Arglose Plauderei mit einem rechten Hassprediger
In der Talkshow "Tischgespräch" war der rechte Blogger und Publizist David Berger zu Gast. Mit Verweis auf einen "kritischen Diskurs" sendete der WDR trotz aller Proteste das Interview. Eine journalistische Bankrotterklärung, kommentiert Matthias Dell.
Der Gesprächsgast David Berger wurde in der WDR-Talksendung "Tischgespräch" als Publizist und Theologe angekündigt, der, wie es weiter hieß, für manche Schwule zur regelrechten Hassfigur mutiert sei und sich mit den politischen Äußerungen in seinem Blog bei vielen unbeliebt mache.
Dass es sich bei Berger um einen Rechtsextremen handelt, der menschenverachtende Äußerungen von sich gibt und Falschmeldungen in die Welt posaunt, fügte Florian Quecke, der Redakteur der Sendung und Wellenchef von WDR5, erst nachträglich hinzu – in einem Interview, das vor Ausstrahlung des Berger-Gesprächs gemacht wurde.
"Brauchen Sie die Rolle des Außenseiters?"
Dieses Interview ist – wie das "Tischgespräch" mit Berger selbst – eine journalistische Bankrotterklärung. Um die Wahl Bergers als Gast zu begründen, erklärte Wellenchef Quecke, man habe die Überzeugung, man solle auch mit Menschen in einen kritischen Diskurs gehen, die Positionen vertreten, die die allermeisten in unserer Gesellschaft nicht teilten. Um gleichzeitig aber einzugestehen, dass das homestory-freundliche "Tischgespräch" die falsche Form gewesen sei für eine Auseinandersetzung mit Berger.
Dass Moderator Ulrich Horstmann bei der Aufzeichnung im November kritisch nachgefragt habe, lässt sich beim besten Willen nicht behaupten:
"Also da haben Sie wirklich etwas losgetreten – hat Sie das auch mal belastet?"
"Herr Berger, sind Sie homophob?"
"Brauchen Sie die Rolle des Außenseiters, um sich selber zu spüren?"
"Herr Berger, auch gegenwärtig ecken Sie an, und mit Ihrem Blog, den Sie 2016 ins Leben gerufen haben mit dem Titel 'philosophia perennis', das heißt so übersetzt in etwa das Immerwährende, das, was das ganze Jahr über bleibt. Botanisch heißen Gänseblümchen auch so, mit Gänseblümchen hat natürlich Ihr Blog wenig zu tun – was erwartet einen da, wenn man den anklickt?"
"Mit wem würden Sie eigentlich gerne mal zu Abend essen – in einem schicken Restaurant?"
Und der einzige Moment in den 50 Minuten Plauderei, dem ansatzweise der Hauch eines Anflugs von Kritik anmutet, betrifft eine Nachricht, die sich als Falschmeldung herausstellt, auf Bergers Blog aber nicht korrigiert wird. Aber der Antwort von Berger schickt der Moderator schon rührendes Verständnis entgegen:
"Ich frage mich halt eben nur, sind Sie dann nicht auch manchmal, in Anführungsstrichen, überfordert, weil diese ganzen Meldungen müssten Sie ja dann alle noch mal nachprüfen. Und was bedeutet das jetzt für den Leser Ihres Blogs?"
Raum für menschenfeindliche Ideologie
Überfordert ist hier ein Journalismus, der es für seine besinnungslose Pflicht hält, solch ein Gespräch selbst dann noch zu senden, wenn er von dessen Falschheit überzeugt ist. Das macht aus dem arglosen Schwätzchen mit einem rechten Hassprediger einen neuerlichen Tiefpunkt im deutschen Journalismus.
Exklusiv ist dieses Versagen nicht. Denn es gab in den letzten Jahren genügend gescheiterte Versuche, mit Leuten ein Gespräch zu führen, deren Geschäft gut kalkulierte Hetze und Lüge ist. Und die überhaupt nicht interessiert sind an Auseinandersetzung, an Debatte, an Abwägen von Für und Wider, am besseren Argument. Denen es nur um Raum für ihre demagogische, menschenfeindliche Ideologie und Sprache geht.
Die selbst, wie die AfD, Journalisten ausschließen, auf Anfragen nicht antworten, keinen Widerspruch zulassen. Und mehr noch: Die politische Gegner knallhart bekämpfen mit mehr oder weniger öffentlichen Kampagnen.
Hetze ist keine Meinung
Und dennoch gehen wir Journalisten dem falschen kindischen Opfergejammer immer wieder auf den Leim. Wir glauben, mit Leuten wie Berger reden zu müssen, damit sie sich danach nicht mehr beklagen können, im "Staatsfunk", wie es in deren Sprache heißt, nicht vorzukommen. Dabei wird das öffentlich-rechtliche "Tischgespräch" nichts ändern an Bergers Äußerungen.
Was sich ändern muss, ist unser Journalismus. Die Hetze von Menschen wie Berger ist keine Meinung. Sondern eine Gefahr für das gesellschaftliche Miteinander.