Weg zur Freundschaft mit Tschechien und der Slowakei
Am 27. Februar 1992 wurde in Prag der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über "Gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit" unterzeichnet. Lange war darüber verhandelt worden, denn der Vertrag wurde von starken Emotionen begleitet.
Spanischer Saal der Prager Burg: ein prunkvolles Ambiente, in dem der tschechoslowakische Staatspräsident Václav Havel und Bundeskanzler Helmut Kohl den "Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit" zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik unterschreiben. Für beide Länder markiert dieser 27. Februar 1992 einen Neuanfang nach den langen Jahren, in denen der "eiserne Vorhang" Europa teilte und eine Annäherung schwer machte. Beide Politiker sind erleichtert, dass es endlich zur Unterzeichnung gekommen ist.
Helmut Kohl: "Alle unsere Partner und Freunde in Europa vertrauen, ja hoffen darauf, dass Deutsche, Tschechen und Slowaken in der Mitte unseres Kontinents am Ende dieses Jahrhunderts, das soviel Elend, Not und Leid gesehen hat, ein Beispiel für gute Nachbarschaft und freundschaftliches Miteinander im neuen Europa geben. Lassen Sie uns gemeinsam diese europäische Herausforderung annehmen." (Applaus)
Welche Emotionen dieser Vertrag in der CSFR schürte, hatte Helmut Kohl selbst erfahren können. Auch an diesem Tag hatten sich vor der Burg etwa 2000 Demonstranten eingefunden, meist ältere Menschen, die Deutschland noch immer mit Krieg und Okkupation verbanden. Sie trugen Transparente und riefen "Schande, Schande" – Parolen, die gegen Staatspräsident Václav Havel gerichtet waren. Dieser hatte sich schon bald nach seiner Ernennung in einer Geste, die er ganz im Geiste der "Charta 77" vortrug, bei den drei Millionen Sudetendeutschen für die Vertreibung entschuldigt und sie als "moralisch verwerflich" bezeichnet:
"Das war keine Strafe, sondern Rache. Mehr noch: Wir haben die Deutschen nicht wegen erwiesener individueller Schuld vertrieben, sondern als Angehörige eines bestimmten Volkes. Wir haben damit vielen unschuldigen Menschen Unrecht getan, hauptsächlich Frauen und Kindern."
Havel war im eigenen Land heftig kritisiert worden: Die Angst war groß, die Deutschen könnten zurückkehren, ihr Eigentum zurückfordern und die Tschechoslowakei in den Ruin treiben.
Der Nachbarschaftsvertrag konnte keine Wunden und Traumata heilen, die weit in die Geschichte zurückreichten: das Münchner Abkommen von 1938, der Einmarsch Hitlers ins Sudetengebiet, der Zweite Weltkrieg und die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. Historische Tatsachen, die von ideologischen und propagandistischen Feindbildern überschattet wurden, die sich in 40 Jahren kommunistischer Herrschaft verfestigt hatten. In der sozialistischen Tschechoslowakei war die Vertreibung immer ein Tabuthema gewesen. Der Nachbarschaftsvertrag war das erste bilaterale Dokument, in dem das Wort "Vertreibung" verwendet wurde. Auf deutscher Seite hatten Kreise der Sudetendeutschen Landsmannschaft kritisiert, dass der Vertrag keine vermögensrechtlichen Fragen klärte und ihrerseits die Unterzeichnung verhindern wollen.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der tschechoslowakische Außenminister Jiri Dienstbier hatten den Vertrag schon fünf Monate zuvor paraphiert, die Unterzeichnung war immer wieder verschoben worden. Jiri Dienstbier äußerte sein Bedauern:
"Es ist schade, dass es ein halbes Jahr gedauert hat, bis das Abkommen unterschrieben werden konnte. Dieses halbe Jahr hat denjenigen Auftrieb gegeben, die den Vertrag attackieren und das geschieht reichlich. Das ist sehr gefährlich, denn bei der jungen Generation kann es ein Gefühl der Abneigung gegen die Deutschen auslösen, das schon verschwunden war."
In dem Nachbarschaftsvertrag verpflichteten sich beide Länder, altes Unrecht nicht mit neuem zu vergelten, bestätigten die Grenze und verzichteten auf Gebietsansprüche. In 35 Artikeln behandelt der Vertrag sodann nachbarschaftliche Beziehungen wie Umweltschutz und Telefonleitungen, Universitäts- und Kulturaustausch oder die Zusammenarbeit von Städten der Grenzregionen. Der Tschechoslowakei war vor allem die zugesagte deutsche Unterstützung wichtig, ihr den Weg in die Europäische Union zu ebnen. Auch das ist inzwischen Geschichte: Im Jahre 2004 traten Tschechien und die Slowakei, nun schon längst separate Länder, der Europäischen Union bei.
Helmut Kohl: "Alle unsere Partner und Freunde in Europa vertrauen, ja hoffen darauf, dass Deutsche, Tschechen und Slowaken in der Mitte unseres Kontinents am Ende dieses Jahrhunderts, das soviel Elend, Not und Leid gesehen hat, ein Beispiel für gute Nachbarschaft und freundschaftliches Miteinander im neuen Europa geben. Lassen Sie uns gemeinsam diese europäische Herausforderung annehmen." (Applaus)
Welche Emotionen dieser Vertrag in der CSFR schürte, hatte Helmut Kohl selbst erfahren können. Auch an diesem Tag hatten sich vor der Burg etwa 2000 Demonstranten eingefunden, meist ältere Menschen, die Deutschland noch immer mit Krieg und Okkupation verbanden. Sie trugen Transparente und riefen "Schande, Schande" – Parolen, die gegen Staatspräsident Václav Havel gerichtet waren. Dieser hatte sich schon bald nach seiner Ernennung in einer Geste, die er ganz im Geiste der "Charta 77" vortrug, bei den drei Millionen Sudetendeutschen für die Vertreibung entschuldigt und sie als "moralisch verwerflich" bezeichnet:
"Das war keine Strafe, sondern Rache. Mehr noch: Wir haben die Deutschen nicht wegen erwiesener individueller Schuld vertrieben, sondern als Angehörige eines bestimmten Volkes. Wir haben damit vielen unschuldigen Menschen Unrecht getan, hauptsächlich Frauen und Kindern."
Havel war im eigenen Land heftig kritisiert worden: Die Angst war groß, die Deutschen könnten zurückkehren, ihr Eigentum zurückfordern und die Tschechoslowakei in den Ruin treiben.
Der Nachbarschaftsvertrag konnte keine Wunden und Traumata heilen, die weit in die Geschichte zurückreichten: das Münchner Abkommen von 1938, der Einmarsch Hitlers ins Sudetengebiet, der Zweite Weltkrieg und die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. Historische Tatsachen, die von ideologischen und propagandistischen Feindbildern überschattet wurden, die sich in 40 Jahren kommunistischer Herrschaft verfestigt hatten. In der sozialistischen Tschechoslowakei war die Vertreibung immer ein Tabuthema gewesen. Der Nachbarschaftsvertrag war das erste bilaterale Dokument, in dem das Wort "Vertreibung" verwendet wurde. Auf deutscher Seite hatten Kreise der Sudetendeutschen Landsmannschaft kritisiert, dass der Vertrag keine vermögensrechtlichen Fragen klärte und ihrerseits die Unterzeichnung verhindern wollen.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der tschechoslowakische Außenminister Jiri Dienstbier hatten den Vertrag schon fünf Monate zuvor paraphiert, die Unterzeichnung war immer wieder verschoben worden. Jiri Dienstbier äußerte sein Bedauern:
"Es ist schade, dass es ein halbes Jahr gedauert hat, bis das Abkommen unterschrieben werden konnte. Dieses halbe Jahr hat denjenigen Auftrieb gegeben, die den Vertrag attackieren und das geschieht reichlich. Das ist sehr gefährlich, denn bei der jungen Generation kann es ein Gefühl der Abneigung gegen die Deutschen auslösen, das schon verschwunden war."
In dem Nachbarschaftsvertrag verpflichteten sich beide Länder, altes Unrecht nicht mit neuem zu vergelten, bestätigten die Grenze und verzichteten auf Gebietsansprüche. In 35 Artikeln behandelt der Vertrag sodann nachbarschaftliche Beziehungen wie Umweltschutz und Telefonleitungen, Universitäts- und Kulturaustausch oder die Zusammenarbeit von Städten der Grenzregionen. Der Tschechoslowakei war vor allem die zugesagte deutsche Unterstützung wichtig, ihr den Weg in die Europäische Union zu ebnen. Auch das ist inzwischen Geschichte: Im Jahre 2004 traten Tschechien und die Slowakei, nun schon längst separate Länder, der Europäischen Union bei.