer erträglich?
Watson: Es ist schwierig. Und ich glaube, dass auch Deutschland ein bisschen weitsehend in dieser Sache sein muss. Das heißt, man muss in die Ferne gucken, um zu sagen, wie wird unsere Gesellschaft und unsere Welt in 20, 30 Jahren aussehen, wenn wir nicht jetzt diese schwierige Entscheidung machen. Und es wird schwierig, und das wissen wir alle und man muss auch nach Arbeitsplätzen Sorge haben. Aber ich würde sagen, man muss Mut finden, um solche Sachen zu machen.
Ricke: Was Sie fordern, ist eine politische und eine wirtschaftliche Vision. Wo sind denn die Visionäre zurzeit in Europa? Wo sind denn Charles de Gaulles und Konrad Adenauer von heute?
Watson: Es ist immer einfach zu sagen, in der Vergangenheit war es besser. Ich glaube nicht, dass es immer so ist. Und wenn man Staatsmänner sucht wie Adenauer und andere, die sind vielleicht zu ihrer eigenen Zeit auch nicht als solches bekannt geworden. Es sind Politiker in Europa heutzutage, es sind einige Kommissare, es sind einige nationale Staats- und Regierungschefs. Ich denke zum Beispiel an Anders Fogh Rasmussen, Premierminister von Dänemark, der jetzt eine Gesellschaft hat, wo fast 25 Prozent aller Energieproduktion aus umweltfreundlichen Quellen kommt. Es gibt Leute, die da sehr fleißig arbeiten und wir müssen ihren Ideen folgen.
Ricke: Deutsche haben Sie nicht genannt?
Watson: Deutsche habe ich nicht genannt. Vielleicht kenne ich Deutschland nicht so gut, um zu wissen, wer diese Leute sind. Aber ich kenne auch einige Politiker, einige Industriechefs in der Bundesrepublik, wo man sagen kann, ja, diese Leute haben gute Ideen. Wir müssen die zusammenstellen, um einen neuen Konsens für Europa auszuarbeiten.